Es gab mal eine Zeit, da hielt ich die dreizehnteilige History-Fantasy-Mischung „Roma“ für die vielversprechendste ("Der Fluch“ (Link)) und später sogar für die beste Graphic Novel-Reihe (“Siegen oder Sterben“ (Link)) überhaupt. Beim dritten Band „Töter Cäsar“ (Link) hatte ich die rosarote Brille dann zwar schon abgesetzt, aber erst der vierte Band „Blut von meinem Blut“ (Link) war ein qualitativ so drastischer Reinfall, dass ich jegliche Hoffnung begraben hatte… Aber die Zeit heilt alle Wunden, denn nach einem dreiviertel Jahr wollte ich der Reihe mit dem frisch erschienenen 5. Band „Angst oder Illustion“ doch noch mal eine allerletzte Chance geben. Ob das so eine gute Idee war?
Das Palladium, eine magische Statue als physische Manifestation göttlicher Rache, ist für die Römer zugleich Segen und Fluch. Die beiden Familien Leo und Aquilia sind durch eine über tausend Jahre zurückreichende Erbsünde dazu verpflichtet, dem Palladium zu dienen und durch allerlei Hin und Her schwere Schicksalsschläge zu erleiden... Im Jahr 326 n. Chr. scheint das Palladium aber ein wenig von seiner Macht eingebüßt zu haben, denn mit dem Christentum hat sich ein neuer Glaube im alten Rom breitgemacht – Zwar hat die Christenverfolgung durch die 313 erlassende Mailänder Vereinbarung (Link) aufgehört, doch noch immer wird ihre wachsende Anhängerschaft von der römischen Mehrheitsgesellschaft ausgegrenzt. Die ohnehin aufgeheizte Stimmung zwischen den verschiedenen Religionsgruppen kocht weiter hoch, als eine Reihe brutaler Morde an den Feinden des Christentums begangen wird. Nautius Aquilia, ein Offizier der städtischen Kohorte, wird mit der Aufklärung des Falls beauftragt und sieht sich dabei dem Druck seines Vaters ausgesetzt, einem dem Palladium hörigen Senator. Rasch ins Visier der Ermittlungen gerät der Christ Furius Leo, der dem Palladium entsagt hat… Pikant wird die Angelegenheit durch die historischen Verflechtungen der Familien Leo und Aquilia: Schon immer sollten sie eigentlich gemeinsam dem Palladium dienen, aber Comic-LeserInnen der vorherigen Bände wissen, dass sie lieber gegeneinander arbeiten ;-) In diesem Band nun starb Furius Leos Vater während der Christenverfolgung durch den Vater von Nautius, der daraufhin eine Erbschuld verspürt und deshalb gezielt nach Beweisen sucht, dass Furios eben doch nicht der Mörder ist…
Der fünfte Band der dreizehnteiligen Reihe verabschiedet sich einmal mehr von dem gut funktionierenden, aber doch immer gleichen Erzählmuster der ersten drei Bände (Person X will das Palladium los werden, Person Y sorgt für dessen Scheitern, dazu mindestens eine Quoten-Nacktszene und das Schaulaufen historischer Persönlichkeiten, am Ende sterben alle Beteiligten, damit die Handlung ein paar Jahrhunderte später wieder auf Anfang steht) und bietet – im Gegensatz zum 4. Band – auch noch eine ganz ordentliche Geschichte, welche in ihrem begrenzten Rahmen (64 Seiten, da kann man keine epischen Charakterdramen erwarten :-P) gut funktioniert und zudem den Palladium-Meta-Plot voranbringt. Gelungen ist hier besonders, dass sich das Autoren-Trio die Zeit nimmt, den LeserInnen ein Gefühl für die Spannungen zwischen den Religionsgruppen aufzuzeigen. Für den Gesamtgenuss der Geschichte (und, ich prognostiziere mal mutig, auch für den kommenden Meta-Plot) ist dies ein echter Gewinn, wenn so auch gerade am Anfang deutlich Erzähltempo herausgenommen wird. Dem gegenüber bleiben die Prota- und Antagonisten gewohnt blass. Immerhin, wenn man es denn als Antagonisten sehen will: Nachdem es im vorherigen Band schon entzaubert wurde, macht das Palladium hier eine interessante Charakterentwicklung durch, welche Fans der Comic-Reihe sicherlich kontrovers diskutieren werden ;-)
Sicherlich ebenfalls kontrovers kann man über die grafische Präsentation diskutieren, denn wie bei jedem Band haben auch hier die Zeichner und Koloristen gewechselt. Ich persönlich finde sie zwar ein wenig altbacken und unspektakulär, mir gefällt aber sehr, dass sie sich stimmungsmäßig wieder mehr am ernsthaften Ton der beiden ersten Bände orientiert – Was zu einer so ernsten Reihe einfach besser passt als weichgezeichnete Karikaturen. Die Druckqualität vom „Splitter Verlag“ (welcher mir dankenswerterweise ein Rezensionsexemplar zur Verfügung stellte) ist auf gewohnt gutem Niveau, sodass der Preis von 15,80 € für ein Hardcover mit 64 Seiten (inklusive 7 Seiten historischem Anhang) in Ordnung geht.
Fazit: Ich würde deutlich übertreiben, wenn ich schreiben würde, dass „Roma #5 Angst oder Illusion“ (Link) wie Phönix aus der Asche emporsteigt. Aber dieser fünfte Band hat halt den großen Vorteil, dass er nach dem desaströsen vierten Band erschien, sodass er automatisch als Heilsbringer erscheint ;-) Aber mal Spaß beiseite, die Geschichte und gerade auch ihre Auswirkungen auf den Meta-Plot sind durchaus unterhaltsam – Und so gelingt diesem Band, was ich nicht für möglich gehalten habe: Mein Interesse an der History-Fantasy-Reihe ist wiedererweckt!