Das Schreiber-Ehepaar Vogt muss ich wohl den LeserInnen dieses Blogs nicht vorstellen, denn schön öfters habe ich ihre Werke gelobt und sogar ausgezeichnet (Gold-PEN&P für „Eis & Dampf“ (Link) und „Die Grüne Fee“ (Link) sowie Kristall-PEN&P für „Scherbenland“ (Link)). Im Gunpowder-Fantasy-Setting des letztgenannten Titels spielt nun auch „Die 13 Gezeichneten“ - Na mal schauen, ob der Roman auch preisverdächtig ist...
Die Fantasy-Stadt Sygna ist weltweit gerühmt für ihre Handwerkskunst. Denn die ohnehin schon guten Produkte (Waffen natürlich, aber auch Alltagsgegenstände und sogar Gedichte) werden mit magischen Zeichen verfeinert, die ihre Wirkung vervielfachen oder ihnen zusätzliche Eigenschaften geben – Da wird selbst eine einfache Holzlatte so hart wie Granit. Das von den verschiedenen Gilden strengstens reglementierte und gehütete Wissen rund um die magischen Zeichen weckt natürlich allerlei Begehrlichkeiten, sodass irgendwann die Truppen des aquinzischen Kaisers vor der Tür stehen. Eigentlich keine große Herausforderung für die magischen Verteidiger, doch aufgrund interner Querelen wird die Stadt widerstandslos übergeben... Jetzt kämpfen nur noch vereinzelte Grüppchen unerbittlicher Widerständler gegen die nicht minder unerbittlichen Besatzer. Von denen will der großmäulige Goldfechter Dawyd eigentlich gar nichts wissen; doch als er sich zur falschen Zeit am falschen Ort befindet, wird er von den Rebellen rund um den verkrüppelten Schreinermeister Ignaz Dreifinger zwangsrekrutiert. Von nun an muss er zusammen mit der verbitterten Schmiedin Elisabeth, dem zögerlichen Dichter Ismayl, dem unscheinbaren Straßenkind Jendra und der energischen Zunftsratstochter Killiana nicht nur gegen die aquinzischen Besatzer unter der Führung des skrupellosen Geheimpolizisten Lysandre Rufin kämpfen, sondern auch noch herausfinden, was die Besatzer eigentlich genau vorhaben, wenn sie die ganze Zeit die vergessenen Gänge unterhalb der Stadt erkunden...
„Die 13 Gezeichneten“ erinnert in ihren starken wie auch in ihren schwachen Momenten an eine modern erzählte Streaming-Serie (etwa von „Netflix“). Jedes Kapitel entspricht dabei einer eigenen Folge, welches sich mit einem konkreten Problem befasst (so ist beispielsweise Dawyds „Heldenreise“ weitestgehend in einem Kapitel abgehandelt). Mit jedem Kapitel schreitet dabei der Metaplot voran und die verschiedenen Handlungsfäden verzahnen sich immer mehr. Dabei gewinnen die wirklich gut ausgearbeiteten, vielschichtigen und vielseitigen Figuren (sowohl die Protagonisten als auch, meiner Meinung nach sogar besonders gut gelungen, Antagonist Lysandre) sowie die Stadt als zentraler Handlungsort immer mehr an Tiefe. Man merkt, gerade auch im Hinblick auf den Umfang von fast 600 Seiten, dass sich das Autoren-Paar hier mehr als genug Zeit nimmt um ein glaubwürdiges, nachvollziehbares Setting und Handlungskonstrukt zu erstellen :-) Mitunter, gerade im Mittelteil, hätte man die Handlung aber etwas straffen können, damit sie ein gleichbleibend hohes Tempo behalten hätte. So kam es, begünstigt durch den episodenhaften Aufbau der Geschichte, dass ich lediglich das letzte Viertel des Romans, daher das spannende und leider halb-offene Finale, „bingewatchte“ bzw. „bingereadete“, und den Rest eher entsprechend dem klassischen TV-Serienprogramm konsumierte: Eine Episode pro Woche, auch mit Vorfreude auf die kommenden Episoden, aber ohne dass jetzt die Welt unterging wenn ich nicht sofort noch eine Episode dranhängen konnte.
Der Schreibstil der Vögte hat mir meist mindestens gut, in manchen Szenen sogar sehr gut, gefallen. Er ist atmosphärisch und gut lesbar, sodass sich schnell die passenden Bilder mit der richtigen Stimmung im Kopf der LeserInnen entwickeln. Da gibt es nichts zu meckern ;-) Ebenso wenig zu meckern gibt es bei der Druckqualität vom „Bastai Lübbe“ (welche mir dankenswerterweise ein Rezensionsexemplar zur Verfügung stellten), welche für ein 592 Seiten dickes Taschenbuch glatte 14 € verlangen.
Fazit: Eigentlich muss ich mich einfach nur nochmal selber zitieren ;-) „Die 13 Gezeichneten“ (Link) erinnert in ihren starken wie auch in ihren schwachen Momenten an eine modern erzählte Streaming-Serie – Wobei hier eindeutig die starken Momente überwiegen, sodass sich der Gunpowder-Fantasy-Roman seine 84 % beziehungsweise 4,2 / 5 Sternchen eines aquinzisch-bösen Onlinehändlers redlich verdient hat.