Es fing alles ganz harmlos an: Mein Podcast-Kumpel Herbert (Link) schlug vor, wir könnten nach all den Steampunk- & Cthulhu-Abenteuern ja endlich mal einen Dungeon Crawler in einem klassischen Fantasy-Setting spielen. Schön durch Höhlen und Verliese schnetzeln, dabei aufleveln und Loot farmen... Es gäbe da dieses „Dungeon World“, das könnte man ja ausprobieren, das klingt doch genau nach dem, was wir jetzt brauchen... Ich hätte eigentlich misstrauisch werden sollen, als ich sah, dass dieses dicke Regelbuch im Indie-Verlag der „System Matters“-Podcastkollegen (Link) erschien – Denn bekanntermaßen sind deren Rollenspiele zwar qualitativ hochwertig und extremst stylisch, aber vor allem neumodischer Hipsterkram ;-) Als dann auch noch die hoch geschätzten Kollegen vom „3W6 Podcast“ (Link) darüber berichteten, war mir klar, dass sich hier ein Erzählspiel-Wolf im Dungeonschnetzler-Schafspelz versteckt... Genauer gesagt versteckt sich hinter der oldschooligen Looten-&-Leveln-Fassade ein „Powerd by the Apocalypse“-Regelsystem, welches in einigen erzählorientierten Rollenspielrunden mittlerweile irgendwie sogar dem bisherigen „Fate Core“-Platzhirsch den Rang abläuft. Das Spielprinzip ist dabei angenehm übersichtlich: Mit 2W6 würfeln die SpielerInnen auf ihre Spielzüge (allgemeine und klassenspezifische Aktionen/Fähigkeiten), welche noch durch ihre Attribute modifiziert werden. Erreichen sie mindestens eine 10, klappt alles wie am Schnürchen. Bei einer 7 – 9 klappt es auch, es kommt aber eine Komplikation hinzu. Erwürfelt man höchstens eine 6, hat man einen Misserfolg – Das erlaubt der Spielleitung einen eigenen Spielzug, bringt im Gegenzug aber auch einen Erfahrungspunkt. Und im Prinzip war es das jetzt eigentlich schon, was man wissen muss, denn alle weiteren Infos stehen eh auf dem Charakterbogen ;-) Okay, ganz so simpel ist es dann doch nicht (aber fast!), denn sonst wäre „Dungeon World“ nicht ein echter Brocken mit stattlichen 508 Seiten und gleich zwei Lesebändchen in einem stabilen und (muss man das bei „System Matters“ eigentlich noch gesondert erwähnen?) stylischen Hardcover. 13 Kapitel wollen von motivierten SpielleiterInnen gelesen werden, damit man das volle Potential dieses Erzählrollenspiel erfasst:
1. Man beginnt natürlich mit der Einleitung, welche einem das Spielprinzip und die Charakterklassen (wie auch die Attribute sind diese kompatibel mit „Dungeons & Dragons“) vorstellt. 2. In Das Spiel spielen lernt man, wie man das Spiel spielt (welch Überraschung bei dieser Kapitelüberschrift :-P). Beispielsweise wird hier erklärt, wie Attribute und Modifikatoren funktionieren, wie man Spielzüge ansagt und durchführt, wie man seinen Charakter entwickelt, wozu man eine Gesinnung benötigt und sogar, wie man dem Tod ein Schnippchen schlagen kann. 3. Die Charaktererschaffung geht ziemlich rasch, erlaubt es aber, die Spielfigur an die Wünsche und Bedürfnisse der SpielerInnen anzupassen: Man wählt erst seine Klasse, dann sein Volk, dann einen Namen und das Aussehen. Anschließend verteilt man vorgegebenen Punktzahlen auf die Attribute (welche wiederum die Modifikatoren für die Spielzüge beeinflussen sowie die Anzahl der Lebenspunkte). Dann wählt man seine ersten Spielzüge (zusätzlich zu den Grundspielzügen wie etwa Nah- & Fernangriffe) und seine Startausrüstung, eh man den Charakter der Gruppe vorstellt, um die ersten zarten Bande mit seinen MitspielerInnen zu knüpfen :-) Und schon geht’s ab ins Abenteuer! 4. War das dritte Kapitel noch eine allgemeine Übersicht, geht es im vierten Kapitel nun für alle Klassen jeweils Schritt für Schritt vorwärts. Hier kann man im Prinzip absolut nichts falsch machen, besonders dann, wenn man zusätzlich noch die tollen Download-Klassenbücher (Link) benutzt. 5. Im kurzen Spielzüge-Kapitel werden die Grund- und Sonderspielzüge erläutert. Auf der Verlagshomepage (Link) findet sich hierzu eine sehr hilfreiche Systemreferenz. 6. Im Kapitel zur Ausrüstung geht es, oh Wunder, um Ausrüstung ;-) Wobei „Dungeon World“ hier gerade bei den Waffen einen spannenden Ansatz verfolgt: Der eigentliche Schaden ist klassenspezifisch, die Waffen geben über bestimmte Stichworte aber spezielle Eigenschaften (z.B. hat ein Duellrapier eine höhere Reichweite als eine Faust, zudem durchschlägt es eine Rüstung). Auch andere Ausrüstungsgegenstände haben solche Stichworte, die mich irgendwie an die Aspekte bei „Fate Core“ erinnert haben. Zudem gibt es natürlich allerlei Preislisten. 7. Im nächsten Kapitel bekommt Der Spielleiter die Tipps und Tricks, die er für diese „Powered by the Apocalypse“-Variante benötigt. Für mich waren die auch bitter nötig, denn gerade die Kämpfe ohne Reihenfolge (die eher an einen dynamischen Schlagabtausch der Spielzüge erinnern) waren doch eine ziemliche Umstellung von anderen Systemen... 8. Wie man Die erste Sitzung meistert, erfährt man hier. 9. Ebenfalls an SpielleiterInnen richten sich die Hinweise zu Fronten. Wobei diese Überschrift ziemlich dramatisch klingt, eigentlich geht es nur um Überlegungen zur Abenteuer- und Kampagnengestaltung. Aber zugegeben, auch nach mehrmaliger Lektüre des Textes war ich mir nicht so sicher, ob ich eigentlich verstanden habe, worum es genau geht... Irgendwie ist mir dieses Kapitel zu sehr lalala geschrieben... 10. Wie man Die Welt erschafft, erfährt man hier. 11. Okay, die Heldengruppe wurde zusammengetrommelt, die Welt wurde erschaffen und die Fronten wurden geplant. Was fehlt noch? Genau, richtig viele fiese Monster, die man genüsslich verkloppen kann. Man kann sie natürlich selber erschaffen, aber auch auf eine vielfältige Auswahl (vom Gallertwürfel bis zum Eisgolem) zurückgreifen. 12. Hat man sich dann in das Regelsystem eingearbeitet, wird es Zeit für Dungeon World für Fortgeschrittene. Dieses Kapitel gibt Anregungen, wie man das Spiel nach seinen eigenen Wünschen modifizieren kann. 13. Zuletzt noch ein paar Anhänge, die von zwei Stichwortverzeichnissen abgeschlossen werden.
Wie spielt sich „Dungeon World“ nun aber? Tatsächlich ganz anders als andere Dungeon Crawler, aber tatsächlich auch sehr gut. Dafür, dass man bevorzugt in irgendwelchen Kellern und Verliesen zahllose Monster wegschnetzelt und Fallen auslöst, geht es überraschend erzählerisch zur Sache. Man hat kein Mikromanagement, dadurch kommt man wesentlich schneller zum Kernpunkt des Spiels: Spielzüge verwenden und diese Erlebnisse dramatisch beschreiben, um Herausforderungen zu meistern. Vom Spielgefühl erinnerte mich „Dungeon World“ daher weniger an Fantasy-Erzählspiele wie etwa „Malmsturm“ (Link) – was für mich persönlich die Erstassoziation ist, wenn ich an Fantasy-Erzählspiele denke – sondern ich dachte unweigerlich an die erste D&D-Version, die im „Der erste Spielleiter“-Comic (Link) beschrieben wird. Fazit: Dafür, dass „Dungeon World“ (Link) ein „Powered by the Apocalypse“-Rollenspiel ist, macht es mir überraschend viel Spaß :-P Aber jetzt ernsthaft: Dieser Erzählspiel-Wolf im Dungeonschnetzler-Schafspelz ist sehr unterhaltsam. Wer sich für diese Nische interessiert, kann, gerade auch der Produktqualität vom „System Matters“-Verlag (welcher mir dankenswerterweise ein Rezensionsexemplar zur Verfügung stellte) wegen, bedenkenlos die 39,95 € investieren.