Wenn sich Comic-Größen wie Mark Millar, Mike Mignola und James Robinson mit ihren Lob nur so überbieten und wenn die Szenekenner schon unumwunden Vergleiche mit dem heiligen Gral „Watchman“ ziehen... Dann, ja dann haben wir hier einen ziemlich gehypten Comic :-D Und wenn der Hype kommt, dann kommt bei mir die Skepsis – Zurecht?
Der maskierte Boxer Abraham Slam, der liebesbedürftige Marsianer Barbalien, die fliegende Grundschülerin Golden Gail, die durchtriebene Hexe Madame Dragonfly, der Superwissenschaftler Col. Weird sowie sein treuer Roboterkumpan Talky Walky – Sie alle waren einmal namhafte Größen im goldenen Zeitalter der Superhelden. Doch mittlerweile sind sie nahezu vergessen, denn beim Kampf gegen den Antigott wurden sie in eine Paralleldimension geschleudert. Gut, immerhin geht es ihnen damit besser als ihrem Anführer Black Hammer, der im Kampf den Tod fand, und immerhin ist diese Paralleldimension das Abbild einer kleinen Farmerstadt im mittleren Westen der USA. Doch für ehemalige Superhelden, die Action und Krawall gewöhnt sind, ist diese scheinbare Idylle (aus deren wenigen Quadratmeilen umfassenden Gebiet sie auch nicht ausbrechen können) die Hölle auf Erden, bei der ihre eigenen Probleme ihr größer Feind sind. Gerade Golden Gail hat es extrem hart getroffen: War sie in der realen Welt schon über 50 Jahre alt und entsprechend lebenserfahren, ist sie nun in ihrem neunjährigen Superheldenkörper gefangen. Und die wachsame Spießbürgernachbarschaft versteht so gar nicht, warum eine (scheinbar) neunjährige Grundschülerin raucht, säuft und flucht ;-) Einzig Abraham Slam, der eh schon kurz vor der Superheldenrente stand, könnte sich eigentlich ganz gut mit der neuen Situation gut arrangieren, doch ist er viel zu sehr beschäftigt seine Mitstreiter vor der Öffentlichkeit abzuschirmen...
Ich habe ja nun schon mehrmals gelesen, dass „Black Hammer“ das neue „Watchman“ sei. Hmm, nein, eigentlich nicht ;-) Auch wenn beide Comics von unfreiwillig in den Ruhestand geschickten Superhelden handeln, die nun mit sich selbst klarkommen müssen, fokussiert sich „Black Hammer“ doch noch viel mehr auf die Charakterentwicklung der Protagonisten sowie deren Zusammenleben als eine dysfunktionale Großfamilie. Das liest sich auch ohne große Actionszenen (die gibt es vereinzelt in Rückblicken) überaus spannend und unterhaltsam, sodass man als LeserIn schon ab dem ersten Kapitel mit durchgehend hohem Interesse dem Schicksal der gestrandeten Superhelden folgt. Der Lesefreude sind dabei besonders die atmosphärischen, teils düsteren Zeichnungen zuträglich, welche die Emotionen der Figuren gekonnt darstellen. Im großen Hardcover-Format vom „Splitter Verlag“ (welcher mir dankenswerterweise ein Rezensionsexemplar zur Verfügung gestellt hat) kommen die Geschichte hervorragend rüber, sodass der Preis von 19,80 € für 184 Seiten (inkl. Bonusmaterial) vollkommen in Ordnung geht.
Fazit: „Black Hammer #1 Vergessene Helden“ (Link) nähert sich dem goldenen Zeitalter der Comic-Superhelden mit einem ungewöhnlichen, aber spannenden Ansatz: Eine dysfunktionale Familie, die an ihrer erzwungenen Bedeutungslosigkeit zerbricht. Großartig und unbedingt lesenswert :-D