Bisher habe ich eigentlich immer voller Stolz behauptet, dass ich Solo-Spielbücher recht zügig und erfolgreich durchspiele - Egal ob „Legatin des Bösen“, „Das Feuer des Mondes“, „Reiter der schwarzen Sonne“ oder die „ABOREA: Der dunkle Fürst“-Trilogie. „Die Welt der 1000 Abenteuer: In den Fängen der Seehexe“, erschienen beim Spielbuchspezialisten „Mantikore Verlag“, hat mich nun Demut gelehrt. Und mir gleichzeitig gezeigt, dass die anderen hier in der Einleitung genannten Titel wesentlich bessere Vertreter ihres Genres sind :-( Ein Verriss kommt bei mir wirklich selten vor, aber diesmal kann ich einfach nicht anders! Die Handlung ist rasch erklärt: Die böse Seehexe hat die Prinzessin von Corallia in ihren Unterwasser-Palast entführt. Der Spieler soll, dank eines Wasseratmungszaubers, nun in die Tiefen des Ozeans hinabsteigen und die holde Maid retten. Dabei kommen ihm aber allerlei tödliche Fallen und kampfstarke Meeresbewohner in die Quere, außerdem gilt es einige knackige Rätsel zu lösen. Die Spielmechanik ist selbst für Spielbuchverhältnisse wirklich sehr simpel geraten. Kommt es zu Proben oder Kämpfen, entscheidet der pure Zufall ob man die Probe bzw. den Kampf schafft oder ob man stirbt (denn das ist die stete Konsequenz eines erfolglosen Zufallsereignissen). Spielmechanisch funktioniert dies folgendermaßen: Bei Kämpfen stehen verschiedene Buchstaben-Zahlen-Kürzel zu Wahl, welche entsprechend einen sofortigen Gewinn, einen sofortigen Tod oder eine neue Kampfrunde (also neue Kürzelwahl) bedeuten. Mit nichts, weder Ausrüstung oder noch Talenten (von denen man sich eines zu Spielbeginn aussuchen kann), kann man auf den Kampfausgang Einfluss nehmen – Es sei denn, man betrügt und merkt sich die 7 von 40 siegreichen Buchstaben-Zahlen-Kombinationen. Ebenso zufällig und tödlich sind die Schicksalsbefragungen (Proben), welche ermitteln ob man z.B. gegen eine Strömung anschwimmen oder sich aus einer Fesselung befreien kann. Man tippt blind auf eine Seite voller Runen, und hat man die „richtige“ Rune angetippt geht es weiter. Einmal die falsche Rune angetippt, schon ist man sofort oder drei Abschnitte später tot. Immerhin, einige wenige Schicksalsbefragungen kann man mit dem richtigen Talent umgehen, sodass man seinen Tod ein wenig hinauszögert… Vermutlich ist dem geneigten Leser schon aufgefallen, dass ich in dieser Rezension bisher sehr oft das Wort Tod (oder tot oder tödlich) verwendet habe. Dies ist dem Abenteuerdesign geschuldet, das einerseits darauf ausgelegt ist genau einem vorgegebenen Weg zu folgen, andererseits aber erwartet dass man verschiedene Wege geht um notwenige Informationen für Rätsel zu erlangen. Das führt dann soweit ins Absurde, dass man die Seehexe auf dem falschen Wege besiegen kann, dann aber in einer tödlichen Endlosschleife gefangen ist :-( Dieses überaus frustrierende Abenteuerdesign ist für mich umso betrüblicher, da der Rest des Buches doch zu gefallen weiß: Die Zeichnungen sind sehr stimmig und die Unterwasserwelt mit all ihren spannenden Bewohnern wird atmosphärisch beschrieben. Und auch wenn die Handlung sehr simpel ist und kaum Interaktion mit Nichtspielercharakteren stattfindet (außer mit Monstern und Gegnern natürlich, aber die wollen nicht reden, sondern töten ;-)), finden sich doch einige kurze, erzählerische Highlights. Diese Unterwasserwelt hat so viel Potential, da hätte man aus den 300 Abschnitten so viel mehr rausholen können. Auch an der Druckqualität des 280 Seiten starken Taschenbuches, publiziert vom „Mantikore Verlag“ (welcher mir in mutiger Weise ein Rezensionsexemplar zur Verfügung stellte), gibt es nichts zu meckern. Trotz des günstigen Preises von 9,95 € will ich für dieses frustrierende Machwerk allerdings keine Kaufempfehlung geben. Für Niemanden! Fazit: Während ich diese Rezension schreibe, schüttele ich die ganze Zeit mit dem Kopf. Ich bin ein wenig erschrocken, dass dieses Buch in dieser Form veröffentlicht wurde. Und ich frage mich, wer so etwas überhaupt kaufen soll, wo doch der gleiche Verlag so viele so viel bessere Spielbücher im Portfolio hat? Erfahrene Spieler jedenfalls nicht, denn die schütteln sicher genau wie ich nur fassungslos den Kopf. Und junge Spieler (immerhin empfohlenes Alter „ab 10“, zudem einfache Sprache und einfache Regeln) werden von diesem Buch so schnell frustriert sein, dass sie sich im schlimmsten Fall ganz vom Hobby (Solo-)Rollenspiel abwenden. Außerdem ist mindestens die Folterszene nicht für Zehnjährige geeignet :-(