Shootingstar ist ein so inflationär gebrauchtes Wort, da möchte ich es eigentlich gar nicht schreiben. Wenn es aber eine Nachwuchsautorin schafft, ihr Erstlingswerk in einem renommierten Fantasy-Verlag zu veröffentlichen und sich die Szene-BloggerInnen und die LeserInnen mit Lob nur so überschlagen, dann kann man dieses Wort doch mal aus der rhetorischen Mottenkiste heraus kramen ;-) „Opfermond“ (Link) heißt der Fantasy-Thriller, mit dem Elea Brandt (Link) gerade Furore macht und bei so viel Begeisterung um mich drumherum fühlte ich mich - spätestens nachdem auch ich ausgesprochen angetan (Link) von ihrem Debut-Roman war - fast schon verpflichtet ein Interview zu führen... Trommelwirbel, hier ist es :-D Hallo Elea. Bevor wie anfangen, stell Dich doch bitte mal vor.
"Aber gern. Hallo zusammen, ich bin Elea und ich bin Fantasy-Autorin, Psychologin, Rollenspielerin und Vollzeit-Geek. Ich bin ein Kind der 90er, bin also mit Britney Spears, Tamagochi und Discman aufgewachsen, und stamme ursprünglich aus der Dreiflüssestadt Passau. Mittlerweile lebe ich aber in Regensburg."
Wie kamst Du zum Lesen und in Folge dessen, wie kamst Du zum Schreiben?
"Das Lesen wurde mir praktisch in die Wiege gelegt. Meine Eltern sind Germanisten und haben mir schon als Kleinkind regelmäßig vorgelesen. Wenn ich das wollte, sogar dieselbe Geschichte einhundert Mal. Meine erste selbst verfasste Story entstand in der Grundschule, mit 12 oder 13 hab ich meinen ersten Roman geschrieben – stark inspiriert von Harry Potter. Über die literarische Qualität breiten wir aber lieber einen Mantel des Schweigens. ;-) "
Bevor wir zum Debut-Roman "Opfermond" kommen, muss ich, da das hier ja ein Rollenspiel-Blog ist, fragen: Erzähl doch ein paar Worte zu Deiner Rollenspiel-Karriere :-)
"Gerne. Mit Pen and Paper-Rollenspiel habe ich vor etwa 12 Jahre angefangen. Ein paar Nerd-Freunde haben mich damals mit DSA 4.1 angefixt und bei dieser Einstiegsdroge bin ich bis heute geblieben. Irgendwann kam dann "Shadowrun" dazu, "Splittermond" und hin und wieder auch "Call of Cthulhu". Neben Pen and Paper mache ich auch hin und wieder Live-Rollenspiel, teils DSA, teils ein eigenes Fantasy-Konzept und zusätzlich "Vampire – the Masquerade"."
Noch einmal ein kleiner Schlenker, eh wir wirklich zu "Opfermond" kommen: Du hast bereits einige Kurzgeschichten veröffentlicht. Wie kam es zur Zusammenarbeit mit den anderen Autorinnen und waren die Kurzgeschichten so eine Art "Training" für den Roman oder war der Roman die zwangsläufige Evolution im Schreibprozess?
"Training trifft es ganz gut. Als ich vor einigen Jahren angefangen habe, das Schreiben zu professionalisieren, waren die Kurzgeschichten eine gute Möglichkeit, mich auszuprobieren, neue Genres zu testen und auch festzustellen, ob meine literarischen Fähigkeiten ausreichen, um in einer Anthologie aufgenommen zu werden. Die Ausschreibungen, bei denen ich mich beteiligte, waren immer öffentlich, d.h. es gab einen Bewerbungsprozess und nur einige Beiträge schafften es dann in die Auswahl. Technisch kann man Kurzgeschichten und Romane schwer vergleichen, aber jeder geschriebene Text dient der Übung. Außerdem hat mir die Beteiligung an den Anthologien sehr dabei geholfen, die Abläufe und Strukturen im Literatur-Business besser zu verstehen und kleinere Verlage kennen zu lernen."
Jetzt aber wirklich :-P Stell doch bitte Deinen Debut-Roman "Opfermond" vor.
"Uff, diese Kurzzusammenfassungen sind immer hart. Aber gut, ich versuche es. „Opfermond“ ist ein düsterer Thriller Noir, angesiedelt in einem orientalischen Fantasy-Setting. Die beiden Protagonisten, die Straßendirne Idra und der Assassine Varek, sind gescheiterte Individuen, die in einer von Stärke, Gewalt und Macht dominierten Gesellschaft kaum Einfluss besitzen. Der Mord an einem Alchemisten jedoch verwickelt die beiden in eine düstere Verschwörung, deren Auswirkungen die ganze Stadt bedrohen. Schließlich stehen beide vor der Wahl, ihre Rolle zu akzeptieren oder darüber hinauszuwachsen."
Wie kamst Du zu diesem düsteren Orient-Fantasy-Setting und zu diesem doch eher seltenen Genre-Mix? Hattest Du Inspirationsquellen?
"Ich denke, der erfahrene DSA-Spieler wird beim Lesen durchaus ein paar Anleihen aus aventurischen Städten wiederfinden. Ich fand es schade, dass die meisten Low-Fantasy-Romane an das europäische Mittelalter angelehnt waren, denn orientalische Settings hatten schon im Rollenspiel-Bereich immer eine große Faszination auf mich. Für „Opfermond“ wollte ich jedoch kein märchenhaftes Szenario aus 1001 Nacht, sondern etwas Düsteres, Dreckiges, Arachaisches. Daher erinnert Ghor-el-Chras auch eher an das antike Persien oder Mesopotamien als an arabische Märchen. Fantasy und Thriller zu mischen kam mir gar nicht so abwegig vor. Ich liebe beide Genres, und eine Fantasy-Welt bietet mir als Autorin wesentlich mehr Möglichkeiten bei der Gestaltung des Plots und der Rahmenbedingungen als ein zeitgenössisches Setting."
Und wie kamst Du zu diesen doch allesamt ziemlich kaputten Figuren?
"Ich stehe auf kaputte Typen. Okay, das klang falsch, noch mal von vorne. :-D Ich bin kein Freund von schlichten Schwarz/Weiß-Kategorien, sondern habe ein Faible für graue Charaktere, für Figuren mit Schwächen, mit Fehlern, mit Ecken und Kanten. Die Motivation eines Charakters steht für mich immer im Vordergrund. Was treibt ihn an? Welche Konflikte trägt er mit sich und seiner Umwelt aus? Was steht ihm im Weg? Je komplexer ein Charakter, desto vielfältiger auch die möglichen Konflikte und Reibungsflächen. Kurz gesagt: Ich erzähle lieber die Geschichte eines drogenabhängigen, verbitterten Auftragsmörders als die eines netten, höflichen und immer korrekten Prince Charmings."
Du promovierst ja aktuell in Psychologie. Wie viel Einfluss hat Deine Arbeits- und Studienerfahrung auf die Entwicklung der Figuren?
"Ich glaube, das ist die klassische Frage nach der Henne und dem Ei. Habe ich Psychologie studiert, weil ich die menschliche Psyche und deren Komplexität spannend fand, oder beschäftige ich mich so viel damit, weil ich Psychologin bin? Ich fürchte, das kann ich heute kaum noch beantworten. Fakt ist aber, dass ich durch mein Studium und meine Arbeit sehr viel darüber gelernt habe, wie Menschen sich unter diversen Bedingungen entwickeln, was sie antreibt, was sie prägt, wie sich Persönlichkeit und Umwelteinflüsse gegenseitig bedingen. Diese psychologischen Aspekte – was bin ich für ein Mensch und warum? – finden sich in meinen Romanen auch sehr intensiv wieder."
Wie bist Du generell beim Schreiben des Romans vorgegangen? Hattest Du erst das Setting entwickelt oder erst den groben Handlungsaufbau? Und hattest Du bereits einen festen Plan oder hast Du die Handlungsstränge spontan, während des Schreibens, entwickelt?
"Das Setting und die grobe Idee zu „Opfermond“ gingen ziemlich Hand in Hand. Ich entwickle meine Welten nie unabhängig von der Geschichte, die beiden Aspekte sind eng miteinander verzahnt. Wuchs der Plot, wuchs auch die Welt – oder vielmehr kristallisierten sich immer mehr Details heraus. Als ich anfing, „Opfermond“ zu schreiben, hatte ich eine ganz grobe Idee dessen, was passieren sollte, ich wusste aber zum Beispiel noch nicht genau, wie der Roman endet, und auch viele Spuren und Indizien entwickelten sich erst mit der Zeit. So gesehen sind mit jedem Überarbeitungs- und Lektoratsdurchgang neue Schichten dazugekommen, die dem ganzen Tiefe verliehen haben."
Nun ist "Opfermond" ja Dein erster Roman; und doch hast Du ihn bei einem großen Szene-Verlag veröffentlicht. Tausende neidische Jungautoren wollen wissen: Wie hast Du hast geschafft? ;-)
"Ähm, tja, ich fürchte, die Antwort ist extrem langweilig: Ich habe mich beworben und hatte Erfolg. :-D Während der Arbeit an „Opfermond“ habe ich sondiert, welche kleineren Verlage für den Roman in Frage kämen, und da war Mantikore in der engeren Auswahl. Letztlich habe ich das Exposé an drei Verlage geschickt, zwei waren interessiert und von Mantikore kam am Ende die Zusage. Insofern ist mein Erfolgsrezept ziemlich simpel: Vorher gut prüfen, wohin das Manuskript passt, eine aussagekräftige Bewerbung schicken und ein wenig Geduld mitbringen. Eine Portion Glück gehört aber sicher auch dazu."
Wie lief die Zusammenarbeit und was ist, vom Schreiben und der Publikation her, eigentlich bei einem großen Roman anders als bei einer Kurzgeschichte?
"Die Zusammenarbeit war sehr angenehm. Wie bei den meisten kleineren Verlagen braucht man einen langen Atem, da viele Produktions- und Planungsprozesse länger dauern, aber dafür hat man bei den wichtigen Entscheidungen wie Cover oder Lektorat ein Mitspracherecht. Der Unterschied zwischen Kurzgeschichte und Roman liegt natürlich klar in der Intensität der Zusammenarbeit – 20 Seiten sind schneller durchgesprochen und lektoriert als 400 –, aber insbesondere in der emotionalen Beteiligung. Der eigene Roman, das ist mein Baby. Da will ich alles perfekt haben, bis ins kleinste Detail, und leide bei jeder winzigen Verzögerung Höllenqualen. Bei Kurzgeschichten ertrage ich das leichter. Ansonsten verfasse ich Kurzgeschichten immer nach konkreten Ausschreibungs-Themen, Romane entwickeln sich aus eigenen Prämissen. Wobei es schon mehr als einmal passiert ist, dass sich die Idee zu einer Kurzgeschichte zu einem ganzen Roman ausgewachsen hat…"
Ich fand "Opfermond" gut, aber wie kam er beim Rest der Welt so an?
"Erstaunlich gut. Um ehrlich zu sein, ich bin ein bisschen überrascht, wie gut. Ich weiß, dass „Opfermond“ keine leichte Kost ist, es ist blutig und brutal, die Figuren sind kompliziert und eigenwillig und die Welt sehr düster. Genau deswegen liebe ich diesen Roman – und es macht mich unheimlich glücklich, dass die Leser ihn auch lieben. Das ist mir tatsächlich wichtiger als die Verkaufszahlen."
Auf welchen literarischen Werken wird in Zukunft der Name Elea Brandt prangen? Und wirst Du dazu das Genre oder das Setting wechseln? Bei dem "Opfermond"-Erfolg wäre ja eine Fortsetzung die logische Konsequenz...
"Nein, eine Fortsetzung wird es keine geben. Ich bin kein Fan von Sequels, denen man anmerkt, das sie nie geplant waren. Ich würde aber trotzdem gerne in Ghor-el-Chras bleiben und dort noch weitere Romane ansiedeln. Anfang nächsten Jahres dürfte sich entscheiden, ob, wann und wie das klappen wird. Ansonsten stehen 2018 zwei Veröffentlichungen in anderen Verlagen an. Bei "Dead Soft" erscheint Anfang nächsten Jahres „Unter einem Banner“, ein Low Fantasy-Roman in einem eher klassisch mittelalterlichen Setting, aber mit zwei queeren Protagonisten. Im Sommer wird dann im "Verlag Ohneohren" „Sand & Wind“ erscheinen, auch ein orientalischer Fantasy-Roman, diesmal aber eher im Stil der "Märchen aus 1001 Nacht" mit einer Prise Abenteuergeschichte."
Zuletzt: Hast Du ein paar Tipps für andere aufstrebende JungautorInnen?
"Klar, gerne. Um Stephen King zu zitieren: Schreibe viel, lese viel. Jedes geschriebene Wort zählt, ganz egal, ob es veröffentlicht wird oder nicht. Es hilft dabei, den eigenen Stil zu finden und weiterzuentwickeln. Lesen ist wichtig, um über den eigenen Tellerrand hinauszusehen und zu lernen. Mindestens genauso bedeutsam finde ich allerdings den Austausch mit anderen Autorinnen und Autoren. Mir hat meine Mitgliedschaft beim „Tintenzirkel“, einem Internetforum für Fantasy-Autoren, sehr geholfen, aber auch regionale Schreibgruppen oder Literatur Camps könne eine Unterstützung sein. Diese Vernetzung hilft nicht nur dabei, das eigene Schreibhandwerk zu verbessern, sondern auch, mehr über den Literaturbetrieb allgemein zu lernen, kritikfähiger zu werden und realistische Pläne zu entwickeln."
Vielen Dank für das spannende Interview :-)
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