Mittlerweile habe ich in diesem Blog schon eine ganze Reihe an Produkten besprochen, die sich mehr oder minder historisch korrekt mit dem 2. Weltkrieg befassen. Mit „Blut und Tränen“ veröffentlichten die Spezialisten vom kleinen Augsburger Verlag „Bunte Dimensionen“ eine sehr interessante zweiteilige Miniserie, welche vor dem Hintergrund der französischen Niederlage 1940 eine überraschend ruhig erzählte Agentengeschichte präsentiert. Ein echtes Kleinod zwischen all den revanchistischen Effekthaschern, die sich sonst so in diesem Genre tummeln ;-) Die „Blut und Tränen“-Miniserie besteht aus zwei aufeinander aufbauenden, jeweils in sich abgeschlossenen Graphic Novels. Der Auftaktband bietet dabei eine Art ganzbändigen Prolog, welcher die Figuren einführt und thematisch irgendwo zwischen (Anti?-)Kriegscomic und klassischer Heldenreise tangiert. Die „eigentliche“ Handlung startet aber erst im Folgeband; hier bekommt der Leser ein reinrassiges Spionage-Abenteuer. Aber worum geht es überhaupt?
1. Der erste Band Zehn Tage im Mai (Link) befasst sich mit dem Westfeldzug 1940: Während die schlecht geführten französischen Verteidiger, vom deutschen Blitzkrieg überrascht, zusammen mit zahllosen Flüchtlingen gen Süden ziehen, schlägt sich Leutnant Beaujour zusammen mit dem Mechaniker Guérin nach Norden durch. Das Ziel ihrer Geheimmission ist der belgische Physiker Professor Staelens, welcher über das nötige Wissen zum Bau einer Atombombe verfügt. Leider ist dieser aber mitsamt seiner Familie irgendwo auf er Flucht verloren gegangen, sodass Beaujour die Nadel im Heuhaufen suchen muss. Dabei sind sie auf sich allein gestellt, da ihnen ihre französischen Kameraden im Chaos der Niederlage alle möglichen Steine in den Weg legen. Letztendlich wird der gesuchte Professor zwar gefunden, doch die Freude ist nur von kurzer Dauer, da die deutsche Armee den Fluchtweg blockiert...
2. Letztendlich war die Rettungsmission zwar erfolgreich, doch ist die Gefahr einer deutschen Atombombe noch nicht gebannt. Denn der französische Physikprofessor Cavagnon hat irgendwo in Frankreich eine beträchtliche Menge Deuteriumoxid, welches bei einer Kernspaltung zur Kühlung genutzt wird, versteckt. Daher lässt sich Leutnant Beaujour, der bis dato im englischen Exil die Freie Französischen Armee ausbildete, zusammen mit Liliane Stealens (die Frau von Professor Stealens, siehe Band 1, und zudem die Enkelin von Cavagnon) zu Spionen ausbilden, um die Mission „Schweres Wasser“ (Link) durchzuführen. Ihr Geheimauftrag führt sie nach Vichy-Frankreich, doch leider läuft die Mission dort aus dem Ruder, als man sie (welch Ironie) für deutsche Agenten hält... Zum Glück können sie auf ihren alten Kameraden Guérin zählen, der sich unter der deutschen Besatzung jedoch den Kommunisten angenähert hat.
Wenn man sich die Story-Zusammenfassung so durchliest, könnte man eigentlich meinen, dass sich hier richtig viel Potential für ein reißerisches Effektfeuerwerk bietet. Doch weit gefehlt, stattdessen erzählen Autor Laurent Rulliert und Zeichner Hervé Duphot ihre Agentengeschichte überraschend ruhig. Höchstens ein Viertel, eher sogar weniger, der beiden jeweils 56 Seiten starken Graphic Novels besteht aus klassischen Actionszenen – Diese sind dann jedoch eine willkommene Auflockerung zwischen einer eher dialogorientierten, jedoch nie ihre eigentliche Geschichte und Figuren aus den Augen verlierenden Handlung. Die Protagonisten sind dabei ausreichend genug charakterisiert, sodass ihre Motive und konkreten Handlungen nachvollziehbar erscheinen. Gerade im ersten Band ist jedoch das Szenario eines sich in der Niederlage befindlichen Frankreichs der eigentliche Hauptdarsteller – Die Bedrohung durch den Blitzkrieg, das Chaos, die Panik, all das wird hier glaubwürdig vermittelt. Im zweiten Band steht dagegen die doch durch und durch klassische, von ihrem dramatischen Aufbau her durchaus schon bekannte „Geheimagenten unter Nazi-Besatzung“-Story im Vordergrund. Trotz des unterschiedlichen Schwerpunkts sind beide Geschichten aber gleichsam unterhaltsam, je nachdem, was man persönlich bevorzugt, sicher der eine Band mehr als der andere :-) Die Zeichnungen sind recht einfach und klar strukturiert, ohne große Überraschungen, aber vollkommen dem Zweck angemessen. Ebenso steht es um die Kolorierung, welche mit ihren erdigen, gedeckten Farbtönen gerade im ersten Band viel Niederlagen-Atmosphäre verbreitet. Für die beiden jeweils 56 Seiten starken Hardcover, deren Druckqualität wieder sehr gut ist, möchte der Kleinverlag „Bunte Dimensionen“ (welcher mir dankenswerterweise Rezensionsmuster zur Verfügung stellte) angemessene 15 € je Band. Fazit: Müsste ich den „Blut und Tränen“-Miniserie (Link) in drei Worten zusammenfassen, würde ich „Atmosphäre statt Action“ sagen :-) Eine stimmungsvolle, überraschend ruhig erzählte Agentengeschichte, welche sich ausgesprochen positiv von der effekthaschenden Konkurrenz abhebt.
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