Bekanntermaßen bin ich ja ein großer Freund der futuristischen Spielwelt des deutschen Alienjäger-Taktik-Rollenspiels „Contact“. Langsam füllen sich meine Regale mit den einzelnen Erweiterungsbänden, also der perfekte Zeitpunkt nach und nach ein paar Rezensionen zu verfassen. Mit dem ebenso spaßigen wie bleihaltigen „Zug um Zug“ lag die Messlatte ja schon ordentlich hoch, aber der neuste Abenteuerband „Projekt Oberon“ bietet ein „Contact“ wie es – meiner Meinung nach - sein sollte :-D
Die Geschichte wirkt dabei anfangs noch eher klassisch: Ein UFO ist in einer hinterwäldlerischen Kleinstadt in der tiefsten amerikanischen Redneck-Provinz abgestürzt, darum macht das heillos überforderte und noch dazu UFO-unwissende US-Militär auf dicke Hose. Die Spieler sollen nun in ihrer Funktion als OMEGA-Alienjäger-Geheimagenten unbemerkt die Lage sondieren und stellen nur allzu schnell fest, dass offensichtlich ein bisher unbekannter (und unfassbar knuffiger) Außerirdischer vom Volk der Overlords überlebt hat. Wer sich hier an Kinofilme wie „E.T.“ und „Super 8“ erinnert, liegt goldrichtig :-) Und so wechselt die Rolle der Spieler vom Alienjäger schnell zum Alienbeschützer und Erstkontaktdiplomat. Mehr will ich jetzt aus Spoilergründen gar nicht auf die Handlung eingehen (und wer jetzt aufschreit, es wäre schon zu viel Spoiler: Auf der Buchrückseite wird viel mehr verraten :-P), aber ich kann zumindest erwähnen dass es am Ende noch eine richtig schöne, taktische Ballerei gibt. Und sind wir ehrlich, „Contact“-Spieler lieben richtig schöne, taktische Ballereien ;-)
Das Abenteuer ist in vier Abschnitte aufgeteilt, die jeweils andere Fähigkeiten erfordern und so verschiedensten Teammitglieder die Möglichkeit geben ihren Teil zum Gelingen der Mission beizutragen. Im ersten Abschnitt müssen die Charaktere erst unbemerkt in die abgeriegelte Stadt eindringen und im ungünstigsten Fall aus einem Gefängnis ausbrechen. Der zweite Abschnitt erfordert detektivische und soziale Fähigkeiten (Wie kommt man an genauere Informationen zum Geschehenen? Wie kann man sich das Militär vom Hals halten? Und am Wichtigsten: Wo ist der überlebende Außerirdische?). Im dritten Abschnitt, dem Höhepunkt der Handlung, kommen dann Diplomaten auf ihre Kosten: Können die technisch hochentwickelten Overlord-Aliens zu einem Bündnis überredet werden oder erschafft man sich einen weiteren Feind? Bleibt noch der vierte Abschnitt übrig, indem die Spieler (idealerweise mit ihren neuen, hochgerüsteten Verbündeten) ein feindliches Raumschiff erstürmen. Eine ebenso ausgewogene wie abwechslungsreiche Aufgabenstellung also, was ich persönlich als großen Vorteil gegenüber den anderen von mir bereits gelesenen „Contact“-Abenteuern ansehe, in der teilweise bestimmte Berufsgruppen eher bevorteilt sind. Aber zu denen kommt, wie gesagt, bald noch jeweils eine eigene Rezension :-D
Die einzelnen Abschnitte sind wieder, wie bei „Contact“ üblich, in zahlreiche Ereignismodule aufgespalten. So kann der Spielleiter je nach Verhalten der Gruppe nach und nach die Geschichte entwickeln. Dabei sind sie in erforderliche und optionale Ereignismodule aufgeteilt. Im Gesamten fühlt sich das Abenteuer dadurch wie eine gesunde Mischung aus Sandbox und Railroad an: Die Handlung führt über bestimmte Schlüsselereignisse hin zu einem festgelegten Ziel, den Weg dahin ist man aber relativ frei in seiner Entfaltung.
Broken Bow im tiefsten Nebraska heißt dieser Schauplatz übrigens und bietet so ziemlich alles, was man so von einem Provinz-Nest erwartet (Einkaufszentren, High Schools, abgelegene Farmen, etc.). Die Orte sind dabei gut genug beschrieben, um sie für die Spieler lebendig werden zu lassen oder um Broken Bow auch nach dem Abenteuer nochmal einen Besuch abzustatten.
Ebenfalls gut beschrieben sind ein Dutzend NSCs, etwa der gestrandete Außerirdische und der überforderte US-General. Dabei werden die Meisten nicht nur einfach beschrieben, sondern es wird auch auf ihren Hintergrund und ihren Zweck im Abenteuer eingegangen.
Dazu kommt dann noch eine kurze Abhandlung über die Overlords, Spielleitertipps, ein paar Anhänge und eine diesmal wirklich kurze Kurzgeschichte. Das alles gequetscht auf 40 Seiten. Gut, gequetscht klingt jetzt ein wenig negativ, denn eigentlich hat alles genau die Länge, die es haben muss damit man sich als Spielleiter gut zurechtfindet. Ein oder zwei Beschreibungen mehr vielleicht, aber das ist jetzt schon Klagen auf hohem Niveau.
Und wo ich gerade bei Niveau bin: Der gesamte Abenteuerband ist qualitativ wieder typisches „Contact“-Abenteuerband-Niveau. Also ein eher dünnes Softcover-DIN-A4, welches sich letztendlich aber als erstaunlich robust erweist, mit buntem Umschlag und graustufigem Inhalt. Viel gut lesbarer und gut lektorierter, zweireihiger Text mit ein paar eher einfachen, aber atmosphärischen Bildern. Also gewohnte Qualität und dem Preis von 12,95 € für ein eher kleines Nischensystem durchaus angemessen.
Fazit: Die Überschrift sagt eigentlich alles: „Contact, wie es sein sollte“! Ein spannendes Abenteuer mit echten Konsequenzen in der Spielwelt, in dem jeder Spieler und jeder Beruf seine Momente haben wird. Ich kann es also kurz machen: Ganz klare Kaufempfehlung!
PS: Achja, falls mich jemand für kulturell ungebildet hält ;-) Klar sind mir die ganzen Verweise auf den Elfenkönig (Link) und Shakespeares Sommernachtstraum aufgefallen, ich wusste nur nicht recht wo ich das sinnvoll im Text unterbringen konnte :-P