James Bond, von Ian Fleming erdachter Spion im Dienste ihrer Majestät, dank Doppelnull-Lizenz mit der Lizenz zum Töten, gehört zweifelsohne zu den bekanntesten und schillerndsten Figuren der englischen Literatur. Der „Splitter Verlag“, gerühmt für so manches Comic-Goldstück, hat nun mit „Vargr“ die erste 007-Graphic Novel seit zwei Dekaden veröffentlicht mit einem James Bond, der anders ist, als man ihn sonst aus den Action-Blockbustern im Kino kennt. Anders, aber auch gut?
England wird von einer neuen Droge, angepriesen als eine Art Bio-Kokain mit dem lieblichen Namen Green, überschwemmt. 007, gerade zurück von einer erfolgreichen Tötungsmission in Helsinki, übernimmt den Fall. Anfangs scheint der auch recht einfach zu sein: Ein kleines Drogenlabor in Berlin ausheben, keine große Sache, dann wieder zurück zur Tagesordnung. Doch schon auf dem Hinweg wird ein Anschlag auf ihn verübt, auch scheint seine Geheimidentität diesmal gar nicht so geheim zu sein. Spätestens, als dann auch noch ein Amoklauf in der britischen Botschaft in Berlin verübt wird, ist klar dass hinter der Drogengeschichte mehr stecken muss – Ein biologischer Angriff auf die britische Insel!
Zugegeben, die Geschichte ist ein typischer 007-Plot. Nicht mehr, nicht weniger. Nicht übermäßig komplex oder doppelbödig, aber spannend und mit all den Zutaten, die für James Bond-Geschichten halt typisch sind: Einen größenwahnsinnigen Bösewicht, einen kompromisslosen Handlanger (der zu allem Übel keinen Schmerz spürt), massig Kanonenfutter für die große Schlussschießerei und sogar Cyborgs. Dazu natürlich die unvermeidlichen Nebendarsteller wie M, Q und die erfrischend taffe Moneypenny. Aber all diese Figuren, genau wie die Bösewichter, bleiben blasse Stichwortgeber. Denn die Handlung fixiert sich naturgemäß auf den Hauptdarsteller, nur wenige Einzelszenen spielen ohne ihn (z.B. parallel verlaufende Ereignisse). Dabei weiß dieser „neue“ James Bond – wobei, so neu ist er gar nicht, da sich seine Charakterisierung eher an der Romanvorlage orientiert – durchaus zu gefallen. Er ist ein echtes Badass, kaltschnäuzig und kompromisslos, aber so richtig kann ihn nichts aus der Ruhe bringen. Es gibt da zwei Szenen, die sich mir in diesem Zusammenhang eingeprägt haben: Beide Male ist er in brenzligen, lebensbedrohlichen Situationen. Er schafft es gerade so sich daraus zu befreien, aber anstatt zu fliehen oder Hilfe anzufordern, raucht er erst mal eine Zigarette oder holt seelenruhig seinen Koffer aus dem Auto.
Brenzlige, lebensbedrohliche Situationen gibt es in "Vargr" zuhauf. Wobei, vor allem sind diese Szenen für seine Gegner lebensbedrohlich ;-) Denn Q hat eine neue Munition entwickelt, die im Körper weitere Projektile verschießt – Ein Einschuss, acht Austrittswunden. Und damit geht James Bond dann auch nicht sparsam um :-P Die Actionszenen generell sind sehr gut choreografiert und dynamisch gezeichnet (besonders mehrere Panels des Endkampfes), aber auch überraschend blutig. Ansonsten, obwohl filmisch inszeniert, bietet diese Graphic Novel leider nur grafischen Durchschnitt. Erwähnenswert sind lediglich ein paar stilistische Spielereien (bei manchen Tötungsszenen wird die Figur schwarz-weiß und der Hintergrund rot) und generell die kühle Farbgebung, die eine passende Atmosphäre transportiert. Ansprechend präsentiert werden diese Bilder durch eine wie immer hervorragende Druckqualität vom „Splitter Verlag“ (welcher mir dankenswerterweise ein Rezensionsexemplar zur Verfügung stellte). Der Preis von 19,80 € für 148 Seiten im Hardcover (Link) ist absolut angemessen, echte 007-Fans werden aber sicher zur umfangreicheren, limitierten Ausgabe (Link) für 34,80 € greifen.
Fazit: Dieser 007 hat mich begeistert. Er ist anders als die Gentlemen-Spione aus den Kinofilmen, aber nicht minder mitreißend. Insgesamt erwachsener und etwas ruhiger erzählt als die Bombast-Blockbuster, bietet er neben einer zwar vorhersehbaren, aber spannenden Handlung reichlich gelungene Actionszenen. Und, man möchte freudig aufatmen, keine deplatziert wirkende Liebesgeschichte. Also alles richtig gemacht! Auftrag erfolgreich durchgeführt :-D
PS: Den wichtigsten Ratschlag, den James Bond in der Berliner Botschaft bekommt, möchte ich niemandem vorenthalten: “Die größte Gefahr in Berlin sind die Fahrradfahrer“ :-P