Fast ein ganzes Jahr habe ich nach meiner Vorbestellung sehnsüchtig auf ein Päckchen aus England gewartet. Und zwar vom bekannten Publisher „Modiphius Entertainment“, bekannt für Rollenspiele wie „Achtung! Cthulhu“ und ganz aktuell „Corvus Belli’s INFINITY“. Es hat sich dann leider etwas verzögert aber nun ist „Paolo Parente’s Dust Adventures“ endlich angekommen :-D Ich mag den Fluff, ich mag die Optik, ich mag generell taktische Rollenspielsysteme, ich mag einfache Regeln – Da kann doch eigentlich nix schiefgehen? Für die Leser, die noch nie etwas von „Dust“ gehört und auch die Artikel hier im Blog dazu geflissentlich ignoriert haben, hier mal eine kurze Einführung in der ich mich einfach mal selbst zitiere aus meiner Teilzeithelden-Tabletop-Systemvorstellung (Link):
"Der 2. Weltkrieg ist noch lange nicht vorbei, sondern hat noch an Schärfe und Gnadenlosigkeit hinzugewonnen. Nahezu jedes Land der Erde ist mittlerweile in den Krieg eingetreten als Teil einer der drei großen Machtblöcke: Die Achsenmächte, die Sino-Sowjetische Union (SSU) und die Alliierten. Dabei werden die Schlachtfelder nicht mehr nur von normalen Panzern durchpflügt und von einfachen Soldaten mit Gewehr und Panzerfaust verteidigt. Nein, jetzt dominieren riesige Kampfroboter, hochtechnisierte Gorillas, fliegende Lasergrenadiere und furchterregende Zombies das Kriegsgeschehen. Denn mittlerweile gab es einen dramatischen Technologiesprung, ausgelöst durch ein geschichtsveränderndes Ereignis im Juli 1936: Der Außerirdische Kvasir vom Volk der Vril stürzt mit seinem Ufo in der Antarktis ab. Im März 1938 wird das Raumschiffwrack von einer deutschen Expedition geborgen und zurück nach Deutschland gebracht. Die Nazis erkennen schnell den Wert der Entdeckung und gründen im Monat darauf das Blutkreuz-Korps. Diese geheime Forschungsgruppe wird von Kvasir in die Geheimnisse der Alien-Technologie und des seltenen, auch auf der Erde vorkommenden, Hochtechnologie-Rohstoffs Vril-Kultur (im Spiel nur VK genannt) eingeweiht und entwickelt sich zu einem zentralen Machtorgan im mittlerweile von 2. Weltkrieg erschütterten Nazi-Reich. Mit den durch außerirdische Technologie hochgerüsteten Waffensystemen wenden Blutkreuz-Truppen die drohende Niederlage ab und greifen hiernach selbst nach der Macht über die Achsenmächte. Hitler fällt im April 1943 einem Blutkreuz-Attentat zum Opfer, die Nazi-Organisationen und Elite-Verbände werden zerschlagen. Doch trotz des Machtwechsels geht der Krieg weiter. Die Achsenmächte versuchen nun mit Zwang, die ganze Welt unter ihrer Führung zu einen, aus Angst, dass die Außerirdischen in kriegerischer Absicht wiederkommen könnten. Mit hochentwickelter Lasertechnologie ausgestattet, setzen sie auf schwer gepanzerte Elite-Truppen und auf jede Panzerung durchbrechende Kampfläufer. In den vergangenen Kriegsjahren haben sie trotz dessen viele Soldaten verloren und holen sich direkt aus den Blutkreuz-Forschungslaboren Ersatz: Wiederbelebte Leichen und hochintelligente Gorillas versetzen die Gegner in Panik, sie sähen Furcht und Schrecken. Ihnen gegenüber stehen die Kommunisten der SSU, die ihren Machtbereich zum Wohle der Arbeiter und Bauern ausbauen wollen. Sie stützen ihre Armee auf drei Säulen: Billige Soldaten, die, oftmals angeführt von politischen Kommissaren, durch ihre schiere Überzahl den Feind in die Knie zwingen; billige Kampfläufer und klassische Panzer, die robust und kampfstark sind; des Weiteren besitzen sie als einzige Fraktion Helikopter. Das letzte Bollwerk der Freiheit stellen die Alliierten da, in deren Hintergrund aber großkapitalistische Puppenspieler ihre Fäden ziehen. 1947 haben die alliierten Spione auch endlich die Vril-Technologie von den Achsen gestohlen, sodass sie den technischen Rückstand mühelos aufholen konnten. Der Vorteil ihrer Armee ist die enorme Beweglichkeit: Schwere Infanteristen können mit ihrem Raketenrucksack über ganze Häuserblöcke springen, während amphibische Kampfläufer mühelos durch Gewässer stampfen. Mit Hochenergie-Phaser-Geschützen ausgerüstet, können sie selbst schwergepanzerte Feindeinheiten effektiv bekämpfen."
Zitat Ende ;-) Dem geneigten Leser sollte nun aufgefallen sein, dass wir uns also in einem alternativen Weltkriegs-Pulp-Setting befinden. Alles ein wenig over the top gestylt mit ultraheroischen Männern und atemberaubenden Frauen. Man muss dieses Setting nicht unbedingt toll finden und ich hab auch schon aus der dunklen Ecke dahinten ein „Sexismus! #aufschei“ vernommen :-P OK lieber Leser, du bist immer noch dabei? Gut :-) „Dust Adventures“ verwendet ein Poolsystem, bei dem gegen einen festgelegten Schwierigkeitsgrad (1 – 4, üblicherweise 2) gewürfelt werden muss. Dazu nutzt man bevorzugt die speziellen Spielwürfel, welche man separat kaufen kann oder die sich in jeder der Tabletop-Startboxen (Link) in ausreichender Anzahl befinden. Diese zeigen jeweils zwei Treffersymbole, zwei Fraktionssymbole und zwei Schildsymbole. Alternativ kann man auch einen normalen W6 umrechnen. Dann werden die Treffersymbole zusammengezählt und mit dem Schwierigkeitsgrad verglichen. Damit ist die Erfolgschance je Würfel bei 1/3, immerhin lösen die Fraktionssymbole teilweise Sondereffekte aus. Es lohnt sich daher bei der Charaktererschaffung darauf zu achten, möglichst große Würfelpools erstellen zu können, etwa durch gezielte Spezialisierung. Charaktere sind in wenigen Minuten erstellt, indem man verschiedene Module zusammensetzt. Truppengattung, Spezialisierungen, Expertenkönnen und die Herkunft bestimmten die Fähigkeiten, die erhaltene Ausrüstung und die Talente. Interessant ist der Umgang mit Erfahrungspunkten: Diese bekommt man, indem man Aktionspunkte ausgibt. Und diese Aktionspunkte sind wie beispielsweise die Bennies in „Savage Worlds“, daher man kann mit ihnen Würfelergebnisse modifizieren, Probeschwierigkeiten modifizieren,… Man erhält sie für tolle Aktionen und gutes Rollenspiel, was also im Idealfall eine Eskalationsspirale in Gang setzt: Man startet eine tolle Aktion, bekommt dafür Aktionspunkte, gibt die für eine tolle Aktion aus, bekommt dafür wieder neue Aktionspunkte und so weiter. Das mag nicht unbedingt realistisch sein, aber wir sind hier ja auch in einem Pulp-Setting mit Supermenschen und Riesengorillas ;-) Der Regelteil ist ziemlich kurz, daher gibt es mehr als genügen Platz für Waffen und Fahrzeuge – Immerhin befinden wir uns in einem Kriegsszenario :-) Vor allem Waffen gibt es zuhauf, Liebhaber von Fahrzeugen müssen aber ein wenig zurückstecken: Zwar sind die 20 vorgestellten Modelle schon eine stattliche Anzahl, aber leider fehlen Lufteinheiten. Weder Flieger noch Hubschrauber, was ziemlich schade ist da Luftunterstützung und Luftkämpfe in einigen der schönsten Artworks des Buches richtig Lust drauf machen :-( Bevor wir aber zum Thema Artworks und der Präsentation allgemein kommen, noch ein paar Worte über einen anderen wichtigen Teil der „Dust Adventures“: Hintergrundinformationen zum Fluff. Für mich als großer Fan der Spielwelt war dies wohl der Hauptgrund, mir das Buch zu kaufen. Und ich muss zugeben, ich wurde ein wenig enttäuscht… Der erste Abschnitt über 20 Seiten über die am Krieg beteiligten Nationen befasst sich zum großen Teil mit den alliierten Staaten und ein wenig mit der SSU. Aber was ist mit den Achsenmächten? Außerdem sind die Informationen eher allgemein gehalten und haben kaum etwas mit der alternativen Spielwelt zu tun, für wichtige Ort in London reicht mir auch ein handelsüblicher Reiseführer… Ich kann mir gut vorstellen, dass viele (vor allem der nicht-deutschen Spieler) gern mal eine alliierte oder sino-sowjetische Geheimoperation im Herzen des Reichs spielen wollen, aber dafür fehlt hier einfach das Material. Generell hätte mich interessiert, wie das Leben in den alternativ-historischen Achsenmächten (nicht nur Deutschland, sondern auch Japan und Italien) aussieht, aber leider gibt es da keine Infos :-( Auch das nächste Kapitel über die drei Machtblöcke stellt zwar wichtige Organisationen und Persönlichkeiten der einzelnen Fraktionen vor, aber was nützt mir wenn ich weiß mit wem und gegen wen ich mein Abenteuer gestalte, wenn ich nichts von der Spielwelt weiß worin dieses Abenteuer stattfinden soll? OK, es folgen noch zwei Kapitel über Reisen in aller Welt (wo noch einige Länder kurz vorgestellt werden) und ein Kapitel über die ganzen Geheimprojekte, Aliens etc. – Aber diese Informationskrumen reißen es dann auch nicht mehr raus. Wenigstens beim Spielleiterteil besänftigt mich: Tipps zum Missionsaufbau und zum Leiten, Vorschläge zur Konvertierung für das „Dust Tactics“ und „Dust Warfare“ – Tabletop sowie eine ordentliche Anzahl Gegner-NSCs. Außerdem gibt es noch ein vorgefertigtes Beispiel-Abenteuer und eine arktische Achsen-Basis. Auch ist die Präsentation ist eigentlich recht gelungen: Auf der positiven Seite stehen das ansehnliche, aber viel zu seltene Artwork sowie der übersichtliche Textaufbau. Mhhm, vielleicht ein wenig zu übersichtlich, teilweise wird schon Platz verschenkt. Auch die allgemeine Druckqualität ist gut, das Hardcover ist stabil und keines der Bilder ist verpixelt. Mit eher negativen Gefühlen sehe ich dagegen den häufigen Einsatz von abfotografierten Tabletop-Figuren. Bekanntermaßen waren die ersten Figuren aus FFG-Zeiten noch nicht so fein und detailliert, wie es „Dust Studio“ heutzutage hinbekommt. Und ausgerechnet diese alten Figuren teilweise überlebensgroß abzufotografieren ist teilweise echt keine gute Werbung für das Spiel. Gerade die Gesichter – damals eine der Schwächen der Modellierung - wirken so stark vergrößert einfach bääähhhhhh :-( Außerdem gibt es einen groben Layoutfehler und für den Preis von 56,99 $ erwarte ich bei einem so dünnen Buch (rund 210 Seiten) wenigstens ein Lesebändchen. Fazit: Oh „Dust Adventures“, wie gerne würde ich dich jetzt lobpreisen! Aber ich muss sagen, ich war im Endeffekt doch ein wenig enttäuscht. Positiv nennen möchte ich das schlanke, taktische Regelsystem sowie, trotz ein paar kleinerer Kritikpunkte, die optische Qualität allgemein. Auch die Kapitel für Spielleiter sind gelungen. Negativ ist aber der Fluffteil: Viel zu kurz, viel zu wenig informativ (wer die Tabletop-Kampagnenboxen besitzt, erfährt kaum neue Informationen). Außerdem ist das Preis-/Leistungsverhältnis eher mittelprächtig. Ich bin mal gespannt ob es die Erweiterung(en?) nochmal was rausreißen, aber bis dahin frage ich mich gerade ernsthaft, für wen dieses Buch eigentlich sinnvoll ist? Für Tabletop-Fans vielleicht, die sich mal an das Hobby Rollenspiel wagen wollen? Oder eher für Rollenspieler, die von der Spielwelt angefixt werden sollen oder die einfach auf der Suche sind nach militärischem WW2-Pulp? Mhhhmm, dafür dass ich ein hübsches Buch im Regal hab mit einem „netten“ Regelsystem und einigen wenigen neuen Fluff-Informationen ist es eigentlich zu teuer… Vermutlich ist dieses Buch bis jetzt nur sinnvoll für so Hardcore-Fans wie mich, die alles kaufen wo „Dust“ draufsteht ;-)