Der erfolgreiche Spielbuchautor Joe Dever (über 10.000.000 verkaufte Exemplare in über 30 Ländern) ist leider Ende letzten Jahres verstorben – Doch sein Vermächtnis lebt weiter! Aktuell in Form der vom Spielbuch-Spezialisten „Mantikore Verlag“ veröffentlichten Reihe „Die neuen Kai-Krieger“. Wie schon im von mir gelobten Vorgänger „Die Jagd nach dem Mondstein“ (Link) ist auch wieder ein Bonus-Abenteuer aus deutscher Feder enthalten – Mal schauen, ob auch diesmal die Schüler den Meister schlagen werden ;-) „Die Piraten von Shadaki“ schließt direkt an „Die Jagd nach dem Mondstein“ an. Daher ist es erlaubt den vorherigen Charakter mit all seinen Werten und Ausrüstungsgegenständen zu übernehmen. Da er bei seinen Abenteuern im vorherigen Band auch schon Erfahrung gesammelt hat (+1 Kampfstärke, +2 Ausdauer, +1 Großmeister-Disziplin), wird der Folgeband durch die Übernahme etwas einfacher – Dies ist allerdings kein Muss, denn ich habe meinen Kai-Krieger „Treuer Tänzer“ zwischenzeitlich verbummelt, kam letztendlich aber trotzdem ganz gut durch ;-) Denn natürlich kann man sich auch wieder einen eigenen Charakter basteln: Man würfelt mittels W10 seine Kampfstärke und seine Ausdauer aus, wählt dazu noch Großmeister-Disziplinen und Groß-Waffenmeisterschaften. Dann schnappt man sich noch etwas Ausrüstung und erwürfelt seine Waffe und das Startvermögen. Und wer, wie ich, nicht sonderlich kreativ ist, darf den W10 auch über den Namen entscheiden lassen. Übrigens: Wer keinen W10 zur Hand hat kann auch die Zufallstabelle am Buchende antippen :-) Das Spielbuch-Spielprinzip sollte den meisten Lesern bekannt sein: Anstatt das Buch stur von vorn nach hinten durchzulesen, darf man stattdessen an vielen Stellen verschiedene Handlungsoptionen wählen. Je nachdem, welche man nimmt, setzt man die Geschichte dann an einem anderen Abschnitt im Buch fort und erlebt andere Abenteuer. So kann man beispielsweise andere Wege einschlagen, andere Informationen erhalten oder aber Kämpfe umgehen. Kommt es dann aber doch mal zu einem Kampf, verrechnet man die eigene Kampfstärke (+ eventueller Boni) mit der Kampfstärke des Gegners. Die bestimmt den Kampfquotient, welcher die Stärke eines Angriffs darstellt. Beispielsweise, wenn „Treuer Tänzer“ gegen einen gegnerischen Handlanger einen Kampfquotient von +2 hat, dann verliert der Gegner bei einer gewürfelten 1 (dem schlechtesten Ergebnis) immerhin 4 Ausdauerpunkte, man selber aber 5. Bei einer gewürfelten 5 sieht es schon erfreulicher aus: Der Gegner verliert 8, man selber nur 2 Ausdauerpunkte. Beim bestmöglichen Ergebnis, der 10, verliert man selber nix, der Gegner aber 14 Ausdauerpunkte. Je größer der Kampfquotient ist, egal ob positiv oder negativ, umso dramatischer werden die Schäden: Bei +11 reicht schon eine gewürfelte 8 für den sofortigen Tod des Gegners, umgekehrt hat man bei -11 schon bei einem Würfelergebnis von 2 das Spielbuch vorzeitig mit dem Heldentod beendet. Außerdem gibt es gelegentliche Abschnitte, in denen ein Zufallswurf das weitere Schicksal bestimmt - Das gehört zwar zur Reihe dazu, ist meiner Meinung nach aber der größte spielerische Kritikpunkt, da man keine Einflussmöglichkeit (außer Schummeln ;-)) hat. Die Regeln verstanden? Okay, dann kann es losgehen: Der Mondstein (ein unfassbar mächtiges, magisches Artefakt, welches dem Fantasy-Reich Sommerlund Sicherheit brachte und nebenbei auch noch das Gras grüner machte ;-)) soll zurück zu seinen Schöpfern, da dadurch das Gleichgewicht der Welt verändert wird. Außerdem haben finstere Mächte ihre Fühler danach ausgesteckt, sodass es zu gefährlich wäre den weltbekannten Spielbuch-Helden „Einsamer Wolf“ mit dieser Geheimmission zu beauftragen. Stattdessen muss nun sein unbekannter Schüler „Treuer Tänzer“ (also der Spieler) ran, während er mit einer Mondstein-Kopie ein Ablenkungsmanöver startet. Dabei ist der Protagonist allerdings schon mit einer ganzen Reihe an hervorragenden Fähigkeiten und Meisterschaften ausgestattet – Eine schöne Abwechslung zu den meisten anderen Spielbüchern, wo man als absoluter Anfänger ins Abenteuer geworfen wird :-) Natürlich geht die Reise nicht glatt, sondern „Treuer Tänzer“ nimmt so ziemlich alles an Problemen mit, was geht :-P In „Die Piraten von Shadaki“ spielt man nun den zweiten Teil der Reise nach, welche durch die Meere und Landstriche des südlichen Magnamunds führt. Hier wimmelt es nur so vor Piraten, aber auch eifersüchtige Herrscher und verzauberte Drachen stellen sich in den Weg. Dabei wird dieser Weg, wie schon im ersten Teil, als Reiseabenteuer sehr episodisch erzählt: Man kommt irgendwo hin, erlebt dort ein oder zwei kurze Abenteuer oder Kämpfe, dann reist man schon zum nächsten Ort weiter. Das ist zwar wieder durchaus unterhaltsam, bietet aber keine klassische Spannungskurve und keine epische Handlung – Stattdessen lebt das 350 Abschnitte umfassende Spielbuch von der oft zwar nur kurzen, aber sehr bildhaften Beschreibung der Orte und Personen, auf die man trifft. Das Bonusabenteuer trägt den Namen „Die Hexen von Shadaki“ und wurde von Vincent Lazzari und dem preisgekrönten Spielbuchautoren Alexander Kühnert (den SILBERNEN STEPHAN 2016 für das „Einsamer Wolf“-Spielbuch „Die Jünger der Finsternis“ (Link)) verfasst. In diesem 150 Abschnitte umfassenden Abenteuer muss man als Hexenschülerin die Stadt vor magischen Attentätern und später vor einem Großangriff retten, zudem wird der wichtigste Stadtverteidiger „Silberstern“ vermisst. Nun klingen 150 Abschnitte eigentlich recht kurz, doch diese sind von der Beschreibung her wesentlich umfangreicher und nehmen rund 40 % des 560 Seiten starken Taschenbuches ein (wieso der „Mantikore Verlag“, welcher mir dankenswerterweise ein Rezensionsexemplar zukommen lies, nur von 400 Seiten schreibt, ist mir ein Rätsel?). Sprachlich nehmen sich das Hauptabenteuer sowie dieser Bonus nichts, wie schon in „Die Jünger der Finsternis“ schafft es Alexander Kühnert (Link) gekonnt den Sprachstil von Joe Dever zu imitieren. Auch spielerisch ist das Niveau ähnlich, wobei ich dieses Bonusabenteuer einen Zacken tödlicher fand. Wirklich absetzen kann sich „Die Hexen von Shadaki“ gegenüber „Die Piraten von Shadaki“ durch die interessantere Story rund um Magie-Terror und die Schuld der Vergangenheit – Klar, ab einem gewissen Punkt ist der große Final-Schocker absehbar, aber gegenüber einem episodischen Reiseabenteuer gewinnt man damit locker ;-) Beide Abenteuer glänzen mit einer stimmigen und gut lektorierten Beschreibung der Schauplätze, wenn auch manche Abschnitt-Übergänge leicht holprig sind. Die Illustrationen und Vignetten sind auch wieder sehr gefällig, sodass man den Preis von 14,95 € für das 560 Seiten starke Taschenbuch ohne Bedenken zahlen kann. Darum fällt das Fazit auch wieder positiv aus: Wie schon der Vorgängerband bietet „Einsamer Wolf: Die Piraten von Shadaki“ (Link) eine ganze Menge Spielbuch-Spaß. Und wie schon beim Vorgänger schlagen die Schüler den Meister, denn das Bonusabenteuer ist halt einfach wieder besser :-P