Mittlerweile scheint der „Splitter Verlag“, der mir wieder dankenswerterweise ein Rezensionsexemplar zur Verfügung stellte, das Synonym für Spätwestern-Comics zu sein. Egal ob „Die Viper“ (Link) oder „Ghost Kid" (Link), pessimistische Geschichten über das ruhmlose Ende der einst glorreichen Cowboys finden sie mit wohltuender Regelmäßigkeit im Portfolio der Bielefelder. Diesem WildWest-Subgenre kann man nun auch bedenkenlos Dominique Monférys „Ein unerwarteter Todesfall“ zuordnen. Die neue Welt ist für die nicht mehr ganz junge Londonerin Edith ein Ort der Hoffnung, denn dorthin ist vor ihrem brutalen Gatten geflüchtet. Dann lernt sie auch noch den Zimmermann Hans kennen, der ihr die Möglichkeit auf ein arbeitsreiches, aber wohlhabendes Leben offeriert: Am Yukon River wurde Gold gefunden, da fallen für das junge Liebesglück doch bestimmt ein paar Brocken ab. Und tatsächlich scheint alles nach Plan zu laufen, denn gemeinsam mit drei anderen Goldschürfern gründen sie eine erfolgreiche Wohn- & Arbeitsgemeinschaft, die alsbald zu einer Ersatzfamilie heranwächst. Doch dann wird ein Familienmitglied gierig! Das Unglück nimmt seinen Lauf... Das war so ungefähr die grobe Handlung der ersten 18 dieses 96 Seiten umfassenden Comics, welcher eine zusammenhängende Geschichte erzählt, die sich aber in drei bis vier Episoden unterteilt. Und deswegen kommen wir jetzt einfach nicht drumherum, dass ich ein wenig vorgreife. Deshalb eine fette Warnung vor Spoilern im nächsten Absatz! Einer der drei Mitschürfer läuft Amok, um das ganze Gold für sich selbst zu beanspruchen. Lediglich Hans und Edith überleben, wobei letztere irgendwie fast schon mehr davon geschockt ist, mit welcher Gewalt ihr Liebster den Angreifer zusammenschlägt. Aber er überlebt, weshalb sich nun eine moralische Frage stellt: Wie umgehen mit dem Mörder? Einfach erschießen, so wie er seine Freunde erschoss? Oder ihn über den Winter gefangenhalten, um ihn dann vor ein ordentliches Gericht zu stellen? Edith und Hans sind unterschiedlicher Meinung und entfremden sich darüber immer mehr, bis keine Liebe mehr übrig ist... Irgendwann entscheidet man sich die eingeschneite Hütte zu verlassen, um durch den tiefsten Winterwald zurück in die Zivilisation zu reisen. Doch ein hungriges Rudel Wölfe wartet sehnsüchtig auf neues Futter. Und als sei das alles nicht genug, muss sich Edith am Ende ihrem gewalttätigen Ehemann entgegenstellen. „Ein unerwarteter Todesfall“ wechselt vor dem WildWest-Hintergrund des Goldrausches also mehrfach das Genre. Zweifelsohne am intensivsten ist dabei das psychologische Kammerspiel, wenn die sich entliebenden Edith und Hans über das Schicksal des Mörders entscheiden müssen. Aber auch der Survival-Horror im nächtlichen Winterwald, wenn die hungrigen Wölfe immer näher kommen, funktioniert ganz hervorragend. Das liegt, neben der vorwärtsdrängenden Erzählweise und den oft überraschenden Story-Twists beziehungsweise wechselnden Episoden, vor allem an den großartigen Zeichnungen. Dominique Monféry zeigt hier, wie schon bei „Evil Road“ (Link), dass er sowohl Zeichnen als auch Erzählen kann. Daher bleibt mir nichts anderes übrig, es gibt ein positives... Fazit: „Ein unerwarteter Todesfall“ (Link) ist ein ganz phantastischer und überraschend düsterer Spätwestern-Comic!
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