Ich bringe die Punchline gleich zu Beginn: Stjepan Sejic ist für die Comic-Welt das, was Zack Snyder für die Film-Welt ist – Von beiden Künstlern gibt es phantastische Bilder, aber wenn sie sich selber Geschichten ausdenken, dann gehen die kreativen Gäule manchmal mit ihnen durch :-P Und genau so einen Fall haben wir nun hier beim Fantasy-Sexcomic „Fineprint“, welcher überraschenderweise im gleichen Erzähluniversum spielt wie die grandiose BDSM-Liebesgeschichte „Sonnenstein“ (Link) und ihr bereits deutlich abgefallenes SpinOff "Mercy" (Link). Und jetzt auch noch eine Seifenoper mit Göttern? Tatsächlich geht es in diesem Auftaktband um das titelgebende Kleingedruckte in einem übernatürlichen Vertrag: Die griechischen Gottheiten existieren, doch weil niemand an sie glaubt, ziehen sie ihre Kraft mittlerweile nicht mehr aus Gebeten. Stattdessen gehen sie mit auserwählten Menschen einen Tauschhandel ein: Ein Jahr lang bekommen sie mit Qualitätsgöttern & -göttinnen den besten Sex ihres Lebens, dafür müssen sie mit ihrem Ambrosia den göttlichen Samen befruchten – Bisher hab ich nicht recht verstanden, wie das passiert, und ich glaub die Protagonistin Lauren auch nicht ;-) Aber dafür ist sie mit dem Kleingedruckten sehr glücklich, denn während das Begehren wächst, schwindet die Liebe. Und das ist genau ihr Ding, denn darum geht es in dieser Geschichte eigentlich: Lauren Thomas ist ein erfolgreiches Model, doch sie ist unglücklich, da sie ihren Traummann gegen ihre Karriere eintauschte. Nun will sie ihn zurück, doch er ist nach mehreren Jahren emotional weitergezogen und hat sich verlobt. Und da Lauren mit Niederlagen schlecht umgehen kann, flüchtet sie sich in Selbstmitleid (von Herzschmerz erzählt Sejic ja immer mit Wonne, man denke nur an „Sonnenstein #5“ (Link) :-P), Alkohol und auch Sex. Und wer nutzt ihr Verlangen deshalb gern aus? Genau, die göttlichen Wesen, hier in Form der Sukkubus-Dame Merryl, die damit wiedergutmachen will, dass ihre letzte Vertragsunterzeichnerin asexuell war... Aber auch im Götterreich gibt es ordentlich Drama, denn einerseits herrscht zwischen den Liebesgöttern & -göttinnen ein knallharter Konkurrenzkampf, andererseits gibt es verbotenen Sex zwischen Inkuben bzw. Sukkuben und Cupids... Okay, ich mach es kurz, das ist großer Quatsch! Im Nachwort schreibt Sejic, dass die Geschichte aus zwei Kurzgeschichten entstand, und ich glaube so hätte es auch bleiben dürften. Stattdessen bekommen wir hier den nächsten „epischen“ Sexcomic – dieser erste Sammelband umfasst stattliche 176 Seiten – mit einer nicht unerheblichen Menge an (wie immer) toll gezeichneten, oft queeren Sexszenen. Im Gegensatz zu „Sonnenstein“ halt nur mit viel weniger Latex, aber viel mehr Tentakeln. Oder was auch immer... Aber reicht das? Was gibt es noch? Lassen wir mal den ganzen Fantasy-Kram rund um die griechischen Gottheiten weg, bleibt noch eine tragische Liebesgeschichte. Oder besser gesagt eine Selbstfindungsgeschichte, denn weil Laurens Ex verständlicherweise nicht mehr zu ihr zurück will (obwohl sie sich echt mühe gibt, was sie nach gängigen Wertevorstellungen aber prinzipiell trotzdem zur Bösewichtin macht), durchwandert sie ein tiefes Tal der emotionalen, aber auch beruflichen Umbrüche. Hier hätte Sejic so viel mehr rausholen können, da wird eine Menge Trauma und Drama angekündigt, aber immer wieder wechselt von diesen ernsten Szenen hin zur Fantasy-Welt mit ihrer Seifenoper-Liebelei-Nebenhandlung. Und das ist auch das größte Problem, welches ich mit „Fineprint“ habe: Die einzelnen Handlungsstränge wollen tonal einfach nicht zusammenpassen, sodass keine einheitliche Atmosphäre aufkommt und die Geschichte einfach unrund wirkt. Schade! Nichtsdestotrotz bin ich bis zum Ende dran geblieben, was nicht nur daran liegt, dass mir „Panini Comics“ ein Rezensionsexemplar zur Verfügung gestellt hat und deshalb erwartet, dass ich hier etwas Kompetentes schreibe, sondern primär weil die Zeichnungen einfach toll sind. Sejic zeichnet erneut phantastisch, wenn er denn will (was er bei den meisten, aber nicht allen, Panels auch macht). Besonders Emotionen drückt er ganz meisterhaft aus, aber auch generell schafft er selbst die versauteste Sexszene irgendwie geschmackvoll wirken zu lassen. Ja, selbst die mit den Tentakel-Schwänzen... Fazit: Ich hab sehr viele begeisterte Kritiken zu „Fineprint #1 Achte auf das Kleingedruckte“ (Link) gelesen und kann diese nicht nachvollziehen. Denn die Geschichte hat einfach offensichtliche Schwächen, die müssten selbst den größten Sejic-Fans auffallen. Aber sind wir ehrlich, einen Sejic-Comic liest man ja sowieso nicht wegen der Handlung, sondern wegen der Zeichnungen – Und die sind wieder auf gewohnt großartigem Niveau!
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