"Es ist jetzt kein großes Geheimnis dass ich, obschon eigentlich ein fröhlicher Mensch, zum Lachen in den Keller gehe ;-) Naja, zumindest reicht der meiste Humor nur dazu meine Mundwinkel ganz dezent nach oben zu ziehen. Wenn es also ein Kartenspiel schafft, dass ich Tränen lachend auf dem Fließentisch liege, dann muss es schon extrem witzig sein." - Mit diesen Worten leitete ich die Vorab-Rezension (Link) zum per Kickstarter finanzierten Kartenspiel "Kampf gegen das Spießertum" (Link) ein. Mittlerweile ist die Hälfte der Finanzierungsphase rum, bisher kamen schon rund 60 % der erforderlichen Summe zusammen. Nun ist also der ideale Moment, um mit der Entwicklerin Angela Vögtli über das Spiel, dessen Übersetzung sowie das Crowdfunding zu sprechen :-) Hallo Angela. Stell Dich doch bitte erstmal den Lesern vor.
"Gerne doch. Meinen Vornamen hast du ja bereits verraten. Mein Nachname ist Vögtli – bei uns in der Schweiz verniedlichen wir sogar die Nachnamen. Ich habe 33 Jahre auf dem Buckel und bin seit sieben Jahren als selbstständige Grafikdesignerin unter dem Alias Pixelqueen in Luzern tätig."
Wie kamst Du überhaupt zum Hobby?
"Ich bin ohne Fernseher, dafür mit vielen Brett- und Kartenspielen aufgewachsen. Das Spielen wurde mir also sozusagen in die Wiege gelegt. Inzwischen spiele ich auch bereits seit 10 Jahren in unserem kleinen Brettspiel-Verein (mit etwa 30 Nasen) und habe selbst eine kleine Sammlung mit etwa 100 Brettspielen angehäuft. Mein Allzeit-Lieblingsspiel ist wohl "Funkenschlag". "Captain Sonar" feiere ich auch grad recht stark!"
Wie kam es, dass Du Spieleautorin wurdest?
"Ich habe mir amerikanischen Freunden „Cards against Humanity“ gespielt und fand vieles schlicht nicht lustig, weil ich keinen Bezug dazu hatte. Deshalb hab ich mit Freunden für den Eigengebrauch eine Schweizer Version des Spiels getextet. Diese begleitete mich dann an diverse Partys und ist immer super angekommen. Nach diversen Anfragen, wo man das Spiel den kaufen könne, habe ich entschlossen, es mit einer Kickstarter-Kampagne zu versuchen – außer meiner Zeit hatte ich ja nichts zu verlieren. Die Kampagne war erfolgreich – so ist das Schweizer Partyspiel „Kampf gegen das Bünzlitum“ entstanden."
Gerade crowdfundet ihr "Kampf gegen das Spießertum". Magst Du das Spiel bitte vorstellen?
"Es handelt sich dabei um ein Partyspiel für bis zu 10 Fieslinge mit sehr schwarzem Humor. Das Spiel besteht aus 150 Frage- und 450-Antwortkarten. Die Regeln sind sehr simpel (und auch im betrunkenen Zustand noch verständlich): Einer aus der Runde liest eine Fragekarte vor und jeder Mitspieler wählt aus seiner Hand (8 Karten) die absurdeste/lustigste Antwort aus. Jener Spieler, der die Fragekarte vorgelesen hat, entscheidet, welche Antwortkarte die lustigste ist."
Ich habe nun öfters gelesen, dass es ein Plagiat von "Cards against Humanity" wäre. Kannst Du diesen Vorwurf entkräften?
"Jein. Ganz entkräften kann und will ich ihn nicht – das Spielprinzip ist tatsächlich dasselbe. An dieser Stelle muss ich aber kurz erklären, dass "Cards against Humanity" selbst auch schon ein Plagiat ist – zuvor gab es bereits „Wie ich die Welt sehe“, welches wiederum ein Plagiat von „Apples to Apples“ ist. Das Spielprinzip ist relativ naheliegend und nicht geschützt. Beim Inhalt haben wir uns jedoch an keinem der existierenden Spiele orientiert, sondern alle 600 Karten selbst verfasst – brandaktuell und mit vielen deutschen Themen/Personen gespickt."
Kein Geheimnis ist, dass es sich dabei um die lokalisierte Version des schweizerischen „Kampf gegen das Bünzlitum“ handelt. Wie viele der Karten mussten durch deutsche Begriffe ersetzt werden, wie viele konnte man direkt von der schweizer Version übernehmen?
"Wir haben etwas mehr als 150 Karten ersetzt."
Gibt es eigentlich Unterschiede zwischen deutschem und schweizer Humor?
"Deutsche haben gemäss meinen Erfahrungen etwas Hemmungen, über ihre Nazi-Vergangenheit zu lachen. Wir haben uns überlegt, ob wir diese Thematik auslassen möchten, uns jedoch bewusst dagegen entschieden. Entweder wir machen uns über alles lustig, oder gar nicht."
Wer ist noch alles an dem Spiel beteiligt?
"Jérôme Schwarzkopf – der momentan grad noch um die Welt bummelt – ist Mitinhaber der neu gegründeten Firma „Kampfhummel Spiele GmbH“. Er ist für Poduktion, Administration, Logistik und Vertrieb zuständig. Und dann haben wir noch ein tolles Texter-Team (Ueli Isch, Jaron Pelters, Xaver Malkus), die mich beim adaptieren der Karten für Deutschland unterstützt haben."
Zur Finanzierung habt ihr ein Crowdfunding (Link) gestartet. Kannst Du dazu etwas sagen?
"Die Kampagne dauert noch bis zum 15. September 2017. Bisher haben wir 56% unseres Ziels (CHF 20’000.–) erreicht. Wir haben eine grosse Bandbreite an möglichen Unterstützungsbeiträgen: von CHF 5.– (PDF zum selber basteln), über CHF 36.– (ein Spiel) bis CHF 2000.– (das Team kommt dich in deiner Stammkneipe besuchen und zockt mit dir einen Abend lang). Stretchgoals (Autoaufkleber, zusätzliche Karten) haben wir natürlich auch – aber wir sind natürlich schon mehr als happy, wenn wir überhaupt unser Ziel erreichen."
Warum einen Kickstarter? Und wenn, und ich will es nicht hoffen, es nicht klappt, wie geht es dann weiter?
"Ich habe bei der Schweizer Version positive Erfahrungen mit Kickstarter gemacht. Zum einen minimiert es natürlich das finanzielle Risiko, zum anderen ist es auch ein tolles Marketing-Instrument (viele Spiele-Interessierte stöbern regelmäßig auf Kickstarter). Wir hoffen natürlich auch, dass es klappt. Eine kleine Auflage würden wir wohl aber auch sonst drucken. Die wäre dann halt teurer, wegen der höheren Produktionskosten."
Zuletzt: Hast Du für andere Spieleentwickler ein paar Tipps & Tricks?
"Ganz wichtig ist, viel Zeit fürs Testing einzuplanen und auch immer wieder mit anderen Leuten zu testen (auch außerhalb des Freundeskreises, z.B. an Spielmessen). Dann gibt es noch eine hilfreiche Facebook-Gruppe (Link) für Spiele-Entwickler. Dort können Konzepte diskutiert oder Tipps bezüglich Produktion ausgetauscht werden."
Ich danke Dir für das Interview und wünsche viel Erfolg beim Crowdfunding (Link) :-D
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