Der Schriftsteller, Regisseur und Dramaturg Marcel Pagnol gehört zu den populärsten französischen Künstlern des letzten Jahrhunderts. Besonders durch seine autobiografische Romantrilogie „Eine Kindheit in der Provence“ (postum sogar zur Tetralogie erweitert) ist er auch deutschen LeserInnen ein Begriff. Mit „Der Ruhm meines Vaters“ veröffentlicht der „Splitter Verlag“ nun eine zeichnerisch hervorragende Comic-Umsetzung des Auftaktbandes. Marcel Pagnol erzählt in „Der Ruhm meines Vaters“ von seiner Kindheit. Dabei huscht man im ersten Drittel durch die Anfangsjahre des begabten Kindes, beginnend bereits vor seiner Geburt mit der komplizierten Schwangerschaft seiner hysterischen Mutter. Kurze Episoden erzählen vom Leben seiner Eltern, der Geburt weiterer Geschwisterkinder und ihren Ausflügen. Bei einem solchen Ausflug lernt Marcels Tante ihren wesentlich älteren Mann kennen, welcher als religiöser Regierungsbeamter im starken Kontrast steht zu Marcels linksintellektuellem Vater. Die beiden werden trotzdem irgendwie Freunde, sodass sie irgendwann beschließen ein gemeinsames Ferienhaus in der Provence zu beziehen. Und genau hierum dreht sich die eigentliche Handlung, das erste Drittel war sozusagen nur ein Prolog mit der Einführung und Charakterisierung der Protagonisten ;-) Wieder episodenhaft begleitet der Leser die Vorbereitung der Reise (z.B. Möbelkauf inklusive Ehekrach), den beschwerlichen Reiseweg in die tiefste, aber wirklich atemberaubend malerische Provinz sowie verschiedenste große und kleine Erlebnisse der Familie (z.B. das Anzünden eines Ameisenhügels). Die Haupthandlung, wenn man denn im Rahmen einer Biografie von einer solchen sprechen kann, findet erst im letzten Drittel statt und nimmt dann den Bezug zum Titel des Buches: Marcels Vater und Onkel gehen auf die Jagd nach sehr seltenen Bartavellen. Die beiden stehen in einem halb freundschaftlichen, halb ernsthaften Wettbewerb und bemerken darüber nicht, dass Marcel ihnen heimlich folgt – Und sich in den menschenleeren Landschaften verläuft... „Der Ruhm meines Vaters“ handelt also von Marcels unbeschwerter Kindheit und ist eine große Liebeserklärung an die Provence – Nach der Lektüre dieser Graphic Novel hatte ich richtig Lust dort meinen nächsten Urlaub zu verbringen :-D Aber das reicht leider nicht um eine immerhin 96 Seiten umfassende Geschichte zu tragen :-( Durch die episodenhafte Struktur passiert zwar eine ganze Menge – Aber absolut nichts von Belang! Es gibt keinen Spannungsbogen und wenn ich überhaupt einen tieferen Sinn oder auch nur eine Kernaussage abseits von „Die Provence ist traumhaft und früher war die Welt noch in Ordnung“ in die Geschichte hineininterpretieren müsste, dann sind die entsprechenden, relevanten Szenen viel zu spärlich über das Buch verteilt. Mir ist dabei natürlich bewusst, dass Biografien nun einmal nicht immer hochdramatische Dreiakter sind. Aber für LeserInnen, die keine Franzosen sind (oder große Fans des Autors und seiner Werke), ist diese Geschichte einfach viel zu ausufernd und geruhsam erzählt. Es fehlen einfach die Highlights – Und man hat ständig das Gefühl, hier wird Potential verschenkt. Beispielsweise werden interessante Aspekte der Geschichte, welche sich nicht mit der Provence befassen, viel zu kurz angerissen und dann vergessen (Warum ist die Mutter erst so hysterisch und dann plötzlich nicht mehr?). Der Star der Handlung ist eben die Provence – Und die wird hervorragend in Szene gesetzt :-) Selten habe ich in diesem Jahr einen so wundervoll gezeichneten Comic gesehen: Die Details, die Kolorierung, die Atmosphäre – Großartig! Toll ist natürlich auch wieder die Druckqualität vom „Splitter Verlag“ (welcher mir dankenswerterweise ein Rezensionsexemplar zur Verfügung gestellt hat), sodass der Preis von 19,80 € für ein 96 Seiten umfassendes Hardcover (inkl. einordnenden Bonustext mit Original-Fotos) für Pagnol-Fans vollkommen in Ordnung ist. Fazit: Selten habe ich hier im Blog eine Graphic Novel rezensiert, welche so sehr das Prädikat „nur für Fans“ verdient hat! „Der Ruhm meines Vaters“ (Link), der Auftaktband der zweiteiligen Reihe, macht es mir denkbar schwer... Er ist wunderschön und sehr atmosphärisch gezeichnet, sodass man sofort selbst in Provence fahren will. Aber zur Wahrheit gehört halt auch, dass er für Nicht-Fans ziemlich öde ist. Wer sich jedoch für die Thematik interessiert (oder einfach schöne Zeichnungen mag) sollte sich das Buch unbedingt und unverzüglich zulegen!
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