Der Duden (Link) bezeichnet den Herrenwitz als „derben, frivolen Witz, der üblicherweise erzählt wird, wenn Männer unter sich sind“. Der französische Comic „Ludivine: Unterm Mantel der Geschichte“ ist ein ganzer Marathon an durchaus ansprechend gezeichneten Herrenwitzen, welche mehr oder minder notdürftig durch eine historische Rahmenhandlung zusammengehalten werden. Kann das über einen ganzen Comic-Band hinweg witzig sein?
Die junge Doktorandin Ludivine will eigentlich nur ihre Doktorarbeit „Geschichte ohne Hüllen“ redigieren, in der es um die Einfluss des Sex bzw. der Frauen, die mit den jeweiligen Herrschern Sex haben, geht. Dabei hilft ihr der in sie verschossene Nerd Jean, welcher letztlich aber hilflos mit ansehen muss, wie Ludivine in den Computer teleportiert wird und dann die historischen (Sex-)Ereignisse selbst durchlebt. Beispielsweise bringt sie die Neandertalerinnen dazu sich zu emanzipieren (und sorgt damit dafür, dass diese aussterben...) und sorgt für den Mord an Julius Cäsar (weil die Senatoren neidisch sind und auch mal an Ludivine ranwollen), für den Sturm auf die Bastille (da die notgeilen Pariser an sie ranwollen, während sie in der Bastille interniert ist) sowie die Niederlage von Napoleon (weil sie dessen Unterstützungstruppen ablenkt, sodass sie es nicht rechtzeitig bis Waterloo schaffen). Immer wieder trifft sie dabei auf Jeans vermeintliche Vorfahren, die sich wie er auch als verliebte, aber auch gern helfende Deppen präsentieren. Dieser versucht derweil in der Echtwelt verzweifelt Ludivine zurückzuholen.
Sind wir mal ehrlich, niemand hat bei „Ludivine: Unterm Mantel der Geschichte“ wirklich mit einer epischen Geschichte gerechnet ;-) Immerhin ganz passabel bieten Ludivines unfreiwillige Zeitreisen einen erzählerischen Überbau für mal mehr, mal weniger gelungene historische Episoden der in den allermeisten Fällen französischen Geschichte. Dabei wirkt die Einbindung der sexuellen Thematik zwar gelegentlich bemüht, gelingt aber doch überraschend oft. Der Humor ist dabei natürlich Geschmackssache, aber schießt für meinen persönlichen Geschmack gelegentlich übers Ziel hinaus. Es ist irgendwie schon ganz amüsant, dass alle Männer bei Ludivines Anblick total notgeil werden und sie damit den Geschichtsverlauf verändert (bzw. ihn so hinbiegt, wie er ist). Wenn diese Notgeilen dann aber des Sex wegen über Leichen gehen (beispielhaft die oben genannte Cäsar-Episode) oder bei Ludivine so einige strafrechtliche Grenzen überschreiten, dann blieb zumindest mir das Lachen im Hals stecken... Laut lachen musste ich dagegen bei den historischen und popkulturellen Anspielungen (z.B. auf „50 Shades of Grey“) und dem selbstreferentiellen Humor (z.B. wenn Ludivine entkleidet wird und zornig ruft „Hätte mich auch gewundert, wenn ich dieses Korsett länger als zwei Seiten angehabt hätte...!“). Absolutes Highlight ist dabei der deprimierte Künstler, der einen Vertrag vom „Splitter Verlag“ (welcher mir dankenswerterweise ein Rezensionsexemplar zur Verfügung gestellt hat) erhalten hat und nun wegen der kargen Bezahlung hungern muss :-D
An den Zeichnungen und der Kolorierung gibt es nichts auszusetzen. Sehr comichaft, irgendwie in einer frivolen Art und Weise niedlich und auch nicht schlimmer als die Erotik-Streifen, welche nachts im Fernsehen laufen. Wie es sich bei einer Herrenwitz-Comicversion gehört, gibt es natürlich auch mehr als genug entblößter Brüste zu sehen – So viele, dass ich auf den 56 Seiten des Hardcovers (beziehungsweise von den 46 Comic-Seiten, der Rest sind schöne Konzeptzeichnungen) genau eine einzige brustfreie Doppelseite gefunden habe :-P Vom Umfang und der guten Druckqualität her betrachtet sind die geforderten 13,95 € durchaus akzeptabel.
Fazit: Der ansprechend gezeichnete Comic „Ludivine: Unterm Mantel der Geschichte“ (Link) ist ein ausgedehnter, aber überraschend okayer Herrenwitz. Als Geschenk für den nächsten Vatertag oder Junggesellenabschied sicher nicht verkehrt :-)