Bekannt ist der kleine, aber feine „Mantikore Verlag“ aus Frankfurt ja primär für zwei Produktlinien: Einerseits für die Neuveröffentlichung klassischer Phantastik-Literatur und andererseits für seine Solo-Rollenspielbücher. Gelegentlich zeigt man sich aber etwas mutiger und gibt JungautorInnen eine Chance. Und mit dieser Strategie fuhr der Verlag bisher ganz gut, war doch beispielsweise im letzten Jahr „Opfermond“ (Link) von Elea Brandt (Link) ein qualitativer wie auch quantitativer Erfolg. Mit Daniela Becks tendenziell eher klassischem Kriminalroman „Mörderspiel“ wird das Literaturportfolio im September nun um ein weiteres Erstlingswerk erweitert. Dankenswerterweise gab mir Verlagschef Nic aber bereits jetzt die Gelegenheit und die Erlaubnis, vorab und exklusiv eine Rezension zu veröffentlicht. Möge daher das mörderische Spiel beginnen ;-)
Die junge Frau Lilli lebt eigentlich ein ganz normales, unspannendes Leben. Dann aber kommt sie mit ihrem Kollegen Markus zusammen, der einem für sie völlig unbekannten und abwegigen Hobby nachgeht: Live Action Roleplay, kurz LARP. Geschätzt 99 % meiner BlogleserInnen wissen eh, worum es geht, aber für die restlichen 1 Prozent: Das ist eine Art kostümiertes Improvisationtheater, bei dem es einen erzählerischen Rahmen (zumeist durch eine Spielleitung vorgegeben) gibt. Letztendlich lässt sich Lilli dazu überreden, mal an so einem LARP teilzunehmen, und so fährt das junge Pärchen in eine alte Villa. Dort veranstaltet Anna, eine LARP-Bekanntschaft von Markus, ein exklusives Krimi-LARP im 60er Jahre Ambiente. Gerade mal vier SpielerInnen sollen übers Wochenende den Plot um eine mysteriöse Erbschaft auflösen – Klassische Krimikost im Stil von Edgar Wallace und Agatha Christie, natürlich inklusive Geheimgang, Familienintrigen und einem dezenten Hauch an Mystery. Doch im Verlauf des Wochenendes vermischen sich für die SpielerInnen Fiktion und Realität. Nicht nur, weil selbst LARP-Neuling Lilli immer mehr in ihre Rolle hineinfindet, sondern auch weil sie es alsbald mit einem echten Todesfall und der sukzessiven Verquickung der Spielhandlung mit realen Familiengeheimnissen zu tun bekommen…
Wäre „Mörderspiel“ eine ganz normale, klassische Kriminalgeschichte, dann würde ich den Plot als durchaus solide, aber nicht sonderlich spektakulär bezeichnen. Eine zwar unterhaltsam und atmosphärisch geschriebene, aber doch recht seichte Ermittlung, bei der in einem verstaubten Herrenhaus Indizienketten gebildet werden und bei der auch manchmal Kommissar Zufall mithilft. Aber „Mörderspiel“ ist eben keine ganz normale, klassische Kriminalgeschichte, sondern glücklicherweise ein LARP-Krimi. Diese zweite, realweltliche Ebene bereichert den Plot ungemein – Denn Lilli, aus deren Perspektive die Handlung erzählt wird, kann mit all den Begrifflichkeiten und Verhaltensweisen (“Nicht den Plot sprengen“ ;-)) gerade zu Beginn des Wochenendes wenig anfangen. Ihre oft distanzierten oder ironischen Gedankengängen zum Handlungsfortschritt sowohl im Spiel als auch in der Realität bereichern die Geschichte ungemein und geben gerade LeserInnen wie mir, welche mit LARP (noch) nichts anfangen können, eine perfekte Identifikationsfigur. Dadurch, dass sie sich aber langsam immer mehr in ihre Rolle der Victoria, einer Privatdetektivin aus Chicago, hineinversetzen kann, macht sie zudem eine nachvollziehbare Charakterentwicklung durch – Bis zu dem Punkt, dass man als LeserIn irgendwann nicht mehr wirklich unterscheiden kann, ob man der Geschichte gerade aus Lillis oder Victorias Perspektive folgt.
Dafür, dass es ein Erstlingswerk ist, schreibt Daniela Beck schon sehr routiniert. Der Plot ist sauber konstruiert – naja, das Ende ist ein wenig klischeelastig, aber das sehe ich ihr als Tribut an die klassischen Vorbilder nach – und die Schauplätze und Handlungen sind zumeist sehr bildlich und atmosphärisch beschrieben. Der Spannungsbogen bleibt durchgehend auf einem gehobenen Niveau, sicherlich auch, weil die Autorin beim Erzähltempo nicht rumtrödelt. Ich hab das Buch (laut Verlagshomepage 330 Seiten, meine Rezensions-PDF hatte 288 Seiten) in einem Rutsch durchgelesen, das sagt eigentlich alles über die Qualität aus :-D Den Preis von 13,95 € für ein Taschenbuch wäre ich hier definitiv bereit zu zahlen!
Fazit: „Mörderspiel: Ein LARP Krimi“ (Link) ist das gelungene Romandebut von Daniela Beck. Ein solide konstruierter Krimiplot trifft auf eine unterhaltsam die Ereignisse aufbrechende LARP-Realitätsebene – Mir hat diese Mixtur gut gefallen, da kann ich auch mal mit gutem Gewissen 85 % beziehungsweise 4,25 / 5 Sternchen vergeben. Krimi-Fans sollten sich den 3. September vormerken :-)