Selten habe ich eine SciFi-Comicreihe gelesen, die von KritikerInnen und LeserInnen so mit Lorbeeren überhäuft wurde wie die fünfteilige Miniserie „Acriborea“. Und zugegeben, beim ersten Durchblättern sah das auch alles ganz nett aus, gerade die Zeichnungen machten Lust auf die Geschichte rund um den verzweifelten Überlebenskampf der technisch unterlegenen Menschheit gegen fiese Alien-Völker. Nachdem ich mich aber intensiver durch die knapp 250 Seiten durchgeackert habe, finde ich, dass diese Begeisterungsstürme doch zu viel der Ehre waren…
2465: Die Erde ist mal wieder kaputt und die Menschheit am Abgrund. Aber kein Grund zur Panik, denn dank der Kolonisierung des Wüstenplaneten Acriborea scheint das Überleben gesichert. Innerhalb der letzten 50 Jahre hat sich die erste Einwandererwelle eine beachtliche Kolonie aufgebaut, wobei der Wohlstand vor allem auf Kosten der technisch weit unterlegenen, in Zwangsbündnisse gedrängten, einheimischen Alien-Völker erwirtschaftet wurde. Doch diese fragile menschliche Hegemonie ist bedroht durch die 12 Millionen Siedler umfassende zweite Einwandererwelle, deren baldige Ankunft unweigerlich zu einer Verdrängung der einheimischen Alien-Völker führen würde.
1. Im Auftaktband Der Auserwählte (Link) schmieden die Menschen daher einen gerissenen Plan: Mit Hilfe der mysteriösen Kräfte der Alien-Ureinwohner Acriboeas soll das Schicksal beeinflusst werden, um die Menschheit zu überwachen und deren Verhalten zu beeinflussen. Das findet der berühmte Rennprofi und heimliche Widerstandskämpfer Jasper Niemeyer gar nicht gut, sodass er an einer Infiltrationsmission im schwer gesicherten Herzen der Hauptstadt teilnimmt… Zwar schlägt die Mission spektakulär fehl, doch offenbaren sich bei seiner Gefangennahme bisher unbekannte, übernatürliche Fähigkeiten!
2. Nach seiner Gefangennahme im letzten Band wurde Jasper in eine orbitale Forschungsraumstation verbracht, in welcher auch andere Gefangene mit übernatürlichen Fähigkeiten untersucht werden. Viel Zeit zum Anfreunden bleibt aber nicht, als mysteriöse Angreifer die Station überfallen… Währenddessen ist Colonel Nathan Palliger auf dem Dschungelplaneten Hope eingetroffen, um dessen Eroberung beizuwohnen. Ein kurzes Vergnügen, denn bei einer gemeinsamen Patrouille läuft ein Soldat Amok. Und das ist noch nicht mal das dramatischte Ereignis dieses zweiten Bandes, denn Die Vernichtung des Hohen Rates (Link) zerstört sämtliche militärischen und zivilen Kommandostrukturen der Kolonisten.
3. In Millionen Sonnen (Link) trifft die zweite Einwandererwelle mit abertausenden von Raumschiffen ein. Schlechtes Timing, denn anstatt von einer menschlichen Militär-Eskorte werden sie von technologisch weit überlegenen Alien-Raumschiffen erwartet… Während Nathan sich auf Hope durchschlägt und die Hintergründe des Angriffs erfährt, versucht Jasper mitsamt seinen Mitgefangenen vor den Aliens zu fliehen – Ohne zu wissen, dass seine Flucht ein wichtiger Bestandteil des Alien-Angriffsplans ist!
4. Nachdem ihr Fluchtraumschiff auf Hope abgestürzt ist, verbünden sich Jasper und seine Mitgefangenen mit Nathan gegen Die Schwärme (Link) der Aliens – Damit sind sie die letzte Hoffnung der Menschheit, welche technologisch weit unterlegen immer neue Niederlagen einstecken muss…
5. Die Direktive „Arca“ (Link) wird ausgerufen, denn die Menschheit ist verloren. Oder ist sie es vielleicht doch noch nicht? Denn Nathan findet einen Kampfroboteranzugprototyp, welcher der Alien-Technologie ebenbürtig ist. Und auch Jasper und seine mit übernatürlichen Kräften ausgestatteten Mitstreiter sind zur finalen Schlacht bereit…Na das klingt doch eigentlich ganz spannend, oder? Ja, das ist es auch :-) Aber leider nicht durchgehend und leider nicht in jeder der drei parallel verlaufen Hauptgeschichten. Mit Abstand am unterhaltsamsten ist der „Meta-Plot“ rund um den aufziehenden Krieg zwischen Menschen und Aliens, in dessen Fokus gleichberechtigt der zu spät die Wahrheit erkennende Gouverneur Denshaw und die epischen Schlachtszenen stehen. Hier schafft der Autor es gekonnt die historische Besiedlung Amerikas durch technisch weit überlegene Einwanderer in die Zukunft zu übertragen, um die Situation dann kurzerhand auf den Kopf zu stellen! Um bei diesem Vergleich zu bleiben: Hier haben die unterjochten Indianer sich heimlich weiterentwickelt, um die nun unterlegenen Cowboys gnadenlos von ihrem Kontinent herunter zu jagen ;-) Besonders gelungen ist dabei, dass mit wechselnder Oberhand auch die Sympathien der LeserInnen wechseln – Wenn es um Leben und Tod geht, drücken wir halt doch uns Menschen die Daumen :-P Die beiden anderen Geschichten sind dagegen eher „Zulieferer“ für den „Meta-Plot“. Colonel Nathan Pallinger ist ein stereotyp-heroischer Anführer, der auch als Einzelkämpfer gegen hochentwickelte Alien-Kampfroboter und ganzen Schwärmen von geistesbeeinflussenden Krabbelviechern eine gute Figur macht. Nebenbei deckt er auch noch die Hintergründe des Angriffs auf, was ihm allein im Dschungel aber weniger nützt als den LeserInnen ;-) Ebenfalls nur Handlungszulieferer (weil entscheidendes Rädchen im Getriebe des Alien-Blitzkrieges) sind Jasper und seine übernatürlich begabten Mitgefangenen. Und das ist mal so richtig schade und vergebenes Potential: Jasper an sich bleibt schon recht blass, man erfährt etwa nicht warum so ein erfolgreicher Sportler nun Mitglied bei einer Widerstandsgruppe ist. Seine Mitgefangenen treten dagegen nochmal deutlich in den Hintergrund und werden teilweise gar nicht erst groß vorgestellt. Und selbst wenn, dann sind sie weniger ein vollwertiger Charakter als vielmehr eine Art Werkzeug für eine Situation – Was den Opfern ihre emotionale Wucht nimmt :-( Wirklich, das ist echt schade, bei einer Reihe von gut 250 Seiten hätte man die wichtigen Figuren locker etwas tiefgründiger (oder in manchen Fällen: überhaupt) charakterisieren können. Aber wie immer gilt: Trotz der dramatischen Handlung ist „Acriborea“ kein tiefschürfendes Drama, sondern ein atmosphärischer SciFi-Kriegscomic. In der Einleitung habe ich viel von Lorbeeren für „Acriborea“ geredet. Tatsächlich hat gerade der überraschend komplexe Mittelteil der Miniserie (#2-4) diese auch wirklich verdient, hier wird man sehr gut unterhalten: Packende Kampfszenen wechseln sich ab mit einem sich langsam offenbarenden, ziemlich genialen Plan der Aliens. Die immer dramatischere Weltuntergangsstimmung der Menschen ist förmlich greifbar! Leider fallen dagegen der hektische und eher verwirrende, als Prolog fungierende Auftaktband sowie der sich gegen Ende mehr in Superhelden-Schlachtszenen ergötzende, nicht alle Handlungsfäden abschließende Finalband merklich ab. Auftakt und Ende bieten nur ein befriedigendes Lesevergnügen, was den Gesamteindruck der Reihe trotz des sehr guten Mittelteils leider „nur“ auf ein gutes Niveau runterzieht. Durchweg sehr gut gelungen sind dagegen die teils sehr detailreichen, dynamischen und atmosphärisch kolorierten Zeichnungen, auch wenn ich mich mit vielen Raumschiffsdesigns nicht anfreunden konnte: Weltraumflieger haben Flügel und sehen damit eher aus wie normale Flugzeuge, während ihre Gegenparts auf der Erde – wo Flügel eigentlich sinnvoll wären – darauf verzichten und wie Hubschrauber ohne Rotoren aussehen… Auch dass der Zeichner die Großraumschiffe im Stile alter Weltkriegsschiffe zeichnete ist sicherlich Geschmackssache ;-) Keine Geschmackssache dagegen ist die wie immer gute Druckqualität von „Bunte Dimensionen“ (welche mir dankenswerterweise Rezensionsmuster zur Verfügung stellten), sodass der Preis von 14 – 15 € für je 48 – 56 Seiten starke Hardcover vollkommen in Ordnung geht. Fazit: „Acriborea #1-5“ (Link) ist eine trotz aller Kritik – gerade auch wegen des sehr guten Mittelteils und der tollen Zeichnungen – wirklich gelungene SciFi-Minireihe, welche Freunde militärischer Action begeistern wird. Empfehlenswert!