Als letzten Freitag die Präsidentschaftswahlen liefen, wurde nach langer Zeit mal wieder intensiv über den Iran berichtet. Oft wurde dabei aber nur an der Oberfläche gekratzt, ein tiefer Einblick in die doch recht abgeschottete Gesellschaft blieb aber verborgen (zumal westliche Journalisten nicht gerade herzlich willkommen sind ;-)). Diesen liefert nun das französische Autoren-Paar „Jane Deuxard“, welches wiederholt in den Iran reiste und dort viele junge Erwachsene interviewte.
Bei diesen Interviews erzählen verschiedenste junge Frauen und Männer, denen man oft eine tiefe Resignation anmerken kann, von ihrer Unterdrückung durch Politik, Religion und Tradition. Sie dürfen nicht lieben wen sie wollen, sich nicht frei kleiden, nicht feiern, sich nicht küssen, keinen Sex haben und eigentlich ist schon gemeinsames Ausgehen von nicht-verwandten Männern und Frauen eine Straftat. In dieser Atmosphäre der Angst versuchen sie aber immer wieder kleine Fluchten aus dem Alltag. Beispielsweise in dem man sich sporadisch heimlich trifft oder auch lieber Oral- und Analverkehr praktiziert, damit ja nicht das Jungfernhäutchen einreißt...
Obwohl sich der Grundtenor dieser Erlebnisberichte ähnelt, hat doch jeder Befragte eine ganz eigene Geschichte zu erzählen. Viele dieser Episoden bleiben dem Leser dabei im Gedächtnis: Beispielsweise gerät ein heimliches Pärchen während des Interviews in einen Streit, weil es das erste Mal die Zeit findet, über seine Lebensentwürfe zu reden. Oder eine Frau, welche die die Entbindung von jeglicher Verantwortung luxuriös und erstrebenswert findet. Oder ein verfolgter Oppositioneller, der in ständiger Angst lebt, weil er gegen den Wahlbetrug 2009 auf die Straße ging und zudem Musik spielt. Oder eine Frau, die ihren Verlobten zu Prostituierten gehen lässt, weil sie unverheiratet noch keinen Sex haben dürfen.
Diese Erlebnisberichte, welche gelegentlich durch nützliche Hintergrundinformationen ergänzt werden, sind eindrucksvoll durch sehr reduzierte, aber ausdrucksstarke Zeichnungen (oft auch als Karikatur) in Szene gesetzt. Dazu passend wie immer die tolle Druckqualität vom „Splitter Verlag“ (welcher mir dankenswerterweise ein Rezensionsexemplar zur Verfügung stellte). Der Preis von 19,80 € für ein 144 Seiten starkes Hardcover geht vollkommen in Ordnung.
Fazit: Man sagt ja immer, dass das Leben die besten Geschichten schreibt. Und tatsächlich, „Liebe auf Iranisch“ (Link) ist die beste Graphic Novel, die ich dieses Jahr bisher gelesen habe! Absolute Kaufempfehlung!
PS: Kleine Provokation am Schluss: Meiner Meinung nach sollte dieses Buch Pflichtlektüre an deutschen Schulen werden, damit die verzogene Jugend mal sieht, wie gut es ihr hier eigentlich geht ;-)