Mittlerweile sollte der Name „Mythodea" selbst Nicht-LARP-Spielern ein geläufiger Begriff sein. In diesem Fantasy-Setting spielt nun schon der zweite Roman aus der Feder von Hagen Tronje Grützmacher: Nach dem guten „Zmaë: Die Wächter von Steinthal“ (Link) folgt die lose Fortsetzung „Glutbringer“, für welche Hagen sich Jane Steinbrecher an seine Seite holte. Aber bedeutet die doppelte Anzahl talentierter Autoren und die (fast) doppelte Anzahl an Seiten auch doppelten Lesespaß? Zuvorderst vielleicht der wichtige Hinweis: Wenn man, so wie ich, mit LARP nichts am Hut hat und entsprechend „Mythodea“ nur vom Hörensagen oder aus dem Fernsehen kennt, dann kann man diesem Fantasy-Roman trotzdem vollkommen problemlos folgen. Das mittelalterlich angehauchte Setting wird beispielsweise von Elfen, Zwerge, Trollen und überraschend klugen Untoten bevölkert, welche sich als Ritter oder Magier verkloppen - Also im Prinzip, auf die Gefahr hin mich bei den Fans unbeliebt zu machen, typisches und leicht verständliches Fantelalter :-P Da es im Text aber ein paar Bezüge auf „Zmaë: Die Wächter von Steinthal“ gibt, sollte man aber zumindest hier mal reingelesen haben. Nun aber zur eigentlichen Handlung: Die im letzten Absatz erwähnten Untoten sind eine große Bedrohung für die Bewohnter Mythodeas. Der Feuermagier Lazzar Viviorka musste schon unschöne Bekanntschaft mit ihnen machen und plant deshalb seine Rache mittels der Beschwörung des titelgebenden Glutbringers. Im Prinzip eine wirklich gute Idee, leider kann man diesen nicht so einfach kontrollieren und die Chance, aus Versehen den Rest der Welt gleich mit abzufackeln, steht ziemlich hoch ;-) Für sein magisches Ritual braucht er jedoch noch ein paar Zutaten und Zuarbeiten, weshalb die verschlagenen Zwergen-Vetter Durokk und Branogg sowie eine vom Elfenschmuggler Brynn „Sperling“ angeführte Söldnerbande das Land durchstreifen und allerlei Gefahren trotzen müssen. Immer auf der Spur ist ihnen die Stadtkommandantin Beryll, welche kompromisslos für Recht und Ordnung sorgen will. Außerdem gibt es noch den ehemaligen Waldläufer Garadan, welcher ebenso wie eine marodierende Untoten-Armee ein großes Interesse an Viviorka hat… Für so ein umfangreiches Buch (fast 500 Seiten) ist die eigentliche Handlung dann doch recht übersichtlich: Im Prinzip folgt die Geschichte den einzelnen Gruppen & Personen, deren Handlungsstränge sich zumeist erst ganz am Ende im großen Finale kreuzen, einfach bei der Absolvierung ihres jeweiligen Auftrags. Dabei, und das ist sehr lobenswert, schont das Autoren-Duo auch die Hauptcharaktere nicht und lässt so manchen über die Klinge springen. Das ist alles sehr geradeaus, ohne doppelte Böden und überdramatische Wendungen - Was sich prinzipiell sehr erfrischend liest. Leider startet die Geschichte jedoch recht langatmig und es dauert so ziemlich bis zur Hälfte des Romans, ehe es endlich mal richtig losgeht. Die Exposition ist einfach viel, viel, viel zu lang und nimmt dem Roman einfach das Tempo, was er gebraucht hätte, um wirklich durchweg gut zu sein (200 Seiten weniger, also ungefähr den Rahmen des indirekten Vorgängers „Zmaë: Die Wächter von Steinthal“, und ich wär begeistert gewesen). Das liegt sicherlich auch an der großen Figurenriege von rund zwei Dutzend Prota- und Antagonisten, welche aber nur zu einem überschaubaren Teil tiefergehend beschrieben werden und von denen sich dann auch nur ebenso wenige charakterlich weiterentwickeln. So wächst für nur wenige Personen ein echtes Interesse, was sehr schade ist, da ihr Tod den Leser dann emotional viel härter getroffen hätte. Wenn es dann aber endlich „richtig“ losgeht, geht es wirklich richtig los ;-) Die Handlungsstränge laufen erkennbar(er) aufeinander zu und langsam meint man als Leser auch die aufkeimende Bedrohung spüren zu können. Im Finale gibt es sogar eine brachiale Endschlacht mit wechselnden Loyalitäten – Da klappt man als Leser die Buchdeckel dann glücklich, aber auch ein wenig unzufrieden zu, weil man sich denkt „Na warum denn nicht gleich so?“! Diese Fehler im Erzähltempo und die unnötige Aufblähung des Textes und der Figurenriege überraschen umso mehr, da doch mit Jane Steinbrecher und Hagen Tronje Grützmacher zwei sehr talentierte Autoren am Werk waren, welche rein vom Schreibstil her wirklich gut und flüssig lesbare, atmosphärische Texte ablieferten. Hagen, welcher mir dankenswerterweise ein Rezensionsexemplar zur Verfügung gestellt hat, verantwortete als Chef vom „Verlag Schwarze Ritter“ zudem eine gute Druckqualität des 484 Seiten starken Taschenbuches, welches 12,90 € kostet. Fazit: Zwei wirklich talentierte Schreiberlinge haben (wohl etwas übermotiviert) diese „Mythodea“-Geschichte mitsamt ihrer Figurenriege etwas größer aufgeblasen, als sie hätte sein müssen – Weniger ist manchmal mehr! Nichtsdestotrotz bietet „Glutbringer“ (Link) anfangs durchaus solide, zum Ende hin wirklich gute Fantasy-Kost :-) Alle 11 Kapitel zusammengenommen reicht es trotz des langatmigen Auftakts immerhin noch für sehr ordentliche 76 % beziehungsweise 3,8 Sternchen eines Online-Buchhändlers, der mindestens zu böse ist wie das Schwarze Eis ;-)
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