Und weiter geht es mit der Mammutaufgabe, mich durch die umfangreichste Comic-Reihe des renommierten Kleinverlags „Bunte Dimensionen“ durchzukämpfen. „Der Gesang der Strygen“ geht in den zweiten Zyklus, welcher ebenfalls sechs Bände umfasst und rund sieben Jahre nach den bisherigen Geschehnissen spielt. Mehr vom Gleichen, könnte man denken, doch dem ist nicht so! Der zweite Zyklus krankt gleich an zwei typischen Unsitten mehrteiliger Reihen: Erstens muss der Vorgänger in jeglicher Hinsicht, bis es grotesk überzeichnet wird, übertroffen werden. Und zweitens ist der 2. Zyklus ein typischer Mittelteil, welcher storytechnisch primär auf den Abschlusszyklus hinarbeitet. Bei so viel Kritik – Sollte man die Reihe trotzdem weiterlesen? Eine kleine Rekapitulation des 1. Zyklus: Nach einem missglückten Anschlag auf den US-Präsidenten ermitteln der erst entlassene, dann gejagte Sicherheitschef Kevin Nivek sowie die Profikillerin Debrah Faith erst unabhängig voneinander, dann gemeinsam mit einem kleinen Team über die Hintergründe. Dabei kommen sie den sogenannten Strygen (uralte geflügelte Monster) auf die Spur, welche mit den höchsten Entscheidungsträgern aus Politik und Wirtschaft verflochten sind. Letztendlich konnten die Protagonisten deren Existenz zwar beweisen, doch gab es nach dem sechsten Band mehr als genug offene Fragen und Handlungsfäden…
7. Im sieben Jahre später handelnden Auftaktband des zweiten Zyklus kommt es gleich zu mehreren Treffen (Link) altbekannter und neuer Haupt- und Nebenfiguren. Kevin hat sich mit der totkranken Melly in den hohen Norden zurückgezogen, doch ihr herrschsüchtiger Vater entführt die von den Strygen vergiftete Frau. Auf dem gleichen Weg vergiftet wurde auch die Profikillerin Jill, welche wieder zurück ins Geschäft will, um dort ihre Ex-Kollegin Debrah zu treffen. Denn diese hat ja im ersten Zyklus mehr als genug Erfahrungen mit den geflügelten Monstern sammeln dürfen ;-) Doch Debrah hat gar keine Zeit, sich um die Vergangenheit zu kümmern, da ihre Killerorganisationsvorgesetzten scharenweise von den Schergen des mit den Strygen verbündeten Multimilliardärs Sandor G. Weltman eliminiert werden…
8. Die ProtagonistInnen haben sich wieder zusammengefunden, um gemeinsam den Herausforderungen (Link) zu trotzen. Doch diesmal reiht sich Misserfolg an Misserfolg: Während Weltmans Schergen ein einzigartiges Strygen-Buch stehlen, werden die ProtagonistInnen von den magisch begabten Geschwistern Celia und Abel entführt. Diese wollen sie für den Kampf gegen Weltman gewinnen, womit sie natürlich offene Türen einrennen ;-)
9. Allerlei Enthüllungen (Link) bietet dieser Band: Kevin verbündet sich notgedrungen mit Mellys Vater, um bahnbrechende – vielleicht sogar den Sieg bringende – Informationen über die Strygen zu bekommen. Währenddessen bekommt Debrah eine CD mit dem gesammelten Wissen über ihren Feind Weltman – Doch bevor sie diese abspielen kann, wird ihr Geheimversteck angegriffen…
10. In Manipulationen (Link) bekommt der Leser endlich mal den sagenumwobenen Weltman zu Gesicht. Und auch Debrah kommt seinem Aufenthaltsort auf die Schliche. Doch er scheint dem Team immer ein Stück voraus zu sein, sodass sie schnurstracks in seine Falle laufen. Zudem erweist sich das Zweckbündnis mit Mellys Vater als nicht so stabil, wie Kevin gehofft hatte.
11. Weltman ist entdeckt, doch seine Falle ist zugeschnappt: Über kurz oder lang finden sich sowohl Kevin als auch Debrah und Jill in seinen Zellen (Link) wieder – Und während er nun seine wahre Identität enthüllt, verliert eine Hauptfigur ihr Leben… (aber ich verrate nicht wer :-P)
12. Der Abschluss des zweiten Zyklus trägt den Namen Absturz (Link) – Einer im weitesten Sinne überaus treffenden Beschreibung für das Schicksal einer jeden Figur in dieser Geschichte. Ein sicherlich unerwarteter, aber überaus würdiger Zyklus-Finalband, welcher sehr viel Lust auf die letzten sechs Bände macht :-)
Der zwar zufriedenstellend abgeschlossene, aber doch deutlich auf den dritten Zyklus hinarbeitende Mittelteil der 18 Bände umfassenden Reihe verschiebt in doppelter Hinsicht den Schwerpunkt der Erzählung: Erstens wechselt das Genre, anstatt Urban-Mystery im Stil von „Akte X“ – bei der für die Protagonisten immer die Frage im Raum stand, ob es diese geflügelten Monster und die Verschwörung drumherum wirklich gibt – wird jetzt brachiale Urban-Fantasy geboten. Diese ist wesentlich trashiger und sehr viel expliziter: Der Gewaltgrad steigt ebenso wie der Nacktheitsgrad (gern auch mal beides gleichzeitig). Hierbei hatte ich durchaus mehrfach den Eindruck, als sei dies purer Selbstzweck. Das wirkt einfach alles arg übertrieben und gezwungen, so als hatten Autor & Zeichner den Gedanken „Hey, im ersten Zyklus haben wir etwas Blut und auch ein paar Brüste gezeigt – Lass uns davon jetzt bei jeder Gelegenheit welche einbauen!“ Und zweitens verschiebt sich die Figurenkonstellation: Debrah, und das erkennt man auch gut an den jeweiligen Titelbildern, ist nun die alleinige Hauptfigur. Um sie allein dreht sich die Geschichte, was den Mangel an charakterlicher Tiefe (Es gibt eine einzige neue Charakter-Facette in sechs Bänden!) noch eklatanter und unrühmlicher in den Vordergrund rückt :-( Kevin, der im ersten Zyklus noch eine gleichberechtigte Rolle innehatte, macht jetzt so nebenbei sein eigenes Ding und arbeitet ihr höchstens mal zu. Und Melly ist nur noch ein handlungsauslösendes Objekt. Auch die neuen Figuren der Heldentruppe bleiben hier überaus blass, die Bösewichte – außer Weltman im letzten Band, wo er mit der Selbstoffenbarung gar nicht mehr aufhören kann :-P – sind gar nur klischeehafte Abziehbilder. Nicht, dass die Figuren im ersten Zyklus sonderlich komplex waren, aber (bis auf Debrah) sie hatten wenigstens greifbare persönliche Konflikte. Jetzt hab ich so viel gemeckert, damit werde ich der Reihe dann doch nicht gerecht. Trotz ihrer Kritikpunkte macht sie Spaß! Es gibt wieder kaum Längen, in wirklich jedem Band wird irgendetwas Sehenswertes geboten. Meist eine oder mehrere coole, filmreif inszenierte Actionszenen, manchmal auch gut geschriebene Dialoge oder eine bahnbrechende Erkenntnis. Und letztendlich macht der zweite Zyklus genau das, was er soll: Dem Leser richtig Lust auf das Finale machen :-D Zudem sind die Zeichnungen wieder sehr gefällig, ich habe sogar das Gefühl, dass bei jedem Koloristen-Wechsel (diesmal gleich zweimal) das grafische Niveau weiter steigt :-) Die Druckqualität von „Bunte Dimensionen“ (welche mir dankenswerterweise Rezensionsmuster zur Verfügung stellten) passt ebenfalls, sodass 13 € (#7-8) beziehungsweise 14 € (#9-12) für 48 seitige Hardcover vollkommen in Ordnung gehen. Fazit: „Der Gesang der Strygen: Zyklus 2“ (Link) verschiebt den inhaltlichen und erzählerischen Schwerpunkt überraschend deutlich, macht aber immer noch Spaß und vor allem Lust auf den dritten Zyklus.
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