Skrupellose Großkonzerne, Bio-Mods & Chemtech, humanoide Fantasywesen und jede Menge Waffen – Nein, diesmal geht es nicht um das beliebte Cyberpunk-Rollenspiel „Shadowrun“. Sondern um „Contact“, dem taktischen Rollenspiel aus deutschen Landen. Nachdem ich mich durch mittlerweile vier durchweg gute bis sehr gute Abenteuer-Softcover gekämpft habe, ist nun der erste und bisher einzige Harcover-Erweiterungsband “Schrecken aus der Tiefe“ an der Reihe. Der verlegt die Alienhatz thematisch in die Tiefen der Weltmeere und setzt den Spielern in einer umfangreichen Kampagne nicht einfach nur ein paar neue Unterwasser-Aliens vor, sondern auch noch fiese Großkonzerne.
Bevor ich aber loslege mit dem Inhalt des Buches noch eine kurze Bemerkung: Vielen Dank an den „Uhrwerk Verlag“ für das Rezensionsexemplar!
Eh ich jetzt groß was über den Inhalt des Buches schreibe, möchte ich erst das Titelbild loben. Denn von allen bisherigen Veröffentlichungen ist dieses meiner Meinung nach das mit Abstand optisch gelungenste! Ein an Roboter aus dem Film „Baymax: Riesiges Robowabohu“ erinnernder Tauchertrupp, bewaffnet mit Torpedo-Raketenwerfern (wie geil ist das denn?), beginnt einen Angriff auf ein riesiges Alien-U-Boot. Da bekommt man echt Bock drauf loszulegen :-) Mein bisheriger Favorit, das actionreiche (aber die KOMPLETTE Handlung spoilernde) Cover von „Zug um Zug“ wird mit Leichtigkeit auf Platz 2 verdrängt. Großes Lob an den Künstler!
Und genau was das Cover verspricht hält das Buch dann auch: Die Spieler wechseln von der elitären Geheimorganisation OMEGA zum maritimen Ableger TRITON. Die noch viel elitäreren Unterwasser-Alienjäger bestreiten die acht Missionen umfassende Kampagne „Cold Rising“. Diese hält einige interessante Story-Wendungen bereit und ist ziemlich abwechslungsreich: Beispielsweise muss man eine vermisste Person erst wiederfinden und dann aus der Hand von Geiselnehmern befreien. Außerdem gilt es Ermittlungen durchzuführen und dafür in den streng bewachten Wolkenkratzer eines Großkonzerns eindringen um dort Daten zu stehlen (idealerweise unbemerkt ;-)). Natürlich muss man auch, wie auf dem Titelbild angekündigt, versuchen schwerstbewaffnet ein schwergesichertes Alien-U-Boot zu entern. Und hab ich eigentlich schon die Unterwasserhotel-Evakuierung und die Großwildjagd erwähnt, bei der man die gefährlichen Viecher lebend fangen muss?
Wirklich spannende und umfangreiche Einsätze, die allerdings nicht ganz so detailliert ausgearbeitet sind wie die Abenteuerbände (z.B. nur wenige optionale Ereignisse und – besonders sträflich – keine Karten/Bodenpläne). Daher ist noch ziemlich viel Vorbereitung seitens des Spielleiters erforderlich, aber wer schon "ATS-X51" gemeistert hat kriegt das hier locker hin ;-) Wie von den anderen „Contact“-Abenteuern gewöhnt, werden die eigentlichen Abenteuer auf relativ wenig Platz abgehandelt: Gerade mal 23 Seiten bei insgesamt 128 Seiten Gesamtumfang. Der Rest des Buches besteht, von diesmal besonders lesenswerten Kurzgeschichten mal abgesehen (Ein besonderes Lob geht dabei an „Ein Licht im Dunkeln“ von Christopher Dröge. Ein typisches und von uns allen schon genau so erlebtes Beziehungsdrama so gekonnt mit einem Alien-Angriff zu verbinden, das war wirklich packend!), aus dem typischen Zuarbeiten für den Spielleiter.
Zu Beginn des Buches ziemlich dystopisches Hintergrundmaterial über die seit dem Grundregelwerk vergangene Welthistorie, die skrupellosen Großkonzerne und TRITON. Dann neue (und für dieses System überraschend wenige :-P aber logische) Regeln für den Einsatz unter Wasser. Ein weiterer Abschnitt befasst sich mit Militärdelfinen. Diese ersetzen die Hunde aus dem Grundregelwerk und bekommen neben eigenen Regeln auch eine neue Charakterschaffung. Ich glaub ich muss nicht erwähnen, dass mein kosmopolitischer verwöhnter Killerdelfin Horst das Highlight einer jeden „Contact“-Runde wird ;-)
Am Ende des Buches werden in gewohnter Ausführlichkeit die drei neuen Alien-Rassen sowie die Psi-Alpha-Menschen vorgestellt. Ebenso ausführlich auch die Beschreibung der verschiedenen NSCs. Und dann kommt noch, was neben detaillierten Tabellen in keinem „Contact“-Buch fehlen darf: Neue Ausrüstung. Richtig viel neue Ausrüstung. Ich sag nur Torpedo-Raketenwerfer :-D Spätestens, wenn man dann noch das „Kind von Mu“ im hautengen Badeanzug sieht, kann man verstehen warum ich „Contact“ liebevoll als „deutschten Nerd-Porno“ bezeichne :-P
Und jetzt sind wir auch schon durch mit dem Inhalt :-) Also noch schnell was zur Verarbeitung: Die ist gewohnt „Uhrwerkig“: Ein stabiler Hardcover-Umschlag für 128 diesmal sogar durchweg farbige Seiten, dazu ein Lesebändchen. Sowohl die Texte als auch die Bilder gibt es wieder in gewohnter Qualität, wobei ich jedoch den Eindruck habe dass der Grafikstil stärker schwankt als in den Abenteuerheften. Das meine ich jetzt aber nicht negativ, es fällt mir halt nur auf ;-) Negatives gibt es eh wenig über dieses Buch zu berichten: Die fehlenden Bodenpläne sind bei einem auf taktische Gefechte ausgerichtetem Spiel sehr ärgerlich. Auch dass die LEDgende (farbige LED-Symbole, welche die Informationsfreigabe für Spieler/Spielleiter anzeigen) auf der Innenfalz gedruckt wurde, ist suboptimal gelöst. Aber sonst, mhhm, eventuell noch die unpassende Bezeichnung als Erweiterungsband. Darunter stelle ich mir persönlich mehr so etwas in Richtung eines Quellenwerkes vor, gerade auch wenn ich auf dem Buchrücken lese dass ich darin alles finde damit ich die Spielwelt maritim ausbauen kann. Aber dafür sind dann doch zu wenig Infos drin. Denn enthalten sind nur genau so viele Aliens, genau so viele Konzerne, genau so viele … wie für die Missionen gebraucht werden – Nicht mehr, aber auch nicht weniger. Darum wäre Kampagnenband wohl die bessere Bezeichnung.
Fazit: Betrachtet man „Schrecken aus der Tiefe“ nicht als Quellen-, sondern als Kampagnenband, bekommt man hier ein wirklich sehr gutes Buch welches den Spielern durch abwechslungsreiche Missionen viele Stunden Freude bereiten wird. Für Fans des Systems durchweg empfehlenswert, auch wenn es mit einem Preis von 29,95 € zwar etwas hochpreisig, aber für solch ein Nischensystem noch tolerabel, ist.