Strahlende Paladine in glänzenden Rüstungen, welche jungfräuliche Prinzessinnen aus purer Menschenfreundlichkeit und ohne jeglichen Hintergedanken aus den Fängen finsterer Gestalten retten – Nein, die gibt es nicht in der neuen Fantasy-Anthologie des primär für seine "Mythodea"-Romane (Link) bekannten und für seine Orkpapa-Kinderbücher (Link) gerühmten Kleinverlags „Schwarze Ritter“ (Link). Stattdessen wird hier in 13 stets düsteren, aber selten auch mal humorvollen Kurzgeschichten das ritterliche Ideal entzaubert... Hierfür hat die Herausgeberin Ina Elena Pleines mal mehr, mal weniger bekannte AutorInnen-Talente versammelt, welche die (Anti-)Helden-Thematik auf unterschiedlichste Art und Weise interpretieren. Dabei liefern sie, bis auf ganz wenige Ausreißer nach oben und leider auch nach unten, stets ein überraschend homogenes, gutes Qualitätsniveau:
1. Die Anthologie fährt mit Tochterfluch von Matthias Ramtke gleich die stärkste Kurzgeschichte auf. Eigentlich eine klassische Heldengeschichte: Eine Adelstochter wurde entführt, ein alter Haudegen soll sie retten. Doch nicht alles ist so eindeutig wie es anfangs schien, sodass am Ende eine schwierige moralische Entscheidung wartet... 2. Danach verfällt ein einfacher Fußsoldat während einer unendlichen, immerwährenden Schlacht einer Trügerischen Hoffnung. Ein düsteres „Und täglich grüßt das Murmeltier“ mit Blut, Schweiß und Tränen ;-) 3. Fröhlicher wird es auch in Der Jäger von Michaela Rothermel nicht. Dabei klingt es eigentlich ganz witzig, wenn man einen Hasen-Helden nebst Söldner-Kumpel bei der Monsterjagd begleitet. Doch wie gesagt, „Helden gibt es nur im Märchen“ und letztendlich ist sich jeder selbst der Nächste. Eine der konsequentesten Geschichten und die Verkörperung der Anthologie-Thematik :-D 4. Christian von Asters Ritter-Satire Der Niedergang des Ritters Hasso lockert das Buch dann merklich auf. Denn schon die Turnierkampf-Helden ihrer Zeit mussten sich mit fanatischen Fans und Hooligans herumschlagen. 5. In den meisten Geschichten und Sagen dienen sie ja eher als Antagonisten, aber Ulrik van Doorns Trollpatsch zeigt, dass selbst vegetarische Trolle heldenhafte Taten vollbringen können. 6. In einer der überraschendsten und ebenfalls hervorragend zur Anthologie-Thematik passenden Kurzgeschichte erzählt Wendy Nikolaizik Von Helden und Jenen, die keine sind. Anfangs auch wieder als klassische Heldenreise (gealterter Held zieht aus, das Königreich vor finsteren Kreaturen zu schützen) angelegt, wird dem ehemaligen Drachentöter viel zu spät klar, dass die Drachentötung vielleicht doch nicht die klügste Idee war ;-) 7. So richtig verstanden, was Die Insel von Reni Nürnberger mit nur in Märchen vorhandenen Helden zu tun hat hab ich zwar nicht – Aber gut geschrieben ist die Kurzgeschichte trotzdem. 8. Das absolut gleiche wie bei 7. kann ich zu Die Wachsfrist von Jane Steinbrecher schreiben. 9. Nun wieder ein Highlight des Buches: Das Märchen von Prinzessin Anastasia und Prinz Pius von Lars C. Rothkirch wirkt ein wenig wie die Miniatur-Version von „Game of Thrones“ oder auch dem deutschen Äquivalent „Imperium von Westrin“. Intrigen, Erbstreitigkeiten, Mord & Totschlag – Alles getreu dem Motto „Die Geschichte wird von den Siegern geschrieben“ :-D Lesenswert! 10. Gleich neun Kapitel umfasst die Kurzgeschichte Heldenväter von Jan Seichter, in welcher ein Vater alles versucht, um seinen kranken Sohn zu retten. Dabei legt er sich einerseits mit heilenden Feuerwesen an und wendet sich andererseits finsteren Mächten zu. Der Anfang war mir persönlich etwas zu langatmig, kriegt aber rechtzeitig die Kurve, damit der Leser am Ende aufgewühlt zurückbleibt. 11. Anke Krüger führt den Leser mit Die Sehnsucht der Herzbäume ziemlich aufs Glatteis. Denn man glaubt in der – mal aus der Sicht eines verletzten Barbaren, mal aus der Sicht einer idealistischen Heilerin geschriebenen – Kurzgeschichte durchaus die Ansätze eines zarten Romanze zu erkennen, eh sich eine(r) der beiden Protagonisten (aber ich verrate nicht wer :-P) heldenhaft opfert. 12. Zum Ende der Anthologie gibt es nochmal zwei echte Highlights: Erst zeigt André Geist, dass auch religiöse Heiler-Orks das Zeug zum Kriegshelden haben. Sehr schön geschrieben, nur der dicke Moral-Zuckerguss verhindert, dass dies die beste Geschichte des gesamten Buches wird. 13. Zuletzt fährt Verlagschef Hagen Tronje Grützmacher dann mit Namenlos ein Fantasy-Epos im Miniaturformat auf: Viele verschiedene Figuren, die alle ihre eigenen Ziele rund um eine flüchtende Frau haben – Diese Kurzgeschichte schreit förmlich danach, vom Autor zu einer Novelle oder gar einem ganzen Roman aufgeblasen zu werden. Bitte Hagen, tu es!
Letztendlich bietet die Anthologie zwei, drei wirklich sehr gute Geschichten, nur einen Negativ-Ausreißer (aber selbst der ist immerhin solide) und ansonsten durchweg guten Fantasy-Lesestoff. Die AutorInnen verstehen allesamt ihr Handwerk, vom Schreibstil her ist mir niemand negativ aufgefallen. Ein wirklich dickes Lob geht außerdem an die beiden IllustratorInnen Petra Rudolf und Rudolf Eizenhöfer! Sie haben, wie das Lektorat auch, tolle Arbeit geleistet und werten das 380 Seiten starke Hardcover merklich auf. Das ist übrigens in guter Druckqualität verarbeitet, wenn ich auch das Papier einen Tick zu dünn finde. Der Preis von 15,90 € ist im Hinblick darauf, dass es sich hier um einen Kleinverlag handelt, aber angemessen. Fazit: Die Anthologie „Helden gibt es nur im Märchen“ (Link) bietet 13 ebenso düstere wie unterhaltsame Fantasy-Kurzgeschichten. Diese haben ein überraschend homogenes Qualitätsniveau, sodass ich letztendlich wirklich gute 81 % beziehungsweise 4,05 von 5 Sternchen eines wenig heldenhaften Online-Buchhändlers vergeben kann :-)
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