Nachdem ich gestern nun schon den Manni von der „NoReturn Developer Crew“ im Interview hatte und er von seinem Independent-Endzeit-Rollenspiel berichtete, folgt nun als zweiter Teil dieses Specials mein persönlicher Erfahrungsbericht dazu. Denn ich hatte die exklusive Gelegenheit, zusammen mit dem Entwicklerteam einen One-Shot (bzw. für die anderen Spieler war es wohl der Einstieg in eine Kampagne) zu bestreiten und mich so selbst von den Vorzügen dieses W6-Systems zu überzeugen. Dabei feierte ich zugleich eine persönliche Premiere…
Das erste Mal überhaupt spielte ich ein Rollenspiel nicht „live“ von Angesicht zu Angesicht, sondern über Internet. Die sprachliche Kommunikation lief über „Teamspeak“, das eigentliche Spiel über die recht bekannte Plattform Roll20 (Link). Dank einer dorthinein programmierten „NoReturn“-Würfelapplikation konnte ich auch nicht schummeln ;-) Trotzdem habe ich überraschend gut gewürfelt – Aber beginnen wir mal von vorn!
Der Abend startete mit einer kleinen Einführung von Manni, der mir noch einmal genauer das Setting und die Regeln erklärte. Außerdem individualisierten wir meinen vorgefertigten Charakter etwas. Im Endeffekt war ich ein kleptomanisch veranlagter, durchschnittlich talentierter, herzloser Endzeit-Überlebender mit Kybernetik-Arm namens Eugen. Die Charaktererschaffung ging übrigens recht fix und lässt genug Freiräume für das eigene Charakterkonzept. Der (noch vorläufige) zweiseitige DIN-A4-Charakterbogen war übersichtlich gestaltet und optisch passend. Es konnte also losgehen!
Wir waren eine Gruppe aus vier Einzelkämpfern (die sich allerdings nicht kannten) in der dystopischen Zukunft des Jahres 5407, die alle Kunden in Raffaels Waffenladen in New Jersey waren. Raffael verkaufte aber eben nicht nur Waffen, sondern auch Informationen. Und diesmal hatte er einen Auftrag parat: Rettet gemeinsam das Mädchen Daria und kassiert dafür eine dicke Belohnung! Wobei, aufmerksame Leser werden es schon festgestellt haben, es natürlich schwierig ist gemeinsam einen Auftrag zu absolvieren, wenn man sich nicht kennt und eigentlich auch gar nicht weiß, mit wem man es zu tun hat. Aber hey, wir sind ja alle Endzeit-erprobte Improvisationsexperten :-) Den Auftrag ausführen sollten wir bei einem Streetfight in einem verlassenen Parkhaus im schlimmsten Viertel der Stadt.
21 Uhr, leichter Regen prasselte auf die Stadt herab, als mein Charakter einige hundert Meter vom Zielpunkt entfernt aus seinem PickUp-Truck stieg und ihn ein wenig abtarnte (wie gesagt, die schlimmste Gegnend, nicht dass da noch einer was klauen will). Dann ging es zu Fuß hin, vorbei am Türsteher (der sich mit ein paar $ bestechen ließ und so freundlicherweise auch meine Schrotflinte übersah) und ein paar Etagen hoch bis zur Kampfarena.
Die war noch im Aufbau, sodass mein Charakter Eugen Zeit hatte, sich ein wenig umzuschauen und herauszufinden, wer meine Teammitglieder waren und wo eigentlich Daria steckte. Wie im echten Leben ging es erstmal zum Bierwagen, wo (m)ich Rain anbaggerte: Die überaus hässliche Rattenfrau schien ein wenig notgeil und so ließ ich mich zu einem charmanten (meine zufällig mithörende Freundin bezeichnete es hinterher eher als ziemlich plumpen ;-)) Wortwechsel und einer Einladung auf ein Bierchen hinreißen - Zugegeben, da ich die „NoReturn“-Welt noch nicht kenne, wusste ich nicht ob es normal oder geächtet ist sich an mutierte Rattenfrauen ranzumachen :-P Jedenfalls bekam ich dann ihre Telefonnummer und das Angebot, ich könne ja bei ihr übernachten :-D
Nun waren einige Minuten vergangen und es kam Bewegung in die Szenerie. Der örtliche Gangboss gab sich die Ehre und trat mit einer ganzen Eskorte auf. Gleichzeitig fand unsere Spielergruppe zusammen und machte sich nun gemeinsam auf die Suche nach Daria. Nach einigem Hin und Her war es schließlich der Gangerboss, der die Information über Darias Verbleib gegen den Zettel mit der Rattenfrau-Telefonnummer eintauschte (offensichtlich sind Rattenfrauen doch sehr begehrt!).
Mit der Informationen konnten wir Daria also ziemlich rausch ausfindig machen. Sie erfreute sich zwar einerseits bester Gesundheit, andererseits war sie aber gerade im wahrsten Sinne des Wortes an der kurzen Leine eines mehr als schmierigen Typen gehalten. Also war es Zeit für Teamwork: Einer der Spieler lenkte den Typen ab („Hey, na kennst du mich noch? Wir haben doch mal XYZ…") , die anderen beiden Spieler versuchten die Leine bzw. das Halsband von Daria zu entfernen. Ich stand genau zwischendrin als „Notfallplan“ – Würde der schmierige Typ den Befreiungsversuch bemerken, würde meine kybernetische Faust ihn K.O. schlagen. Der Befreiungsversuch gelang, doch im letzten Moment wurde Dalias Flucht doch bemerkt – Zack, hatte er meine Faust im Gesicht. Nebenbei bemerkt: So ein kybernetischer Arm ist doch kräftiger als gedacht (bzw. ich würfelte einfach viel zu gut), sodass von dem Gesicht nur noch ein roter Klumpen übrig blieb… OK, immerhin haben wir es gewaltlos versucht, nur der gute Wille zählt ;-)
Mit Daria im Schlepptau war es nun unser Ziel, möglichst rasch zu verschwinden. Die anderen Streetfight-Besucher hielten uns nicht auf, aber just in diesem Moment versuchten Sicherheitskräfte eine Razzia zu starten. Ein riesiger Truppentransportflieger landete auf dem Dach und setzte eine Gruppe schwer bewaffneter Polizisten ab. Unser Team lief also die Etagen abwärts, doch auch von unten näherte sich ein gegnerisches Dutzend. Wir warfen ein paar Splitter- und Rauchgranaten hinab, um Verwirrung zu stiften, und kletterten dann den Fahrstuhlschacht hinauf aufs Dach. Hier eine kurze Zwischenfrage: Wenn jemand von draußen an die Fahrstuhltür klopft, was sollte man dann auf der Flucht niemals machen? Genau, zurückklopfen. Hab ich dummerweise aber gemacht, da ich dachte es handele sich um andere Flüchtlinge. Daraufhin wurden Löcher in die Tür geschlagen und Polizisten-Hände griffen nach uns. Wir konnten uns aber grad so aufs Dach retten.
Dort oben stand der gelandete Transportflieger. Da die herausgestürmten Polizisten schon in das Gebäude vorgedrungen waren, wurde er nur von dem (trotzdem stark bewaffneten) Piloten bewacht. Den überwältigten wir und ich versuchte das Ding in die Luft zu kriegen! Zu meiner Überraschung (und zur Überraschung des Spielleiters, der uns eigentlich klettern oder springen lassen wollte :-P ) schaffte ich aber den Flieger in die Luft zu bekommen und umflog etwas wackelig das Gebäude, während die Kollegen die Bewaffnung bedienten und das Parkhaus einäscherten.
Ein wenig unsanft landeten wir dann neben meinem versteckten PickUp-Truck. Schnell noch den Flieger geplündert (Hightech-Sturmgewehre für jeden!), dann raus aus dem Flieger und rein in den PickUp. Ich drückte im Cockpit noch schnell ein paar Knöpfe und zog an ein paar Hebeln, bevor ich absprang – Der leere Flieger erhob sich von allein hunderte Meter in die Luft, trudelte vor sich hin und stürzte vielleicht einen halben Kilometer entfernt ab. Das sollte eigentlich zur Ablenkung genügen!
So konnten wir uns dann unserer geretteten Daria widmen. Die freute sich natürlich sehr über ihre Rettung und deutete an, dass sie noch Großes mit unserer Gruppe vorhätte. Ihr ganzer Körper war mit einer Landkarte tätowiert, auf der spezielle Lager gekennzeichnet waren. In ein solches wollte sie nun mit unserer Hilfe eindringen – Na klar doch, gerne stürzten wir uns ins Abenteuer!
Aber nicht mehr an diesem Abend, denn damit war der One-Shot für mich beendet. Bekommen habe ich dafür 6 Erfahrungspunkte und 2 Chaospunkte.
Ich muss sagen, ich hatte wirklich sehr viel Spaß und freue mich darauf irgendwann wieder ins Endzeit-New Jersey zurückzukehren. Die Bildung der Würfel-Pools gelang recht einfach (meist zwischen 4 und 6 Würfeln, selten mehr/weniger bei meinem Standard-Charakter) und die Proben gingen einfach von der Hand. Auch das, in dieser Mission etwas an „Shadowrun“ erinnernde, Endzeitszenario mit den mutierten Tiermenschen und Gangherrschaften gefiel mir sehr.
Um es kurz zu machen: Ein richtig gutes Spiel! Hier noch ein exklusives Bild vom Beta-Regelbuch:
Wer nun Interesse an dem Spiel gefunden hat, den verweise ich auf die gerade in Arbeit befindliche Webseite (Link)oder die Facebook-Seite (Link). Dort gibt es neben Spielinfos auch viele wirklich sehenswerte Konzeptzeichnungen zu bewundern, reinschauen lohnt sich also! Im Zuge dessen möchte ich auch noch auf den (Jung-)Autorenwettbewerb (Link) hinweisen.