Mittlerweile rund drei Jahre ist es her, dass das „Ultima Ratio“-Basisregelwerk erschienen ist. Der Start des Rollenspiels fiel etwas holprig aus, doch schon damals war ich verhalten-optimistisch, dass die Reihe noch ganz groß werden würde. Und was soll ich sagen? Jede neue Erweiterung legte qualitativ noch eine Schippe drauf – Die anfänglichen Spötter verstummten und fingen an den dystopischen SciFi-Cyberpunk-Mix zu preisen :-) Nun erschien die überarbeitete zweite Edition des Basisregelwerks und ich war natürlich gespannt, in wieweit sich Autor Nikolas Tsarmourtzis (Link) den damaligen Kritikpunkten angenommen hat... 

Was sogleich auffällt: Das neue Basisregelwerk 2.0 ist wesentlich dicker als sein Vorgänger. Das liegt nicht nur am Hardcover der limitierten Version (die Standardvariante ist weiterhin ein geheftetes Softcover), sondern vor allem daran dass die Seitenanzahl von 40 auf 64 angewachsen ist. Und das ist auch gut so, denn dadurch ist endlich genug Platz für eine grundlegenden Settingbeschreibung: 2 Seiten Geschichte, 4 Seiten Alltagsleben (mit der Erklärung solch abstrakter Grundbegriffe wie MUTTER und KIND) sowie 6 Seiten über die wichtigsten Völker sind jetzt nicht mega viel, aber man bekommt schon einen ersten Eindruck worum es eigentlich geht. Immerhin ist das Basisregelwerk noch immer primär ein Regelwerk, tiefer in das Setting führen die verschiedenen Erweiterungshefte (zuletzt konnte mich da „Harlands Loch und der Dyson-Gürtel“ (Link) begeistern) sowie die gelungene Anthologie "Fragmente der Zeit". 

 
Die Probenregeln umfassen gerade mal vier Seiten, was irgendwie passend ist, handelt es sich doch um ein Poolsystem mit vierseitigen Würfeln ;-) Tiefer will ich jetzt gar nicht darauf eingehen, hier verweise ich einfach mal auf meinen Test der ersten Edition. Aber gerne möchte ich auf die 2.0-Verbesserung hinweisen, dass nun ausführlich auf die Schwierigkeitsgrade der Proben eingegangen wird :-) Auch der Statusmonitor wurde überarbeitet und erweitert, nun kann man in den Kategorien Ausdauer, Gesundheit und Psyche Schaden erleiden. Und wo erleidet man Schäden? In Gefechten, welche wie auch der Schadensmonitor auf drei Seiten erklärt werden. Hier werden zwei verschiedene Spielvarianten angeboten: Die schnelle Variante für Erzählspieler, die einfach nur die Initiative bestimmen und dann loslegen. Oder die altbekannte taktische Variante (welche sich aber auch vergleichsweise flott spielt), bei der es noch eine Vorbereitungsphase gibt, in der die SpielerInnen in aufsteigender Reihenfolge ihre Aktionen ankündigen. So kann also der Initiative-Gewinner zuletzt entscheiden, was er denn machen möchte, um dann in der Ausführungsphase zuerst zu beginnen. Damit sind Initiative-Verlierer klar im Nachteil, wenn sie z. B. ankündigen auf Spieler A zu schießen, der das dann aber dank der Vorbereitungsphase weiß und sich in seiner Kampfrunde versteckt, sodass der Initiative-Verlierer ihn gar nicht mehr treffen kann und seine Aktion somit verwirkt. Dieses taktische Kampfsystem gefällt mir wirklich gut :-D Die drei Seiten der Gefechtsregeln decken dabei so ziemlich alle normalen Spielsituation ab, beispielsweise auch den waffenlosen Kampf, den Kampf mit zwei Waffen und das Parieren von Angriffen.
  
Acht Seiten befassen sich dann mit den Spielwerten, beispielsweise Attributen (Auffassungsgabe, Ausstrahlung, Geschicklichkeit, Intelligenz, Konstitution, Manipulation, Schnelligkeit, Stärke, Wahrnehmung & Reaktion), Eigenschaften, Fertigkeiten und Professionen (jeweils wieder aufgeteilt in Körperlich, Sozial und Geistig) sowie aktive & passive Spezialfertigkeiten. Dazu kommen dann noch drei Seiten Spezieskräfte, hier hat sich nicht viel geändert. Zwei Seiten befassen sich dann noch mit dramaturgischen Mitteln, nämlich dem namensgebenden Ultima Ratio (bei dem die Charaktere gegen ihre Natur handeln müssen) sowie Szenepunkten. Für die Dramatik wichtig sind sicherlich auch der Hintergrund sowie Stärken und Schwächen, welche auf insgesamt drei Seiten abgehandelt werden. Vier Seiten handeln von der Charaktererschaffung und -weiterentwicklung, wobei letzteres noch immer primär über das erreichen einen perfekten Wurfs (alle geworfenen Würfeln zeigen eine 4 an) abgehandelt wird und sich die Erfolgswahrscheinlichkeit entsprechend mit jedem Stufenanstieg verringert. Lediglich zwischen den Einsätzen, mit genügen Zeit, kann man seinen Charakter ansonsten auch hochtrainieren. 

 
Acht Seiten befassen sich schließlich mit verschiedenster Ausrüstung wie beispielsweise Waffen und Transhumanen Bionischen Augmentationen. Auch hier gilt das Gleiche wie bei der Settingbeschreibung: Damit kann man schon mal gut arbeiten, wer aber mehr Zeugs will muss sich mit den Erweiterungsheften befassen ;-) Die letzten sieben Seiten, sieht man mal vom zweiseitigen Charakterbogen ab, befassen sich mit Kontakten und Archetypen. Auch hier also mehr Inhalt als in der ersten Edition, das verdient ein Lob :-) Loben muss ich auch die gut geschriebenen Texte sowie das übersichtliche, aber stilsichere Design des Basisregelwerks. Gerade die Charakterzeichnungen sind durchgehend gelungen, ansonsten gibt es allerdings eher wenige Bilder zu bestaunen. Aber für das Herzensprojekt eines Kleinstverlags sieht das alles schon sehr professionell aus, sodass ich den Preis von 16,95 € für meine limitierte Hardcover-Version (Link) gerne gezahlt habe. Die reguläre Softcover-Version (Link) kostet 12,95 €, was bei 64 Seiten auch vollkommen in Ordnung geht. Mehr als in nur Ordnung, sondern extrem kundenfreundlich, ist die kostenfreie PDF-Version (Link) :-D 

Fazit: Ich könnte jetzt provokant fragen „Warum denn nicht gleich so?“, aber stattdessen möchte ich lieber ein Lob aussprechen: „Ultima Ratio 2.0“ (Link) ist, obwohl die eigentlichen Regeln eher sanft überarbeitet wurden, qualitativ ein großer Schritt nach vorne. Dieses deutsche SciFi-Cyberpunk-System ist auf einem sehr guten Weg! PS: Dieser Meinung ist auch mein geschätzter Blogger-Kollege Würfelheld, welcher der ersten Edition (Link) nur 2,5 / 5 Punkten gab, der zweiten Edition (Link) nun aber 4,25 / 5 :-)