Ich erinnere mich noch sehr gut daran, dass ich in zwei verschiedenen Comic-Läden nach den Werken der Augsburger Comic-Spezialisten „Bunte Dimensionen“ fragte und mir dann beide Male mit glänzenden Augen von der Qualität (und auch von den Verkaufszahlen ;-)) der historischen Comic-Reihe „Die verlorene Armee“ vorgeschwärmt wurde. Nun, kurz vor dem Erscheinungstermin des finalen vierten Bandes, bekam ich die Gelegenheit mich davon zu überzeugen, ob die Lobeshymnen gerechtfertigt waren... Die realhistorische Comic-Tetralogie begleitet den 19-jährigen Landser Ernst Kessler (natürlich blond und blauäugig) vom Ende seiner Ausbildung im Herbst 1942 bis hin zur Niederlage von Nazi-Deutschland 1945 – Letztere passiert zwar erst im noch unveröffentlichten vierten Band, aber ich hoffe einfach mal, dass das jetzt kein Leser als Spoiler empfindet :-P Dabei wird neben den großen Schlachten des Russlandfeldzuges (z.B. Unternehmen Zitadelle) auch der Soldatenalltag thematisiert.
1. Der Auftaktband begleitet Ernst und seine Kameraden auf den Weg vom Ausbildungslager zur Ostfront. Dabei ist Der russische Winter (Link) zum Jahreswechsel 1942/43 fast schon eine größere Bedrohung als Partisanenangriffe und die zum Gegenschlag ausholende Rote Armee. Anfangs noch enthusiastisch, werden sich die Landser spätestens durch den Verlust von Stalingrad ihrer drohenden Niederlage bewusst.
2. Neue Hoffnung gewinnen sie durch erste Abwehrerfolge gegen die russische Übermacht und später dann durch die Vorbereitung des Unternehmens Zitadelle, bei der nagelneue Panzer und ein massives Truppenaufgebot die Wende bringen sollen. Zudem dürfen sie nach langer Zeit einen kurzen Heimaturlaub absolvieren, bei dem sich Ernst in die bildschöne Nachbarstochter Maria verliebt. Aber schnell holt ihn der Kriegsalltag ein, denn Der Riese erwacht (Link) – Bei der Einkesselungsoffensive von Kursk wird stattdessen sein Trupp eingekesselt...
3. Zwar hat Ernst das Kursk-Desaster überlebt, viele seiner Kameraden hatten dieses Glück aber nicht. Von der Anfangseuphorie ist nichts mehr übrig geblieben – Auch deshalb nicht, weil sein Trupp den Befehl hat, auf dem Rückzug nur noch Verbrannte Erde (Link) zurückzulassen. Immer wieder müssen sie vor der sowjetischen Übermacht zurückweichen...
Das waren diesmal, im Verhältnis zu anderen Rezensionen, recht kurze Inhaltsbeschreibungen der einzelnen Bände. Um ehrlich zu sein kommt dies daher, dass es gar nicht so viel zu beschreiben gibt, wenn ich mich nicht unbedingt wiederholen wollen würde. Bis auf einige wenige Ausnahmen (etwa der Heimaturlaub oder der Besuch bei einer Prostituierten) handeln alle drei Bände von allen möglichen Arten von Kämpfen (Abwehrschlachten, Artilleriebeschuss, Partisanenangriffen, Panzerabwehr, Sturmangriffen etc.) sowie dem entbehrungsreichen Soldatenalltag (Schlafmangel, Schneeschippen, Erfrierungen, Motivationsreden etc.). Diese werden recht episodenhaft abgehandelt – Sie sind weniger durch eine dramatische Geschichte als vielmehr durch den historischen Kontext zusammenhängend. Das an sich ist jedoch kaum ein Kritikpunkt, denn viele dieser Szenen sind wirklich ausdrucksstark und eindringlich. Die Emotionen der Soldaten, etwa Angst und Desillusioniertheit, aber auch kleine Hoffnungsschimmer, kommen beim Leser glaubhaft an. Grafisch ist die Reihe überaus gelungen und sehr atmosphärisch, wobei ich das Gefühl hatte, als würden die schon im Auftaktband gelungenen Zeichnungen und deren Kolorierung mit jedem Folgeband besser werden. Als Referenz möchte ich gerne auf die nahezu identischen Zeichnungen von Band 1, Seite 5, unterstes Panel und Band 3, Seite 15, ebenfalls unterstes Panel verweisen :-) Kritikpunkte habe ich kaum: Lediglich die Kolorierung beim Heimaturlaub im zweiten Band wirkt etwas zu grell und generell ähneln sich die Gesichter so stark, dass es manchmal schwer ist Ernsts Kameraden zu unterscheiden. Aber das ist Meckern auf hohem Niveau ;-) Auf hohem Niveau ist auch die Druckqualität von „Bunte Dimensionen“ (welche mir dankenswerterweise Rezensionsmuster zur Verfügung stellten), sodass der Preis von 14 - 15 € für 48 – 52 Seiten starke Hardcover in Ordnung geht. Eigentlich käme nun schon das Fazit, aber ein paar einordnende Worte muss ich doch noch verlieren: Ich persönlich habe als reflektierter, erwachsener Comic-Leser mit der Kriegsthematik keine Probleme, auch nicht damit, dass die Geschehnisse aus deutscher Sicht erzählt werden. Nicht nur gelegentlich hatte ich beim Lesen aber das Gefühl, dass hier ein wenig zu sehr das Narrativ der Legende von der sauberen Wehrmacht (Link) bemüht wird: „Die verlorene Armee“ besteht fast ausschließlich aus „ich tu nur meine Pflicht“-Befehlsempfänger-Opfern, bei denen (Kriegs-)Verbrechen – welche in der gesamten Reihe vielleicht zwei- oder dreimal kurz thematisiert werden – nur die Verfehlungen einzelner Personen sind. Hier erinnert die Reihe, sicherlich unbeabsichtigt, an eine Comic-Version der „Der Landser“-Groschenhefte und ähnliche Schundliteratur. Genug moralisiert, nun aber wirklich das Fazit: Die ersten drei Bände der „Die verlorene Armee“-Comics (Link) sind durchweg unterhaltsame, sehr atmosphärische Kriegsgeschichten. Ich kann durchaus verstehen, warum sich diese Reihe so gut verkauft :-D
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