Zu den unrühmlichen Kapiteln der europäischen Geschichte gehört zweifelsohne die Kolonisierung der restlichen Welt. Aber alles hat einmal ein Ende; und so wurden nach und nach viele Kolonien – mal nach politischen, mal nach militärischen Unruhen – unabhängig. So auch die Republik Kongo, die sich 1960 nach 80 Jahren der Unterdrückung von Belgien lossagte und sogleich in einen blutigen Bürgerkrieg rutschte. Vor diesem geschichtsträchtigen Hintergrund erzählt die Graphic Novel-Reihe „Katanga“, einer Mischung aus brutalem Kriegscomic und intelligentem Politik-Thriller, die Geschichte von gestohlenen Diamanten und Söldnern, die auf der Suche nach sich selbst sind... Auch wenn es natürlich wesentlich komplexer war, kann man den Bürgerkrieg in wenigen Worten zusammenfassen: Die reiche Provinz Katanga, welche von der belgischen Diamantenminengesellschaft in Form von Geld und damit Söldnern unterstützt wird, rebelliert gegen den Rest des gerade erst unabhängig gewordenen Landes. Dieses ist noch sehr schwach und instabil, da es vor allem auch mit innenpolitischen und ethnischen Konflikten beschäftigt ist. Eigentlich sollen die UNO-Blauhelme das Chaos eindämmen, aber wie sonst auch reißen die bei Afrika-Missionen mal absolut nichts... Der Auftaktband „Katanga #1 Diamanten“ erzählt die Geschichte von zwei gänzlich unterschiedlichen Protagonisten: Da ist einerseits der Kongolese Charlie, welcher die Chance seines Lebens nutzt und einen Koffer voller Diamanten stiehlt, während ein wütender Mob seine belgischen Arbeitgeber massakriert. Und andererseits ist da Felix Cantor, ein frisch von der belgischen Minengesellschaft angeworbener Söldner. Dieser stellt eine schlagkräftige Einsatztruppe zusammen, um die Interessen der rebellierenden Provinz Katanga beziehungsweise der belgischen Minengesellschaft zu schützen – Was letztendlich bedeutet, dass Cantor in diesem Auftaktband Charlie beziehungsweise eher dessen Diamantenvorrat auftreiben soll... Wie diese kurze Zusammenfassung vielleicht schon andeutet, gibt es in der „Katanga“-Reihe keine strahlenden Helden. Jede handelnde Figur, egal ob Charlie oder Cantor, egal ob die belgischen Minenbesitzer, die kongolesischen Politiker oder die verschwörerischen Agenten der Großmächte – Sie alle handeln ausschließlich im eigenen Interesse fernab jeglicher Moral, nur getrieben von ihrer Gier und ihrem Rassismus. Damit ist „Katanga“ keine leichtverdauliche Kost, sondern inhaltlich düster und zutiefst deprimierend – Und damit trifft es den perfekten Erzählton, um einen actionreichen Politik-Thriller vor diesem historischen Hintergrund zu erzählen. Auch das Erzähltempo, welches immer mal wieder zwischen sehr brutalen Action- und intriganten Gesprächsszenen wechselt, wurde passend gewählt. „Katanga #1 Diamanten“ ist dabei ein typischer Auftaktband: Das Setting und die historischen Hintergründe werden eingeführt, genauso wie die Protagonisten und die zahlreichen Nebenfiguren. Gerade letztere bleiben dabei noch ungemein undurchsichtig, scheinen sie doch alle ein eigenes Spiel zu treiben – Ich musste hier, gerade auch nachdem ich mich in die Geschichte dieses Bürgerkriegs eingelesen hatte, ein wenig an eine Miniaturversion von „Game of Thrones“ denken. Sozusagen „Game of Kongo“ ;-) Dabei können die allermeisten Figuren das Interesse wecken und man ist durchaus gespannt, wie es mit der Reihe weitergehen wird. Zeichnerisch finde ich den sehr atmosphärischen Comic eigentlich ganz gut, auch wenn ich mich ein wenig an den cartoonesk übersteigerten Gesichtern störe. Ganz ehrlich, so große Lippen an Schwarzafrikanern hab ich das letzte Mal in rassistischen Karikaturen aus den 20er Jahren gesehen :-( Letztendlich muss man für diesen Comic-Stil aber wohl dankbar sein, denn mit einem realistischeren Stil wären die Gewaltspitzen wohl noch unerträglicher geworden... Gar nicht unerträglich ist dagegen die wie immer großartige Druckqualität vom „Splitter Verlag“ (welcher mir dankenswerterweise ein Rezensionsexemplar zur Verfügung stellte), sodass 16,80 € für 72 Seiten in Ordnung gehen. Fazit: Eigentlich wollte ich ja schreiben, dass „Katanga #1 Diamanten“ (Link) wie die Comic-Version einer äußert gelungenen Mischung aus „Die Wildgänge kommen“ und „Blood Diamond“ wirkt. Aber ehrlich gesagt komme ich einfach nicht umhin hier zu schreiben, dass diese Grapic Novel eher an eine kongolesische Version von „Game of Thrones“ erinnert – Denn auch ohne Drachen liegt dieser Vergleich so viel näher ;-) Wer sich für geschichtsträchtige Politik-Thriller begeistern kann und nicht vor den Gewaltspitzen zurückschreckt, sollte hier unbedingt zugreifen!
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