Alexis Nolent, besser bekannt unter seinem Künstlernamen Matz, ist wohl der französische Spezialist für Comic-Geschichten rund um (Ex-)Kriminelle, die sich mit dem Rest der Unterwelt anlegen. Aktuell ist er etwa mit seiner „Tango“-Reihe (Link) sehr erfolgreich, vor Jahren hat er es mit „Blei im Schädel“ (Link) sogar schon zu einer Verfilmung mit Sylvester Stallone & Jason Momoa geschafft. Na, da kann doch bei diesem Comic jetzt auch nichts schiefgehen, oder? Zeugenschutzprogramme, bei denen Schwerkriminelle sich mit Zeugenaussagen vor Gefängnisstrafen schützen, kennen wir aus zahlreichen Filmen und Serien. Tatsächlich gibt es das Konzept aber noch gar nicht so lange, in den USA etwa erst seit 1970. Und um einen dieer (fiktiven, aber an reale Personen angelehnten) ersten geschützten Kronzeugen geht es in dieser 144 Seiten dicken Geschichte: Guiseppe Barella, nun einfach Joe, tingelt mit seinem Wohnmobil durch den staubigen mittleren Westen. Früher war er mal eine sehr große Nummer in der Ostküsten-Mafia, nun versucht er einfach nicht mehr aufzufallen, da er die Omertà (also das Mafia-Schweigegebot) gebrochen hat, um sich selbst vor seinen ehemaligen Mafia-Kollegen zu retten. Bei einem anderen Kronzeugen hat der Zeugenschutz versagt, sodass Guiseppe noch einmal aussagen soll, was ihn noch stärker in das Visier der Mafia rückt. Zwei Killer werden auf ihn angesetzt, die vor keiner Schweinerei zurückschrecken... Aber sie unterschätzen immer wieder, dass Guiseppe nicht ohne Grund viele Jahrzehnte der Mafia-Boss war, denn dank seiner Vorausplanung und einem losen Zeigefinger kann er sich selbst korrupter Cops und kleinkrimineller Diebesbanden erwehren ;-) Ein einsamer und gejagter Typ in der kargen Ödnis, im Gepäck eine fette Knarre und eine schwere Vergangenheit (inklusive Familienproblemen, die natürlich relevant werden) – Matz erfindet das Story-Rad nicht neu, sondern spult altbekannte Klischees runter, die er schon in zahlreichen anderen Comics niedergeschrieben hat. Aber hier trennt sich dann halt die Spreu vom Weizen, denn er schafft es doch immer und immer und immer wieder, dass diese altbekannten Geschichten einfach wirklich gute Unterhaltung sind! „Die Schlange und der Kojote“ liest sich flott weg, auch weil hier eine gute Balance gefunden wird zwischen Actionszenen, Landschaftsaufnahmen, den Aktionen der „Gegenspieler“ (also Gangster & Polizei) und der Charakterisierung der Hauptfigur. Gerade der letztgenannte Punkt macht diesen Comic so interessant, denn selten wird eine so ambivalente Figur als Protagonist präsentiert: Guiseppe ist nicht im klassischen Sinne geläutert, er ist einfach nur opportunistisch. Und auch wenn er liebevoll zu einem zugelaufenen Kojoten und seiner ihn natürlich verabscheuenden Tochter ist, tötet er gleichzeitig ohne mit der Wimper zu zucken irgendwelche Leute, die sich ihm in den Weg stellen. Und die zahllosen Schwerstverbrechen, inklusive Drogenhandel und zahlreicher Morde? Ne, dafür gibt es keine Reue! Und damit sorgt Matz bei den Lesenden dafür, dass sie sich die Moralfrage stellen, die sich auch die Gesellschaft immer wieder stellen muss: Ist es in Ordnung, dass Schwerkriminelle vom Staat begnadigt, geschützt und alimentiert werden, wenn sie dafür noch viel mehr Schwerkriminelle in den Knast bringen? Keine Ahnung, ob Matz wirklich auf diese moralische Diskussion anspielen wollte, oder ob er einfach nur einen guten Action-Thriller zu Papier bringen wollte. Das hat er aber jedenfalls geschafft, auch dank der phantastischen Arbeit seines Zeichners Philippe Xavier, der mit Matz bereits bei „Tango“ erfolgreich zusammenarbeitete. Ein dickes Lob also für diesen Comic, da hat der „Splitter Verlag“ (der mir dankenswerterweise ein Rezensionsexemplar zur Verfügung stellte) also wieder ein Genre-Meisterwerk ins Programm genommen. Comic-Fans dürfen bedenkenlos die 29,80 € für das Hardcover investieren! Fazit: „Die Schlange und der Kojote“ (Link) ist ein typischer Matz-Comic – Und weil Matz einfach eine Zierde seines Genres ist, ist auch dieser Comic eine Zierde seines Genres :-)
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