Jörg Benne, dessen aktuelles Werk "Legenden von Nuareth: Die Stunde der Helden" (Link) dank gutem Schreibstil und "realistischem" Fantasy-Setting bei mir durchaus Lob und Zuspruch fand (verdiente 80 %), wurde als passionierter Rollenspieler natürlich sofort zum Interview gebeten ;-) Hier spricht er nicht nur über seine Rollenspiel-Vergangenheit und literarische Zukunftspläne, sondern verrät auch Details zu seinem ersten Solo-Spielbuch, welches bereits einen großen Szene-Verlag zur Veröffentlichung gefunden hat :-) Hallo Jörg, stell Dich doch bitte mal den Lesern vor.
"Hallo Philipp. Ich bin Jörg Benne, 41 Jahre alt, gelernter Informatiker aber mittlerweile Hausmann und schreibe seit meiner Jugend Fantasy. Nach ein paar Kurzgeschichten klappte es 2012 mit meiner ersten Roman-Veröffentlichung, die Trilogie „Das Schicksal der Paladine“ erschien im "Koios Verlag". Mittlerweile habe ich fünf Romane veröffentlicht, Nummer 6 ist gerade beim "Prometheus-Verlag" in Vorbereitung und Nummer 7 in Arbeit."
Wie kamst Du zur Phantastik und wie verlief Deine Rollenspiel-Karriere?
"Ich habe zwei deutlich ältere Schwestern und die lasen irgendwann als ich in der Grundschule war „Der Herr der Ringe.“ Das Buch war mir natürlich in dem Alter zu anstrengend, aber ich fand die große Mittelerde-Karte total faszinierend und habe sie mir immer wieder ausgeliehen und mir eigene Abenteuer ausgedacht. So war die Begeisterung für Fantasy entfacht. Welches Buch ich dann als erstes gelesen habe, weiß ich allerdings nicht mehr. In der siebten Klasse schenkte mir meine Schwester dann "Einsamer Wolf 1", das war mein Einstieg ins Rollenspiel. Ein Jahr später kam dann "Das Schwarze Auge" heraus und infizierte meinen Freundeskreis mit dem Pen&Paper-Virus. Der hielt dann ein paar Jahre an, neben DSA spielten wir noch "Traveller" und MERS, dann zerstreute sich mein Freundeskreis und während meiner Studienzeit, habe ich nur noch gelegentlich gespielt und als ich berufstätig und dann auch noch Vater wurde, habe ich es ganz aufgegeben."
War dann der nächste logische Schritt, dass Du Autor wurdest, oder hattest Du noch kreative Zwischenstationen?
"Schon in der Grundschule habe ich Pumuckl-Geschichten geschrieben, die in meiner Klasse vorgelesen wurden. Es folgten TKKG-Abwandlungen und später Geschichten für selbstprogrammierte Text-Adventures auf dem Atari ST. Auf Basis einer dieser Geschichten habe ich mit Anfang 20 meinen ersten Roman vollendet. Dann gab es durch Beruf, Kinder und mein Onlinemagazin GameCaptain.de, das damals meine ganze Freizeit fraß, eine Pause. Als meine Frau und ich entschieden, dass sie arbeiten geht und ich zuhause bei den Kindern bleibe, fing ich mit dem Schreiben wieder an. Teil 1 von „Das Schicksal der Paladine“ wurde schon 2009 fertig."
Deine Romane und Kurzgeschichten, allen voran die "Das Schicksal der Paladine"-Trilogie und das kürzlich von mir durchaus lobend rezensierte "Die Stunde der Helden", spielen in der Fantasy-Welt Nuareth. Stell sie dem Leser bitte mal vor.
"Nuareth entstand ursprünglich auch für ein Computerspiel und meinen ersten Roman. Damals war es noch eine Welt mit Elfen, Orks und so weiter. Als dann die Völkerromane um „Die Zwerge“, „Die Elfen“ kamen, fand ich es nicht mehr so spannend, von Völkern zu erzählen, von denen die Leser durch so viele Bücher und nicht zuletzt die Herr der Ringe-Filme schon ein festes Bild im Kopf haben. Also erschuf ich eigene Völker wie die Vanamiri (Vogelmenschen) oder griff auf weniger gängige wie Gnome oder Oger zurück, die noch nicht so auserzählt sind. Davon ab ist Nuareth eine typische, mittelalterlich angehauchte Fantasywelt mit Magie und Fabelwesen."
Wie hat sich diese Welt entwickelt und (wie) wird sie sich weiterentwickeln? War sie schon immer so düster?
"Was ich an Tolkien faszinierend finde, ist, dass man bei ihm immer das Gefühl hat, man könne ihn nach jedem Ort und jeder Person fragen und er hätte dazu eine Geschichte parat. Das macht Mittelerde so lebendig, während viele andere Welten, die nur für einen Roman erdacht wurden, manchmal wie Potemkinsche Dörfer wirken, wo nur die Orte und Personen einen Hintergrund haben, die für die Handlung wichtig sind. Nun bin ich kein Mythen-Fan wie Tolkien und eigene Sprachen, Lieder und Gedichte mag ich mir auch nicht ausdenken. Aber ich wollte auch eine lebendige Welt und deshalb habe ich bislang all meine Fantasy-Geschichten in Nuareth angesiedelt. So gibt es für den Leser immer wieder Neues, aber auch Bekanntes, sodass er sich vielleicht ein bisschen zu Hause fühlt, wenn er weitere Romane liest. In den letzten Jahren bin ich sehr von grimmiger Fantasy beeinflusst worden, wie sie z.B. Abercrombie oder Sapkowski schreiben, deren dreckige Welten viele Grauschattierungen haben. Ich denke deshalb hat Nuareth einen eher düsteren Touch."
Zurück zu den Romanen: Magst Du dem Leser mal einen kurzen Überblick über die Handlung und die Charaktere geben?
"„Das Schicksal der Paladine“ ist eine All-Ager-Trilogie, in der Tristan, ein ganz normaler Junge aus Berlin, durch ein Weltentor von der Erde nach Nuareth kommt. Alle Menschen von der Erde haben in Nuareth besondere Kräfte und sorgen als Paladine für Recht und Ordnung. So auch Tristans Vater, von dem der Junge immer dachte, er arbeite auf einer Bohrinsel und sei deshalb so selten zuhause. Nun sind aber alle Paladine verschollen und Tristan bricht nach Nuareth auf, um seinen Vater zu finden. Auch er entwickelt besondere Kräfte und gerät mitten in einen großen Konflikt, in dem er – als letzter verbliebener Paladin - wider Willen eine Führungsrolle übernehmen muss, die ihn ziemlich überfordert. Die Idee bei dieser Trilogie war, den Leser die neue Welt mit den Augen eines Mitmenschen kennenlernen zu lassen. „Die Stunde der Helden“ ist ein eher charaktertentrierter, in sich geschlossener Roman, in dem es um den Begriff „Held“ geht. Ein Schreiber, der unter Helden „selbstlose Kämpfer für die gute Sache“ versteht, trifft auf drei Abenteurer, die in der Gegend als „Helden“ gefeiert werden, obwohl sie nichts weiter als Söldner sind, die gegen Geld kleine Aufträge erledigen und dabei wenig heldenhaft auf ihrer Belohnung beharren und auf Himmelfahrtskommandos keine Lust haben. Ganz so wie die klassische Rollenspieler-Truppe, die ja z.B. bei DSA-Abenteuern auch immer „Helden“ genannt werden, obwohl die Spieler ja eigentlich nur für Geld, Gegenstände und Erfahrungspunkte kämpfen und nicht unbedingt für die gute Sache. Die Geschichte beginnt eher witzig, spielt mit Rollenspiel-Klischees und wird dann eher düster, während Stück für Stück das idealistische Weltbild des Schreibers in die Brüche geht. Dazu habe ich noch ein Kinderbuch namens „Der Wisperwald“ veröffentlicht, das nach einem Intermezzo bei einem Verlag mittlerweile via Selfpublishing als eBook erhältlich ist."
Was zeichnet Deine Romane aus und was würdest Du ganz selbstkritisch heute anders schreiben? Und wie wirken sich diese Erkenntnisse auf Dein zukünftiges Schaffen aus?
"Wichtig ist mir, das meine Figuren realistisch sind, Fehler machen und nicht mal eben im Vorbeigehen zu Helden werden. Außerdem möchte ich die Schrecken des Krieges nie verharmlosen und habe deshalb auch keine Hemmungen, Hauptpersonen sterben zu lassen. Dabei übertreibe ich es manchmal, manch ein Testleser ist noch sauer auf mich, weil ich einen Liebling habe über die Klinge springen lassen. Und in einem Fall bereue ich das sogar wirklich, denn die Figur hätte das Zeug für eine eigene Geschichte gehabt. Außerdem hat sich mittlerweile erwiesen, dass es eine Schnapsidee war, in meiner Welt auf Reitechsen statt Pferde zu setzen. Als ich nun eine Geschichte im Winter ansiedeln wollte, fiel mir auf, wie problematisch das ist, Echsen sind schließlich Kaltblüter. Da mussten meine armen Recken sich dann mit Ochsen begnügen und kamen entsprechend langsam voran."
Neben den Romanen gibt es auch noch ein Nuareth-Browserspiel (Link). Magst Du auch dies bitte kurz vorstellen?
"2011 hatte ich es beinahe aufgegeben, für „Das Schicksal der Paladine“ noch einen Verlag zu finden. Damals kam das Self-Publishing auf und ich hatte vor, den Roman selbst zu veröffentlichen und durch ein kostenloses Browserspiel Marketing zu machen. Bevor das Spiel fertig war, meldete sich dann aber der "Koios Verlag" und alles kam anders, fertigprogrammiert habe ich es aber dennoch. Im Browserspiel kann jeder mehrere Charaktere erschaffen, sie auf kleine textbasierte Abenteuer (quasi Mini-Spielbücher) schicken und vor allem bei Turnieren gegen andere Spieler antreten, seine Figuren hochleven, bessere Ausrüstung kaufen usw. Das ganze ist ziemlich Old-School, leider kann man damit in Zeiten von „Clash Royale“ und Konsorten nicht mehr viele hinter dem Ofen hervorlocken, aber wer Interesse hat, kann ja mal auf www.nuareth.de reinschauen."
Reden wir über die Zukunft: Es soll bald ein neuer Nuareth-Roman kommen? Hast Du vielleicht schon einen kleinen Spoiler?
"Der kommende Einzelroman hat noch keinen endgültigen Titel. Er verbindet klassische Dungeon-Crawler-Kost mit Grusel, eine Art Fantasy-Thriller, wenn man so will. In einem entlegenen Tal finden zwei Jungen nach einem Erdrutsch den Zugang zu einem lange verschütteten Kultisten-Tempel. Sie wagen sich hinein und finden eine Münze. Am nächsten Tag ist einer der beiden samt seiner ganzen Familie verschwunden, alles deutet auf eine Entführung hin. Einige herbeigerufene Stadtgardisten, ein paar Schatzsucher und der verbliebene Junge dringen in den Tempel vor, um die Entführten zu finden. Dort lauern aber weit schlimmere Gefahren als Halsabschneider auf sie und sie müssen bald um ihr Überleben kämpfen. Der Roman ist im Moment im Lektorat und soll noch im ersten Halbjahr im "Prometheus-Verlag" erscheinen."
Schauen wir mal weit in die Zukunft: Planst Du immer in Fantasy-Nuareth zu verweilen? Oder anders gefragt, schon mal daran gedacht zu neuen Genre-Ufern aufzubrechen?
"Ich bin bereits aufgebrochen, derzeit schreibe ich für "Mantikore" ein SciFi-Spielbuch, das noch in diesem Jahr fertig werden und entweder Ende 2017 oder Anfang 2018 erscheinen soll. Davon ab habe ich auch Ideen für „normale“ Thriller, die ich gern mal ausprobieren möchte, aber was ich nach dem Spielbuch schreibe, steht noch nicht fest. Wenn Fantasy, dann aber weiter in Nuareth. Ideen habe ich genug, ob ich dieses Jahr noch einen neuen Nuareth-Roman angehe, hängt nicht zuletzt vom Erfolg des neuen ab."
Genau, was mich persönlich sehr gefreut hat als ich es erfuhr, Du arbeitest auch an einem Spielbuch. Kannst Du da schon etwas zur Story sagen? Und vielleicht zum Regelsystem?
"Das Spielbuch spielt auf einer Raumstation, auf der der Spieler mit seinem havarierten Schiff notlandet. Eigentlich erhofft er sich dort Hilfe, findet die Station aber stark beschädigt vor und wird von einem scheinbar durchgedrehten Crewmitglied angegriffen. Man muss nun herausfinden, was passiert ist und irgendwie von der Station entkommen. Dabei gibt es viele verschiedene Wege, die auch zu komplett unterschiedlichen Enden führen."
In wieweit unterscheidet sich die Entwicklung eines Spielbuches von einem klassischen Roman?
"Mein ziemlich blauäugiger Gedanke war: Als Autor muss ich mich immer entscheiden, was meine Hauptfigur macht und diesen einen Weg dann weiterverfolgen. Diesmal kann ich auch die Alternativen umsetzen. Aber das läuft dann doch ein bisschen anders. Ständig stehe ich am Ende eines Abschnitts und überlege, was der Spieler wohl machen möchte. Es gibt viele Optionen, aber nicht alle machen Sinn, denn es muss ja auch irgendwohin führen. Und vor allem muss man all die Wege am Ende auch wieder zusammenführen und dabei berücksichtigen, was unterwegs vorgefallen sein könnte. Lebt Person X mit Sicherheit noch, wenn der Spieler bei Abschnitt XY ankommt? Hat der Spieler auf jeden Fall ein Blastergewehr gefunden? Ich habe schon überlegt, mir ein Computerprogramm zu schreiben, dass mir alle möglichen Wege durchrechnet, denn bei mittlerweile über 700 Abschnitten und einem Jahr Arbeit, verliere ich allmählich den Überblick."
Und als letzte Frage: Hast Du für motivierte Nachwuchsautoren ein paar Tipps & Tricks?
"Immer am Ball bleiben und sich von vermeintlichen Schreibblockaden oder „Ach, was ich schreibe liest doch eh nie einer“-Phasen nicht unterkriegen lassen. Man sollte unbedingt seine Skripte fertigschreiben, auch wenn zwischendurch der Zweifel oder eine scheinbar bessere Idee an die Tür klopfen. Vor allem finde ich es wichtig, dass man sich ehrliche Testleser sucht. Nicht Verwandte oder den Freund/die Freundin, die einem Honig um den Bart schmieren, weil sie glauben, man wolle das hören, oder es einfach nicht über's Herz bringen, einem ehrlich die Meinung zu sagen. Man braucht harte (aber konstruktive) Kritiker, die einem klar sagen, wo die Geschichte noch verbessert werden kann und die vielleicht mit eigenen Vorschlägen dazu beitragen, dass aus dem eigenen Werk noch ein viel besseres wird."
Vielen Dank für Interview und Bildmaterial (Autorenfoto (c) Jörg Benne; Schicksal der Paladine (c) Prometheus Verlag; Die Stunde der Helden (c) Mantikore Verlag; Nuareth-Karte (c) Christoph Clasen). Gerne weise ich noch auf Deinen wirklich lesenswerten Blog (Link) hin :-)
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