Nachdem das Crowdfunding zum Fantasy-Rollenspiel „Sarôsta – Das dunkle Zeitalter“ (Link) zu Jahresbeginn wegen einiger Konzeptionsfehler scheiterte, versucht die Autorin Clarissa Lerch (welche im Interview (Link) hier im Blog ankündigte, sich mit diesem Projekt als Autorin selbstständig machen zu wollen) nun durch die Veröffentlichung einer ersten Kurzgeschichtensammlung auf ihre Rollenspielwelt aufmerksam zu machen und die Vorfreude der Fans auf das finale Werk weiter anzuheizen. Also meine Aufmerksamkeit hat sie schon mal, aber kann sie auch meine Vorfreude anheizen? Das 90 Seiten umfassende PDF enthält vier Kurzgeschichten, welche sich thematisch dem Buchtitel entsprechend um Rebellen und Diebe drehen. Gerade das Aufbegehren gegen die herrschende Ordnung ist dabei das zentrale Motiv aller Geschichten:
1. In Die Meisterdiebin wird eine ebensolche von einem geheimnisvollen Auftraggeber angesprochen, welcher ihre Fähigkeiten bei einem im Hauruck-Verfahren geplanten Diebstahl testen möchte. Ein eigentlich leichter Job, doch zu allem Überfluss soll sie mit einer unerfahrenen Kollegin zusammenarbeiten, was natürlich schief geht ;-) Gleich zu Beginn liefert Clarissa hier mit einer überaus klassischen und vorhersehbaren Diebstahlshandlung die beste Geschichte der Sammlung. Hier zeigt sich aber auch gleich das größte Problem aller Kurzgeschichten: Selbst die Protagonisten bleiben kaum mehr als Statisten vom Reißbrett, deren zwischendrin durchaus spannendes Schicksal sich letztendlich überaus unspektakulär in Wohlgefallen auflöst. 2. In eine Fremde Welt taucht der Kronprinz Aleskan ein, wenn er, verkleidet als einfacher Bürger, durch die Stadt zieht. Dabei gerät er mitten in einen Aufstand der Rebellen, welche trotz Aleskans Sozialmaßnahmen gegen die Monarchie aufbegehren. Und ein bürgerliches Love Interest gibt es auch noch :-P Auch hier wieder eine ordentliche Geschichte, welche aber deutlich unter ihrem Potential bleibt. Der Konflikt Volks gegen Adel und die angedeutete emotionale Zerrissenheit des Kronprinzen hätte, gerade weil er ja beide Welten erlebt, viel mehr dramaturgisch ausgeschlachtet werden müssen. Stattdessen wird Aleskan erst einmal als Abziehbild eines progressiven Heilsbringers charakterisiert (dagegen wirkt Gottkanzlerkandidat Schulz - zumindest im Verhältnis - ja fast wie ein Erzkonservativer ;-)), um dann doch wieder an den bestehenden Verhältnissen (auch mit Todesstrafe & Gewalt) festzuhalten, um schließlich doch unmotiviert einzuknicken – Ist also die Moral von der Geschichte, dass Gewalt progressive Ziele durchsetzt? Dazu gibt es einen „Showdown“ mit dem Rebellenanführer, der von der Autorin ganz sicher als emotionaler Höhepunkt geplant war, dessen Wirkung aber wieder durch die fehlende Figurenzeichnung und die die viel zu kurze "gemeinsame Zeit" verpufft. 3. In der dritten Kurzgeschichte ist die rebellische Magierin Leica auf der Flucht. Eine eigentlich interessante Katz-und-Maus-Jagd, deren atmosphärischer Grundton im Vergleich zu den beiden Vorherigen wesentlich düsterer ist, die sich aber wieder ziemlich unmotiviert in Wohlgefallen auflöst. Klar, das sind Kurzgeschichten, aber am Erzählrhythmus und der dramaturgischen Konzeption muss die Autorin echt noch arbeiten :-( 4. Zuletzt geht es um die Vergangenheit des mit Brandnarben übersäten Mares, der sich an seine Kindheit nicht mehr erinnern kann. Eines Tages meldet sich ein mysteriöser Fremder, der angeblich über seine Vergangenheit Bescheid weiß… Um es kurz zu machen: Ohne große Höhen und Tiefen plätschert die Geschichte bis zum vorhersehbaren Ende vor sich hin.
Schade ist, dass die vielfältige Fantasy-Welt mit all ihren Völkern und Kulturen keine Rolle spielt, hier verschenken die Autorin viel Werbepotential für das interessante Setting (Link). Immerhin, die zumeist im Präsens geschriebenen Geschichten haben sich allesamt äußerst flott weggelesen, auch wenn man sich an Clarissas Schreibstil erst ein wenig gewöhnen musste. Der ist recht nüchtern und distanziert, daher fühlte ich mich stark an Michael E. Campbell (Link) erinnert – Aber immerhin macht sie bei weitem nicht so viele Rechtschreibfehler wie er ;-) In meiner Version (ich habe die PDF direkt beim Erscheinen gekauft) waren aber trotzdem noch merklich Lektoratsfehler und seltener auch seltsame Grammatik, welche jedoch mittlerweile laut einer Facebook-Mitteilung (Link) behoben sein sollten. Positiv zu erwähnen ist, dass für die Setting-Begriffe ein Glossar beigefügt ist. Ebenfalls positiv ist die gefällige Gestaltung mit schönen Illustrationen und passendem Layout. Die 90 Seiten umfassende PDF, welche über die Webseite erworben werden kann, kostet 5 € - Da mit den Einnahmen die Entwicklung des Rollenspiels finanziert wird, sehe ich das eher als Spende an ;-) Denn würde ich es als „normalen“ Verkaufspreis sehen, wäre mir dieser Preis für die gebotene Leistung entschieden zu teuer. Fazit: Das Wort nett hat ja neuerdings eine eher negative Konnotation, dabei beschreibt es „Sarôsta: Von Rebellen und Dieben“ (Link) eigentlich sehr treffen: Vier im besten Sinne nette, vom Setting her aber ziemlich generische Kurzgeschichten – Die den Leser zwar einerseits durchaus (und stellenweise gut) unterhalten, ihn sich andererseits aber über das verschenkte Potential ärgern lassen. Mit Ach und Krach gebe ich glatte und lieb gemeinte 60 % beziehungsweise 3/5 Sternchen eines teuflischen Online-Buchhändlers.
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