Wenn ich mir das Feedback der Blog-LeserInnen so ansehe, dann scheint der Wilde Westen die bevorzugte Comic-Thematik zu sein. Na dann mal aufgepasst, mit der Tetralogie „Galgenvögel“ (Link) vom Augsburger Comic-Spezialisten „Bunte Dimensionen“ bespreche ich heute eine ebenso ambitionierte wie auch bleihaltige Familiensage, welche den Bogen vom amerikanischen Bürgerkrieg bis hin zur Besiedlung des Wilden Westens spannt.
1. Der Bürgerkrieg ist im Auftaktband Der Liliengarten (Link) gerade zu Ende gegangen und die reiche Südstaaten-Familie Granger stand leider auf der falschen Seite. Das Familienoberhaupt Colonel George wurde als Kriegsgefangener in einem nahezu uneinnehmbaren Fort interniert und dort mit ausgesprochen rabiaten Methoden von Captain Lopeman verhört. Die Mutter Louise flüchtet sich in Alkohol, fasst aber dennoch einen tollkühnen Plan zur Rettung ihres Mannes: Zuerst raubt sie zusammen mit den Kindern Shannon und William das zum Wiederaufbau ihres kriegsversehrten Dorfes gedachte Geld, dann heuert sie damit Südstaaten-Freischärler für eine Befreiung an...
2. Die Rettung von Colonel George ist zwar misslungen, doch immerhin konnte er seiner Frau kurz vor seinem Dahinscheiden noch den entscheidenden Hinweis auf einen geheimen Schatz geben. Während sich die Familie mitsamt dem letzten Rest der Südstaaten-Freischärler und des befreiten Indianers Nathanael auf die Suche macht, beginnt Die Iron-Brigade (Link) unter dem Befehl von Captain Lopeman eine gnadenlose Jagd. Was folgt ist eine Schnitzeljagd, an deren Ende das große Geheimnis rund um Colonel George (und warum er für die Südstaaten so wichtig war) gelöst wird. Eigentlich könnte die Geschichte hier mit einem offenen, tatsächlich sogar irgendwie befriedigenden Ende abgeschlossen sein, doch stattdessen folgt...
3. Die Heldengeschichte von Captain Lopeman, der sich während eines Geheimauftrags im kleinen WildWest-Städtchen Ashland eher zufällig mit den Secret Six (Link) anlegt, einem Geheimbund zur Unterstützung der Sklavenbefreiung. Dort trifft er die beiden letzten noch flüchtigen Grangers, nämlich die mittlerweile zur Frau gereifte Shannon und ihren indianischen Love Interest Nathanael, welche erst kurz zuvor festgenommen wurden – Und nun plötzlich seine einzige Hoffnung im Kampf ums Überleben sind!
4. Am Kansas River (Link) steigt dann das große Finale der WildWest-Tetralogie: Zwar konnten Captain Lopeman, Shannon und Nathanael den Angriff in Ashland gerade so noch abwehren, doch der fanatischte Anhänger der Secret Six ist nach wie vor auf freiem Fuß. Auf Rache sinnend, will er die Brückenbaustelle der zu Zwangsarbeit verdonnerten Südstaaten-Kriegsgefangenen sprengen – Dadurch würde er mit William auch den, neben Shannon, letzten noch lebenden Granger töten!
Die vierteilige Miniserie startet ungemein stark mit einem durchweg spannenden Auftaktband, dem die Etablierung der auch gern mal unerwartet sterbenden Prota- und Antagonisten trotz der begrenzten Seitenzahl gut gelingt und der handlungstechnisch gut vorwärts geht. Mit „Der Liliengarten“ legt das Autorenduo Capuron & Duval die erzählerische Messlatte dann auch sehr hoch – Zu hoch, denn die Folgebände reißen sie allesamt :-( Schon die Schnitzeljagd nach dem Schatz im zweiten Teil zieht sich ein klein wenig, auch dadurch, dass den Grangers die Lösung der Rätsel ziemlich leicht fällt (drei Gräber + eine eher nichtssagende Bibelstelle = zwei Panels bedeutungsschwanger durch die Gegend gucken, eh Louise die Lösung weiß :-P), aber die Wahrheit rund um Colonel Georges Vergangenheit hält das Interesse aufrecht. Und dann passiert es: Ab dem dritten Band verlagert sich die Geschichte weg von den Grangers (die bis hierhin verbliebenen Protagonisten werden zu Nebenfiguren degradiert) hin zum Antagonist Captain Lopeman – Aber jetzt ist er plötzlich der Protagonist! Solche abrupten Charakterwechsel von böse zu gut gibt es doch eigentlich nur beim Wrestling ;-) Okay, mal Spaß beiseite, normalerweise mag ich ja graue Charaktere abseits der üblichen schwarz/weiß-Schematik, aber hier wurde diese Figur halt zwei Bände lang als Bösewicht aufgebaut (um es mal begreiflich zu machen: In Weltkriegs- und Pulp-Comics wäre er in den ersten zwei Bänden der Prototyp eines klischeehaften SS-Offiziers gewesen :-P). Hat man den Wechsel verkraftet, findet man sich in einer etwas gezwungen wirkenden, ebenfalls wieder eher langatmigen Geschichte wieder: Alles, was noch an Figuren übrig ist (ausgenommen William, aber sein Kriegsgefangenenlager ist auch nur einen Steinwurf entfernt), findet sich in dem kleinen Wildwest-Städtchen Ashland ein – Nur um dann nahezu die gesamten letzten beiden Bände gegen einen durchgedrehten Geheimbündler und zwischendurch auch mal die ganze Stadt zu kämpfen... Eben jener Geheimbündler wäre dabei eine wirklich interessante Figur, da er prinzipiell für eine gute Sache kämpft. Doch die Autoren führen ihn in einer viel zu ausgedehnten Brutalo-Szene als so fanatisch ein, dass dies sein wichtiges (und je nach Betrachtung auch richtiges) Anliegen komplett verblassen lässt... In den Bänden 3 und 4 passieren halt Dinge, gerne auch mal mit Schießereien und Explosionen, aber all das lässt einen dann doch irgendwie kalt. So ein wenig hat man das Gefühl, als dass sich das Autorenduo am Ende gar keine richtige Mühe mehr gab: Die Figuren zeichnen sich eh schon nicht durch eine große Charaktertiefe aus, was ihre Handlungen nicht immer nachvollziehbar und irgendwie auch unbefriedigend macht (Wieso ist der Indianer plötzlich Shannons große Liebe? Warum ist William eigentlich immer wütend? Ist Lopeman der Teufel?). Und dann werden sie am Ende auch noch mit einem simplen Textkasten abgespeist... Beim Lesen hatte ich stets das Gefühl, dass die (vom Inhalt her) aus sozusagen zwei Doppelbänden bestehende Tetralogie der vollkommen falsche Ansatz für diese Geschichte war. Entweder hätte man sie kürzen müssen, damit sie rascher auf den Punkt kommt, oder man hätte sie umfangreicher gestaltet, um besser auf die einzelnen Figuren eingehen zu können. So wirkt die Handlung irgendwie halbgar und in ihrem Erzähltempo nicht recht durchdacht :-( Was sehr schade ist, sind doch gerade die Zeichnungen durchaus gelungen. Dynamisch und dank der Kolorierung sehr atmosphärisch, sind sie spätestens ab dem dritten Band der eigentliche Motivator zum Lesen der Reihe. Gelungen ist auch die Druckqualität von „Bunte Dimensionen“ (welche mir dankenswerterweise Rezensionsmuster zur Verfügung gestellt haben), sodass der Preis von je 13 € für jeweils 48 Seiten umfassende Hardcover voll in Ordnung geht. Fazit: Die vierteilige WildWest-Reihe „Galgenvögel“ (Link) lässt mich mit arg gemischten Gefühlen zurück... Durchweg schön inszeniert, kann die Tetralogie nach einem grandiosen Auftaktband wegen fehlender Charaktertiefe und einem teils suboptimalen Erzähltempo leider nur noch bedingt überzeugen. Genre-Fans werden an der gesamten Reihe ihre Freude haben, allen anderen seien aber zumindest die ersten beiden Bände empfohlen :-)
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