Sind wir mal ehrlich – Obwohl es in den Abenteuerbänden verschiedenste Genre-Ausflüge gab (“ATS-X 51“ bot ein offenes Detektivabenteuer mit viel Charakterspiel, „Krater des Verderbens“ war purer Survival-Horror und „Projekt Oberon“ bot eine klassische „Akte X“-Geheimmission inklusive Erstkontakt), wollen die meisten Fans des deutschen Alienhatz-Rollenspiels „Contact“ doch primär taktische Gefechte gegen extraterrestrische Gegner. Und weil der schon sehr beachtliche Ausrüstungsteil im Grundregelwerk noch lange nicht ausreicht – andere Rollenspiele würden bereits diesen als extra Quellenband veröffentlichen – und auch die in jedem Abenteuer hinzukommenden Waffen noch nicht genug Abwechslung bieten, hat der „Uhrwerk-Verlag“ jetzt noch das Ausrüstungskompendium „Opus Armatum: Redearch & Destroy“ hinterhergeschoben. Also mehr vom Guten?
Bevor es aber los geht mit dem Sammelsurium an Schießeisen, beginnt das Buch mit einem ausführlichen Teil an Regelergänzungen und -konkretisierungen. Gestartet wird mit 5 Seiten Erweiterungen für den Kampf mit Exoskeletten. Deren Fahrzeugregeln aus dem Grundregelwerk wurden gestrichen, stattdessen sind sie nun quasi größere Menschen mit unmenschlich viel Bewaffnung ;-) Dazu kommen 6 Seiten über Drohnen und deren Steuerung, wobei hier „Contact“-typisch wieder sehr ins Detail gegangen wird. Beispielsweise gibt es auch Regeln für die Übertragungsverzögerung (neudeutsch „Lag“, mir persönlich bekannt als ich noch mir 56k Modem „Counterstrike“ gerockt habe :-D). Und dann folgen noch 8 Seiten zum Thema Hacking, auch wieder sehr detailliert reglementiert. Und ich merke, der durchschnittliche „Contact“-Ballerspieler wird unruhig... „Wann gibt’s denn endlich was zum Thema Waffen???“
Also gut, jetzt geht es los, gleich 22 Seiten lang! Erstmal allerdings nur mit Waffen- und Fahrzeugmodifikationen. Dabei handelt es sich um kleine Veränderungen mit teilweise aber großer Wirkung. Eine angepasste Griffschale beispielsweise erleichtert den Angriff etwa um 1 % beziehungsweise erschwert ihn für andere Spieler um 5 %. Ein angepasstes Visier mit allerlei technischem Schnickschnack dagegen erleichtert den Angriff gar schon um 12 % - Auf alle Entfernungen! Wie bei den Fahrzeugaufrüstungen (vom Diebstahlschutz über die Gewichtsreduktion bis zur Vollpanzerung) kostet der Spaß zwar ziemlich viel, aber im Zweifelsfall kann so eine Aufrüstung Leben retten :-)
Was macht man aber nun, wenn die Waffe mal versagt? Natürlich in den Nahkampf übergehen. Insgesamt 14 verschiedene Nahkampftechniken werden vorgestellt, wobei die Anforderungen dabei teilweise aber extrem hoch sind. Klar, das Erringen dieser Fähigkeit bedeutet soviel die das Erreichen eines schwarzen Gürtels, aber bei beispielsweise bei dem aus Israel stammenden Kampfsport Krav Maga benötigt man 140 % im waffenlosen Nahkampf, 120 % im bewaffneten Nahkampf und Stärke & Intelligenz jeweils Stufe 5 – Dafür muss man seinen Charakter schon ziemlich lange aufleveln, und dann ist er eigentlich schon so eine Kampfmaschine dass er das gar nicht mehr bracht ;-) Übrigens nicht wundern, das ist kein Schreibfehler, in „Contact“ ist es nicht unnormal dass man seine Fähigkeiten über 100 % steigert. Was mir doch sehr gefällt ist, dass wirklich jede Nahkampftechnik individuelle Vorteile bringt. Das eben erwähnte Krav Maga etwa erleichtert das Entwaffnen eines humanoiden Gegners deutlich, während man mit eingeübten Wrestling-Techniken seine Gegner so stark einschüchtern kann, dass sie negative Kampfmodifikationen bekommen.
Ich stelle nochmal die Frage: Was macht man aber nun, wenn die Waffe mal versagt? Und man nicht in den Nahkampf gehen kann? Dann kommen die archaischen Distanzwaffen zum Einsatz. Eine Zwille/Schleuder ist rasch zusammengebaut und kann zudem lautlos feuern, wenn sie auch nicht die erste Wahl gegen eine Alieninvasion sein sollte :-P Außerdem werden in diesem kurzen zweiseitigem Abschnitt noch Bögen und Armbrüste vorgestellt, wobei gerade erstere über ein überraschend breites Spektrum an Pfeilarten verfügen.
Weiter geht es mit Regeln zum Fallschirmsprung (inklusive Wingsuits und HALO-Sprüngen) und Regelergänzungen zum Thema Deckung. Denn merke: „Zerstörte Barrieren können als nicht mehr vorhanden betrachtet werden“ (S. 56) ;-) Es folgen noch ein paar Regelzusätze etwa zu Tarnmustern und negativem Sequenzwert, dann wird es wieder richtig interessant: Das RRS (Rapides Resolutions-System) ermöglicht es mittels weniger Würfelwürfe (natürlich über die „Contact“-typischen detaillierten Tabellen) Missionen zu absolvieren, welche man nicht unbedingt selber durchspielen möchte. Dazu stellt man erst ein aus 2 – 10 Mitgliedern bestehendes Team zusammen, wobei dessen Zusammensetzung die Chancen bestimmt: Rekruten oder das Fehlen eines ausgebildeten Truppführers etwa bringen einen Malus, während beispielsweise erfahrene Agenten oder gar gespielte Charaktere deutliche Boni bringen. Generell gilt aber: Viel hilft viel, allerdings können bei mehr Teilnehmern auch mehr Verletzungen und Tode auftreten. Weitere beeinflussende Faktoren sind etwa die Schwierigkeit der Mission, die Ausbaustufe der Basis und das unterstützende Personal. OK, alles bereit für den Einsatz? Dann wird noch ein zufälliges Ereignis erwürfelt, zum Beispiel ob der Trupp in einen Hinterhalt gerät, zu viele Zeugen anlockt oder gar mit Doppelgängern und Elite-Gegnern zusammentrifft. Diese Ereignisse bringen wiederum positive und negative Modifikatoren. Daraus ermittelt sich schließlich die Erfolgswahrscheinlichkeit, gegen die gewürfelt wird. Ist der Einsatz dann vorbei, würfelt man ob man eventuelle Verletzte oder Todesfälle zu beklagen hat. Am Ende winken Erfahrungspunkte und vielleicht auch Erkenntnisgewinn.
Noch nicht genug gewürfelt? OK, dann gibt es noch Basenmanagement-Simulation-Zufallsereignisse, welche den Spielalltag zwischen den Missionen füllen sollten. Diese Ereignisse können etwa rein narrativer Natur sein, oder aber auch Rekruten oder die Forschung & Entwicklung beeinflussen. Durchaus ein interessantes System, aber nicht spielentscheidend. Diese Rolle kommt eher der Basemanagement-Simulation-Erweiterung zu, welche erlaubt Basen auf Technologiestufe 4 anzuheben. Zahlreiche neue Einrichtungen und neue Forschungs- und Entwicklungsobjekte warten darauf von der Spielergruppe genutzt zu werden. Das ist, genau wie die erweiterte Kriegsbeute, eindeutig Highlevel-Content welcher in manchen Kampagnen sicher sehnlichst erwartet wird.
Und dann endlich, auf Seite 88, geht es wirklich los: Waffen in Hülle und Fülle :-D Man startet bescheiden mit einem Taschenmesser und steigert sich dann langsam über die Motorkettensäge bis hin zum Repulsorhammer Modell 40-K. Allein die große Auswahl an Messern ist schon beeindruckend, besonders wenn man bedenkt dass sie alle irgendwie unterschiedlich sind und damit eine Daseinsberechtigung haben. Es folgen ein paar archaische Distanzwaffen und dann geht es endlich mit den Schießeisen los! Auch hier startet man wieder sehr bescheiden mit kleinen Derringer-Pistolen für die Hand- oder Hosentasche, steigert sich nach mehreren Seiten Pistolen aber schnell hin zu Maschinenpistolen, PDWs und Schrotflinten. Natürlich dürfen auch Scharfschützengewehre, Untersee-Waffen, Sturmgewehre und richtig schwere Waffen (Minigun, Railgun, Granat- und Raketenwerfer) nicht fehlen ;-) Und - denn wir sind immerhin schon in der Technologiestufe aufgestiegen - natürlich moderne Energiewaffen und dazu ein paar erbeutete Alienwaffen. Und weil sich das Ausrüstungskompendium am Anfang so ausführlich mit den Exoskeletten beschäftigt hat, folgen auch hier noch ein paar XXL-Waffen.
Nach rund 40 Seiten mehr oder minder handlicher Tötungswerkzeuge ist aber noch lang nicht Schluss. Verschiedenste Fahrzeugwaffen und Munitionsarten warten darauf eingesetzt zu werden. Danach folgt dann ein ausführlicher Ausrüstungsteil mit verschiedenen Kleidungen und Panzerungen für Mensch & Tier, außerdem Roboterkomponenten und sonstige Ausrüstung. Mittlerweile sind nun schon 90 mit Ausrüstung gefüllte Seiten rum und noch lange ist nicht Schluss. Mit nochmal 25 Seiten Fahr- und Flugzeugen aller Art (vom Sportwagen über das Mondfahrzeug bis hin zum Jagd-U-Boot) schöpft „Opus Armatum“ auch am Buchende aus den Vollen.
So, jetzt sind wir aber wirklich durch :-D Es folgt noch ein vollgepackter Ausrüstungsindex, der zeigt wie viel Material eigentlich in diesem Buch steckt. Großartig :-) Waffenfetischisten werden hier ihre wahre Freude haben :-P Was mir an dem 39,95 € teuren, 208 Seiten starken Hardcover sehr gut gefallen hat, ist die hohe Qualität: Trotz der Masse an Informationen ist alles stets übersichtlich aufgebaut und gut beschrieben. Auch der „Uhrwerk-Verlag“ (Link), welcher mir freundlicherweise ein Rezensionsexemplar zur Verfügung stellte, hat wieder gewohnt abgeliefert mit Lektorat und Druck. Selbst ein Lesebändchen ist mit drin :-)
Viel zu kritisieren habe ich diesmal nicht: Vermutlich ist es eher Geschmackssache, aber negativ aufgefallen ist mir der zumindest teilweise gewollt wirkende Humor der Texte (die Idee einer Auflockerung ist gut und klappt gelegentlich auch, aber sowas wie „Bleivergiftung bei der Exekution durch ein Erschießungskommando“ ist irgendwie gewöhnungsbedürftig, zumindest für mich). Auch dass das Innere des Buches komplett in Graustufen daherkommt (also wie die Abenteuerhefte) ist schade. Von den Bildern wurden einige aus vorherigen Bänden recycelt, aber dafür sehen diese auch in diesem Buch wieder hervorragend aus ;-) Aber sonst, nee, sonst gibt es nix zu meckern. Man merkt echt, wie viel Liebe und Sorgfalt die Autoren in dieses Buch gesteckt haben.
Fazit: Wenn man „Contact“ (Link) vor allem wegen der taktischen Kämpfe spielt, nach noch mehr Regeln oder neuem High-Level-Content sucht, ist man bei diesem Ausrüstungskompendium genau richtig. „Opus Armatum: Research & Destroy“ ist ein großartiges und qualitativ hochwertiges Sammelsurium an Erweiterungen und neuer Ausrüstung, welches „Contact“-Fans die Freudentränen in die Augen treiben wird und für diese durchaus als Pflichtkauf zu betrachten ist. Einsteiger generell und auch Kampagnen-Spieler, die noch nicht soweit in ihrer Technologiestufe fortgeschritten sind, können aber erst mal problemlos mit dem ohnehin sehr umfangreichen Ausrüstungsteil des Grundregelwerks weitermachen.