Aprilscherze sind eine feine Angelegenheit und auch im Rollenspielbereich mittlerweile üblich. Manche davon werden, meist weil der Zuspruch der Veräppelten so positiv ist, dann aber doch umgesetzt. Das beste Beispiel dafür ist sicher der sexy „Orkenspalter TV“-Kalender, welcher so erfolgreich war, dass nun bald die zweite Ausgabe mit erotischen Mháire-Fotos veröffentlicht wird. Das Thema Erotik führt dann auch gleich zum nun tatsächlich veröffentlichten Aprilscherz „Rahjasutra“, einem fiktiven Liebesleitfaden in der Welt von „Das Schwarze Auge“.
In der Historie der Spielwelt wurde dieses Lehrbuch erstmals ca. 345 BF veröffentlicht und kommt nun 1039 BF als kommentierter und überarbeiteter Privatdruck eines gewissen Fran Cesco di Urbontris daher. Dieser erzählt in einer Art Rahmenhandlung davon, dass er als 15-jähriger von einer wohlhabenden und sexuell erfahrenen Frau in die Kunst der Liebe und die Regeln des „Rahjasutra“ eingeführt wurde. Diese Rahmenhandlung – wenn man die gelegentliche Tagebucheinträge denn so nennen mag – ergänzt zusammen mit anderen kurzen Fluff-Texten (etwa aus den Erinnerungen einer Haremsdame und vermeintlichen Rahjasutra-Originaltexten) die Ratgeber- und Anleitungstexte. Diese gliedern sich, wie beim ganz offensichtlich Pate gestandenen echten Kamasutra, in verschiedene Themenbereiche auf. Wobei die sexuelle Komponente hier im Vergleich zum großen Vorbild doch stark im Vordergrund steht. Es wirkt so, als hätte man den populären Teil, nämlich „Samprayogika“ (das zweite von insgesamt sieben Büchern) - das ist das Buch über den Liebesgenuss, welches man auch mal so für sich stehend in den Bahnhofsbuchläden bei der Erwachsenenliteratur findet – genommen und einfach noch ein paar mehr oder minder spannende Kapitel der anderen Bücher hinzu gepackt, damit es ein wenig mehr ist.
Das 160 Seiten starke Hardcover im handlichen „Vademecum“-Format bietet 18 Seiten über die „Grundlagen des Glaubens und der Liebe“, dann ganze 62 Seiten über „Begehren, Leidenschaft und deren Erfüllung“, weitere 24 Seiten über „Die Kunst des Werbens und seine Erfüllung“, 12 Seiten „Blüte und Welken der Liebe“, 20 Seiten „Liebe sehen, finden, gewinnen oder kaufen“ und abschließend 14 Seiten über die „Geheimlehren des Rahjasutra“. Das klingt eigentlich nach einer ganzen Menge Stoff (und das ist es auch, weil es nur wenige Bilder ins Buch geschafft haben), jedoch werden die einzelnen Kapitel mit so vielen Themen vollgestopft, dass man diese jeweils nur sehr oberflächlich behandelt. Gerade bei den Stellungen – deren Menge und teils auch Komplexität im Vergleich zum Original ziemlich eingeschränkt sind – lesen sich die Beschreibungen teils so ungenau dass man sie nur mit viel Mitdenken hinkriegt. Ich scheue mich aber nicht zuzugeben, dass ich mir die „Wendende Position“ bei aller Kreativität dank der ungenauen Anleitung absolut nicht vorstellen kann. Hier wären, wenn denn schon der Text so knapp ausfällt, wenigstens einfache Zeichnungen dringend notwendig gewesen :-( Abseits sexueller Themen bleiben die Ratschläge durchgehend auf einem sehr einfachen Niveau, wie man sie aus der „Bravo“ oder irgendeiner beliebigen Frauenzeitschrift kennen könnte... Wobei ich behaupten möchte, dass die (Sex-)Tipps irgendeiner beliebigen Frauenzeitschrift sicher weniger peinlich daherkommen. Die Sprache generell ist an das DSA-Setting angepasst, ziemlich blumig und gewollt exotisch. Wobei man dabei teilweise nicht in der selbstgewählten Beschreibung bleibt, beispielsweise wird gleich zu Beginn erklärt dass Sayrif die Bezeichnung für das männliche Glied wäre. Vollkommen in Ordnung, wenn sich nicht zwischendurch andere Bezeichnungen wie Lanze und Klinge einschmuggeln würden. Klar, man versteht was gemeint ist, aber wenn man schon explizit ein Wort festlegt sollte man das auch durchziehen.
Die begleitenden Texte, welche erotische Begebenheiten beschreiben, verbleiben leider auf dem gleichen Niveau wie die (Sex-)Tipps des Liebesratgebers. Also wie aus einer Frauenzeitschrift oder einem billigen Schmuddelheftchen. Erotisch ist dabei nichts, sondern eher plakativ und gewollt, so dass man den Eindruck hat, der Autor kenne Liebe ausschließlich von Youporn ;-) Immerhin wurde der Text gut lektoriert und mit einigen ansehnlichen Bildern verziert. Die sind teilweise tatsächlich explizit, aber mit ganz schön viel Weichzeichner und warmen Farben verkitscht. Die Druckqualität war in Ordnung, lediglich der Schnitt war auf manchen Seiten nicht ganz sauber. Für so ein Büchlein dann aber 19,95 € zu verlangen, grenzt für mich schon an Unverschämtheit. Klar, die ganzen DSA-Nerds werden es kaufen, und die Sammlerpreise gehen in ein paar Jahren durch die Decke, aber so viel Nutzlosigkeit habe ich selten zwischen zwei Buchdeckel gepresst gesehen. Was soll der durchschnittliche Rollenspieler damit eigentlich anfangen? Als Quellenbuch für „Das Schwarze Auge“ taugt das „Rahjasutra“ nur bedingt, denn wie will man das sinnvoll nutzen? Wenn es schon explizit ein DSA-Kamasutra ist, warum ist dann so wenig DSA drin? Warum nicht Tipps für den Verkehr zwischen unterschiedlichen Völkern wie Orks und Amaunir? Als Sexratgeber ist es auch nicht zu gebrauchen, weil es erstens zu ungenau beschrieben ist und zweitens der durchschnittliche Erwachsene die wenigen Stellungen eh schon alle durch hat (Vielleicht kann mir ja jemand in die Kommentare schreiben, wie zum Teufel die „Wendende Position“ funktioniert?). Möglicherweise als Beziehungs(anbahnungs)ratgeber? Naja, immerhin gibt es dann irgendwann genug Anekdoten genervter Frauen, wenn ein Leser tatsächlich diese Tipps beherzigt und versucht die Angebetete mit Berichten über seine Liebeskünste zu gewinnen oder indem er ihr Feigen schenkt und gleich noch eine davon lasziv vor ihr verspeist...
Fazit: Nein, beim besten Willen liebe DSA-Redaktion, das war ja mal absolut überhaupt nix. Wie kann man mit gutem Gewissen, außer um Geld zu verdienen, denn solch ein sinnentlehrtes und seelenloses Buch auf den Markt werfen? Ohne Mehrwert, viel zu überteuert für das Gebotene, ist das „Rahjasutra“ nicht mehr als ein schlechter Aprilscherz.