Den Auftaktband „Der Aufstand der Frauen“ (Link) und das Finale „Wir werden nichts über ihre Weiber sagen“ (Link) der Revolutionstrilogie „Auf die Barrikaden!“ habe ich in diesem Blog ja schon mal mehr (Teil 1) und mal weniger (Teil 3) überschwänglich rezensiert. Fehlt natürlich noch der Mittelteil, den ich damals aufgrund der scheinbar vergleichsweise öderen Thematik (Alltag statt Action) übersprang. Um die Sammlung nun aber vollständig zu haben, hab ich ihn mir doch noch zu Gemüte geführt – Und Schande über mich, dass ich dem Thema so reserviert gegenüber stand. Denn der Mittelteil ist tatsächlich sogar der mit weitem Abstand beste Band der Trilogie :-D Die Geschichte spielt im Winter 1870 und handelt vom Alltag der elfjährigen Victorine, welche mit ihrer feministischen, alleinerziehenden Mutter im von preußischen Truppen belagerten Paris lebt. Die Lebensmittel werden für die unteren Schichten knapp, während die Oberen sich noch allen Luxus gönnen können. Und auch die sozialistischen Revolutionäre, in welche Victorines Mutter ihre Hoffnung setzt, glänzen eher mit ihrem reaktionären Frauenbild als dass sie ihre Revolution vernünftig organisiert bekommen... In dieser von einem täglichen Lebenskampf geprägten Kindheit hat Victorine nur zwei Freuden: Erstens die beiden Elefanten Castor und Pollux, um welche sie sich für ein kleines Taschengeld kümmert. Und zweitens Bücher, zum Lesen derer sie von ihrer Mutter angehalten wird. Inspiriert von den Geschichten über den karthagischen Feldherren Hannibal sowie dem feministischen Kampfeswillen ihrer Mutter fasst sie daher den Plan, mit einem ihrer geliebten Elefanten den preußischen Belagerungsring zu durchbrechen. Dafür benötigt sie jedoch die Unterstützung der lokalen Straßenbande, deren Anführer sie zum Duell auffordert... In der Handlung, welche aus der Sicht der Kindes Victorine erzählt wird, wechseln sich immer wieder Zuversicht und Rückschläge ab. Wobei die Rückschläge letztendlich überwiegen – Wer sich mit Geschichte auskennt oder einen der anderen beiden Trilogie-Bände gelesen hat, weiß schon dass Victorines Vorhaben scheitern wird – Im Deutsch-Französischen Krieg 1870/71 haben keine Elefanten das Schlachtenglück gewendet ;-) Und so wie Victorine scheitern wird, zeigt dieser Band auch eindrucksvoll, warum die Pariser Kommune letztendlich nicht von Dauer war: Sie ist nicht nur an den äußeren Umständen, sondern auch am Verrat ihrer eigenen Ideale gescheitert. Frauen werden ganz offen von den ach-so-fortschrittlichen Revolutionären benachteiligt und herabgewürdigt, zugleich wird die Ungleichheit der Gesellschaftsschichten immer größer: Die Reichen speisen selbst in Kriegszeiten noch Delikatessen, während die Armen sich letztendlich gar von Haustieren und Ratten ernähren müssen, um über die Runden zu kommen. Dieses Leid und diese Tragik, welche den Geschehnissen innewohnt, wird von Lucy Mazel hervorragend in Szene gesetzt. Auf den ersten Blick wirkt ihr comichafter Stil, gerade wenn man die als abenteuerlustig und gewitzt, aber auch kindlich-naiv charakterisierte Victorine anschaut, wie aus einem Disney-Film entsprungen. Doch verbreiten die hervorragend kolorierten Zeichnungen keine Fröhlichkeit, sondern eine bedrückende Melancholie, wie ich es selten erlebt habe. Zur dichten Atmosphäre tragen aber auch die nachvollziehbare Geschichte und dabei besonders die glaubwürdigen Dialoge von Autor Wilfrid Lupano bei. Teilweise muss man als Leser wirklich schlucken, etwa wenn Victorines Tante versucht kindgerecht zu erklären, warum sie nebenbei als Prostituierte arbeiten muss. Der Comic bietet eine ganze Reihe solch beklemmender Szenen, die noch lange nachhallen. Zur Druckqualität des 56 Seiten umfassenden Hardcovers muss ich wohl nichts sagen, da liefert der „Splitter Verlag“ wieder gewohnte Qualität ab, daher geht der Preis von 14,80 € in Ordnung. Also gleich weiter zum Fazit: „Auf die Barrikaden! #2 Die roten Elefanten“ (Link) ist nicht nur der mit Abstand beste Band der Revolutionstrilogie, sondern auch für sich als Einzelband betrachtet ein absolutes Meisterwerk. Selten hatte ich so viel Freude daran, eine tragische Geschichte vom Scheitern zu lesen :-D
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