Keine andere Graphic Novel hat mich im letzten Jahr so sehr emotional berührt wie „Die Adoption #1 Qinaya“ (Link). Die Geschichte rund um die Adoption eines kleinen peruanischen Waisenkindes, das es schafft das Herz des grantigen Neu-Opas Gabriel zu erwärmen, war einfach ein großartiger Wohlfühl-Comic – Naja, bis kurz vor Schluss, als ein dramatischer Cliffhanger das großväterliche Idyll ins Wanken brachte und ordentlich auf die Tränendrüse drückte. Nun also erschien der von mir lang erwartete Abschlussband dieser zweiteiligen Miniserie und zugegeben, gemessen an meinen enorm hohen Erwartungen, konnte der zweite Teil eigentlich nur verlieren... Mittlerweile anderthalb Jahre sind vergangen seit den dramatischen Ereignissen im ersten Teil: Damals hatte ein kinderloses französisches Paar das kleine peruanische Waisenmädchen Qinaya adoptiert, dabei aber einige „Unregelmäßigkeiten“ übersehen – Folglich musste Qinaya wieder zurück nach Peru zu ihrer Familie, während die gesamte französische Adoptivfamilie an den Ereignissen zerbrach: Kurzzeit-Papa Alain musste wegen Kindesentführung für drei Jahre in den Knast, seine Frau ließ sich scheiden. Die Großmutter vegetiert seitdem, vollgepumpt mit Antidepressiva, vor sich hin. Doch am härtesten hat es Großvater Gabriel getroffen, der nun nicht nur sein geliebtes Enkelkind vermisst, sondern sich auch fragt, was er eigentlich bei der Erziehung seines Sohnes falsch gemacht hat. Aber immerhin ist er ein Mann der Tat, sodass er sich in den Flieger nach Peru setzt, um Qunaya wiederzusehen... Das war vielleicht nicht die beste Idee, denn das Mädchen ist älter geworden und hat ihr französisches Adoptionsintermezzo schon wieder vergessen. Eine niederschmetternde Erfahrung für Gabriel. Kurz vor seiner Rückreise nach Frankreich lernt er jedoch Marco kennen, der seine beim Erdbeben verstorbene Tochter in die Heimat überführen will. Die beiden Männer verbringen daraufhin Zeit miteinander und in Gabriel reift die Erkenntnis, dass es nun sein im Gefängnis sitzender Sohn und nicht mehr seine Kurzzeit-Enkelin ist, der seine Hilfe und Fürsorge braucht. Wie schon im ersten Band steht also der griesgrämige Großvater Gabriel im Mittelpunkt der Geschichte, welcher sich durch eine andere Person (im ersten Band Qinaya, in diesem Band Marco) emotional weiterentwickelt. Also alles so gut wie im Auftaktband? Leider nicht :-( Zum einen erzählt „La Garúa“ keine fröhliche Wohlfühlgeschichte, sondern handelt durchweg von traurigen Ereignissen, die von traurigen Protagonisten erzählt werden – Ein verzweifelter & verwitweter Vater, der die Leiche seiner Tochter sucht und dabei Gabriel lehrt, dass das Schicksal ihn im Verhältnis gar nicht so hart getroffen hat und er sich um seinen lebendigen Sohn kümmern muss, ist halt bei weitem nicht so herzerwärmend und unterhaltsam wie ein süßes kleines Mädchen, das das Weltbild eines alten Grantlers im positivsten Sinne erschüttert. Zum anderen wird die Handlung diesmal recht unfokussiert, ja irgendwie fahrig, erzählt: Zwischen den durchaus vorhandenen, noch immer herzergreifenden emotionalen Höhepunkten (etwa das Wiedersehen von Gabriel & Qinaya sowie zuletzt die Versöhnung Gabriels mit seinem Sohn) gibt es überraschend viel Leerlauf, welcher der Geschichte die emotionale Wucht nimmt, die sie bei einer strafferen Erzählweise zweifelsohne gehabt hätte. Nichts zu meckern gibt es dafür wieder bei der grafischen Präsentation. Die skizzenhaften Bleistiftzeichnungen und die warme Kolorierung erfreuen mich nach wie vor :-) Ebenfalls erfreut mich, wie eigentlich immer, die hervorragende Druckqualität vom „Splitter Verlag“ (welcher mir dankenswerterweise ein Rezensionsexemplar zur Verfügung stellte). Der Preis von 16,80 € für ein 72 Seiten umfassendes Hardcover ist akzeptabel. Fazit: Diese Geschichte eines verbitterten alten Mannes, der durch das Leid der Anderen zu sich selbst findet und sich letztendlich mit seiner Familie aussöhnt, kann man durchaus mal lesen. Denn bei aller Kritik, sie hat ihre emotionalen Höhepunkte. Als Abschlussband einer Miniserie muss man sie aber auch mit ihrem hervorragenden Vorgängerband vergleichen und da ist „Die Adoption #2 La Garúa“ (Link) – auch wenn man nicht so überzogene Erwartungen wie ich hat – halt leider eine kleine Enttäuschung.
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