Es ist doch immer wieder interessant, wie sehr die Geschmäcker sich unterscheiden. Die von mir bisher gefundenen Buchbesprechungen zu "Hammer & Söckchen" waren voll des Lobes, ich zitiere mal ein großes deutsches Scifi-Portal (Link): „Diese sexistische, politisch unkorrekte und bizarre Liebesgeschichte liefert uns ein erfrischen anderes Lesevergnügen.“ – Okay, kleiner Spoiler in der Einleitung: Ich frage mich gerade, ob ich ein anderes Buch gelesen habe? „Hammer & Söckchen“ spielt vor einer typisch trostlosen Wüstenkulisse im Jahr 2742, bei der es wohl im Auge des Betrachters liegt, ob wir uns noch in der Endzeit oder schon in der Post-Apokalypse befinden. Die Geschichte beginnt in einem Forschungslabor, welches gerade von einem wilden Mob gestürmt wird. Dabei gehen natürlich einige Dinge zu Bruch, sodass der Protagonist Sharp, die verrückt-sadistische Möhre und ein weinerliches Dickerchen aus ihrem Kälteschlaf erwachen. Was sie zu diesem Zeitpunkt noch nicht wissen: Sie waren früher mal Schwerstkriminelle und lagen nur deshalb in dem Labor, weil man an ihnen Experimente zur Aggressionsvermeidung durchführen wollte. Aber wie gesagt, geweckt durch den wilden Mob, wurden die Experimente nicht zu Ende geführt und so metzelt sich das Trio – allen voran Möhre, die eine bizarre Beziehung mit ihrem Vorschlaghammer „Herr Hammer“ lebt – erst durch den Forschungskomplex und dann durch die apokalyptische Wüstenwelt. Einzig das blonde Mädchen Bing wird von ihnen verschont, da es als Übersetzerin und vor allem aber als Sexobjekt benötigt wird... Ich will gar nicht den Handlungskern (Flucht aus dem Labor, dann der Versuch sich in einer fremden Endzeitwelt zurechtzufinden) von „Hammer & Söckchen“ kritisieren. Ganz ehrlich, das wäre sicherlich eine ganz annehmbare Kurzgeschichte geworden, die in einer Dystopie-Anthologie nicht weiter positiv oder negativ aufgefallen wäre. Leider wurde das schmale Story-Konstrukt aber auf Novellen-Größe aufgeblasen und dann nicht mit interessanten Inhalten oder gar komplexen Figuren gefüllt, sondern ausschließlich mit abstoßenden Altherren-Sexphantasien und ausladenden Gewaltorgien. Die Geschichte besteht zu geschätzt 80 % nur daraus, dass man aus Sharps Perspektive erzählt bekommt, wie Möhre mit ihrem Hammer redet, wie sie mit diesem Hammer dann Köpfe einschlägt und wie sie sexuelle Handlungen an sich vornimmt oder vornehmen lässt. Das ödet, bei aller Explizitheit, unglaublich schnell an und macht vor allem aber wütend: So viel Misogynie und Sexismus bekommt man sonst nur zu sehen, wenn man sich Pornos in den allerhintersten Ecken des Internets anschaut. Möhre wird ja nicht einmal ein eigener Name zugestanden (Sharp nennt sie nur Möhre oder wahlweise auch Pinky, einen echten Namen bekommt sie nicht), zudem wird sie ausschließlich auf ihr ach so perfektes Aussehen reduziert. Ihre Hammer-Obsession, ihre Gewaltausbrüche und vor allem aber ihre als „typisch weiblicher Teenager“ definierten Eigenschaften (z.B. Zickigkeit, Launenhaftigkeit, Eifersucht) geben der Figur keine Charaktertiefe, sondern wirken eher wie eine boshafte Karikatur. Und das Schlimme daran ist: Trotz allem ist sie damit die mit weitem Abstand komplexeste Figur der gesamten Geschichte. Sharp bleibt komplett reduziert auf seine Geilheit, seinen (von Möhre unterstellten) Fußfetisch und seine Gedanken darüber, ob er in der Vergangenheit – an die er sich nicht erinnert – auch schon gewalttätig war. Bing ist gar nur das unterwürfige Ding, welches in einer Szene von Sharp sogar mal als solches und im selben Atemzug auch noch als Sexobjekt bezeichnet wird. Achja, und weil er ihr im selben Gespräch erklärt, dass ausgenutzter Sex gegen Schutz doch ein fairer Tausch ist, anstatt sie sich gleich zu nehmen, hält Sharp sich für einen emotionalen Jammerlappen... Ich bin von soviel testosterongesteuertem Machotum, bei so offensichtlichem Sexismus und bei so offensichtlicher Misogynie angeekelt. Diese Geisteshaltung zeigt sich auch in den Sexszenen, von denen zumindest teilweise auch ohne hochtrabende Interpretation davon auszugehen ist, dass diese nicht wirklich im gegenseitigen Einvernehmen stattgefunden haben. Beschrieben werden all diese unschönen Szenen in einer eher einfachen, dafür aber sehr bildhaften Sprache. Hier geizt der Autor Guido Krain (Link) nicht mit Anzüglichkeiten und Anspielungen, die der Novelle wohl den Humor geben sollen, den sie verspricht. Ich konnte mich dafür nicht erwärmen, kann mir aber durchaus vorstellen, dass dieser Humor seine Fans finden wird. Und die werden sicherlich bedenkenlos die 6,95 € zahlen, die der „Arunya Verlag“ (welcher meinem Podcast-Kumpel Herbert ein Rezensionsexemplar zur Verfügung stellte, der hielt aber gerade mal 30 Seiten durch) für das 154 Seiten starke Taschenbuch verlangt. Für mein Fazit will ich nochmal das Lob der Blogger-Kollegin aufgreifen: „Diese sexistische, politisch unkorrekte und bizarre Liebesgeschichte liefert uns ein erfrischen anderes Lesevergnügen.“ – Große Zustimmung zu „sexistisch“, auch zu „politisch unkorrekt“, wobei man da sicherlich vortrefflich auf der Meta-Ebene diskutieren kann. Eine Liebesgeschichte, auch wenn sie noch so bizarr ist, hab ich hingegen nirgends gefunden, es sei denn man hält „Ich will dich ficken, weil du heiß bist“ für romantisch ;-) Was ich auch nicht gefunden habe, war „ein erfrischend anderes Lesevergnügen“. Nein, ich hab mich eigentlich nur die ganze Zeit aufgeregt über eine Mischung aus bedeutungslosen Gewaltexzessen und pornografischer Altherrenphantasie, über welche das Feigenblatt einer Post-Apokalypse gelegt wurde :-( Mir ist „Hammer & Söckchen“ (Link) so zuwider, dass ich mich nicht in der Lage sehe, eine prozentuale Wertung abzugeben.
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