Letzte Woche hatte ich ein Interview mit dem Würfelpech e.V. (Link) über verschiedene Konzepten zur Nachwuchsgewinnung geführt, da die Hallenser im Vergleich einen sehr niedrigen Altersdurchschnitt an SpielerInnen aufweisen. Passend zum Valentinstag fand nun eines dieser Konzepte, nämlich das Speeddating für Rollenspieler, statt. Das klingt schon mal spannend, da musste ich auch hin :-) Ein paar vergnügliche Stunden später kann ich behaupten, dass die Speeddating-Premiere eine gelungene Aktion war und sich ein paar glückliche Paare gefunden haben. OK, vielleicht war die Einleitung ein wenig missverständlich. Hier wurden keine einsamen Herzen miteinander verkuppelt (also muss sich, weil ich daran teilgenommen habe, nun niemand um Nadines Beziehungsstatus Sorgen bzw. Hoffnungen machen ;-)). Sondern rundenlose Jungspieler wurden mit Spielleitern zusammengebracht. Aber eh ich das ganze jetzt übermäßig umständlich erkläre, lasse ich einfach nochmal Vorstandsmitglied Paul (hier rechts im Bild) zu Wort kommen:
„Es gibt viele neue Rollenspielenthusiasten (Singles sozusagen) in Halle, nicht zuletzt durch unsere Con. Leider gibt es nicht genug freie Meister. Wir wollen mit dem Rollenspielspeeddating sowohl vielen Leuten viele Systeme vorstellen, als auch diese Spieler in Runden zusammenführen und hoffen darauf, dass sich neue Meister herauskristallisieren. Anstatt jedoch die Systeme von außen darzustellen, personifizieren die Kenner der jeweiligen Welten sie. Mister DSA könnte sich zum Beispiel so vorstellen: "In einer Beziehung such ich nach jemandem, der sich Zeit für mich nimmt und mich richtig gut kennen lernt, denn sonst kommt es nur zu Streitereien. Ich selbst habe an vielen Dinge Interesse und mache alles mit. Nur einfach zu verstehen bin ich leider nicht, aber wenn du erst mal weißt, wo du mich wie anzufassen hast, wirst du deine wahre Freude haben." Dann können die Singles entscheiden, ob ihnen das System zuspricht und wenn jeder mal mit jedem hatte teilen wir das ganze in Runden ein. Diese spielen dann eine kurze 2 Stunden Session, um einander im Rahmen ihres bevorzugten Systems näher kennen zu lernen. Jede Runde, die sich gefällt, kriegt dann von uns alles zur Verfügung gestellt um selbstständig zu werden. Wir haben weitere Einstiegsabenteuer zum Mitnehmen vorbereitet, die Regelbücher stehen zur Verfügung, eine Musikbibliothek kann sich genommen werden und unsere Meister werden mit Rat und Tat zur Seite stehen."
Am Valentinstag fanden sich nun also insgesamt 16 Teilnehmer in den Vereinsräumen ein. 6 Spielleiter stellten sich in jeweils 5 Minuten dauernden 1-zu-1-Gesprächen den 10 Spielern vor, wobei der Altersdurchschnitt selbst mit mir bei kaum über 20 lag. Interessant war dabei sowohl die Vielfalt der angebotenen Systeme als auch die Werbestrategie:
- Das Weird-Western-Steampunkt-Rollenspiel „Deadlands“ stellte sich stilecht vor mit Cowboy-Klamotten und echtem Südstaaten-Akzent. Klang irgendwie fast wie ein Werbegespräch für die Konföderierten-Armee, sehr unterhaltsam. - „Das Schwarze Auge 4.1“ wurde in seiner ganzen Komplexität angerissen. Regeln, Welt, Rassen, Abenteuer, danach war ich ein kleiner Experte ;-) - Bei „Inspectres“, dem spielleiterlosen Mysterie-Rollenspiel, wurden gleich alle Regeln erklärt (denn es sind eher wenige, die schafft man wirklich in 5 Minuten). Hierfür wurden sehr viele Superlative verwendet :-P - Über die Regeln wurde bei „Los Muertos“ nur kurz gesprochen, hier wurde mehr die laufende Kampagne vorgestellt (Ort, Darum, Häufigkeit der Treffen). - Im Rahmen einer japanischen Tee-Zeremonie wurde "Legend of the 5 Rings" als eine heiratsfähige junge Dame angepriesen (“Sie ist manchmal unnötig kompliziert aber mit ihr kommt man weit rum.“). Toll gemacht! - Der Werber für „Neverland“ (selbstentwickeltes Indie-RPG, welches ich hier hoffentlich bald vorstelle) sprach in der Rolle eines Spielercharakters, das klang schon so wie die Eröffnungsszene der geplanten Rollenspielrunde.
Dabei durften sich die Speeddater natürlich Notizen machen, um sich letztendlich für ihren Favoriten zu entscheiden. Die meisten Spieler wählten „Los Muertos“, aber auch „Deadlands“ und „Inspectres“ bekamen genug Zuspruch, um eine zweistündige Proberunde anzubieten. Ich wählte übrigens „Inspectres“, da ich noch nie an einem spielleiterlosen Rollenspiel teilgenommen hatte und neugierig war, ob sowas überhaupt funktioniert. Zuerst wurde die Gruppe erstellt: Wir hatten einen Pizzafahrer, einen Datendealer, einen IT-Experten und mich als Notarzt. Kurze Vorstellungsrunde um nochmal die Regeln zu verinnerlichen, dann ging es auch schon los mit dem Abenteuer: Im Zoo regnete es Schleim, da mussten wir natürlich hin. Denn mit solchen übernatürlichen Phänomenen kann man natürlich fett Kohle abkassieren, da die Leute nicht wissen dass diese wieder von alleine aufhören ;-) Letztendlich lief es darauf hinaus, dass wir nach einer wilden Fahrt mitsamt Unfall ein magisches Ritual abhielten um das Problem zu lösen. Das Abenteuer hat so ziemlich genau eine halbe Stunde gedauert, daher war noch Zeit für eine weitere Runde. Diesmal hörte eine alte Frau seltsame Geräusche auf einem verlassenen Bahnhof. Wie natürlich wieder hin, und tatsächlich: Pünktlich (zumindest wenn der Fahrplan noch gegolten hätte, da der Bahnhof ja stillgelegt war) kam eine Bimmelbahn angezuckelt. Der Versuch diese zu besteigen schlug fehl, da es eine immaterielle Geisterbahn war. Also kam mir die Idee, den Zug einfach per Gleissignal anzuhalten. Tatsächlich gelang dies auch, was die auf dem Bahnsteig wartenden Geister aber wütend machte sodass sie erst in letzter Sekunde mit einem Geisterstaubsauger aufgesaugt werden konnten... OK, das klingt ziemlich gaga, oder? War diese ebenfalls halbstündige Runde wirklich! Aber es war auch witzig mit anzusehen wie sich die Geschichte entwickelt wenn jeder abwechselnd mal seinen Beitrag als Teilzeitspielleiter leisten muss. Dann war der Nachmittag beziehungsweise das Speeddating-Experiment schon vorbei. Wirklich mal eine interessante Erfahrung und offensichtlich auch sehr erfolgreich: Einige Single-Spieler scheinen nun neue Gruppen gefunden zu haben. Und selbst wer nur mal probehalber mitspielte, so wie ich, hat neue Systeme kennengelernt. Daher meine Bitte an den Verein: Wiederholt dieses Experiment! Und meine Bitte an den Rest von Deutschland: Kopiert diese Idee!
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