Na liebe Leser, den Weihnachtsbraten gut verdaut? Ich war derweil wieder fleißig und habe den nächsten Indie-Autor aufgetan, dem ich mit meiner Neugier beglückt habe ;-) Falko Kötter schreibt Spielbücher und Romane in seiner eigenen Fantasy-Welt "Relegatia", darunter auch eines der allerschwersten Spielbücher überhaupt. Na, da bin ich mal gespannt, was er noch so alles zu erzählen hat :-) Hallo Falko. Stell Dich doch bitte mal den Lesern vor.
"Mein Name ist Falko Michael Kötter und ich habe eine Phobie vor Vorstellungsrunden, ganz besonders Vorstellungsspielen. Spaß beiseite. Zu meiner Person gibt es eigentlich nicht viel zu sagen: Typische deutsche Dorfkindheit, ein paar Jahre im Kloster, Informatikstudium, irgendwann ist man plötzlich 30, etc. Was für die Leser interessanter ist: Ich bin seit 15 Jahren Autor und Spieleentwickler. Das ganze betreibe ich als Hobby, aber durchaus mit einem Anspruch an mich selbst, professionelle Qualität abzuliefern. Der große Durchbruch ist bisher aber ausgeblieben. ^^° Ort meines Schaffens ist Relegatia, ein geteiltes Universum für all meine Geschichten. Mein Genre ist Fantasy, wobei einzelne Bücher sich darin schon stark unterscheiden. Vom Heldenepos über die Schurkengeschichte, das Rollenspielbuch, die Tragödie und ja, auch die Komödie ist alles dabei. Und das Beste: Den ganzen Kram gibt es kostenlos auf meiner Webseite Relegatia.com (Link - Hinweis des Bloggers: Bei der Veröffentlichung des Interviews war die Webseite nicht erreichbar :-( Aber jetzt geht es wohl wieder :-)). Falls die Leser wollen, können sie gerne vorbeischauen, die meisten meiner Charaktere beißen nicht. Egal, ob Kurzgeschichte, Spielbuch oder dicker Schmöker – jeder Lesehunger wird bedient."
Wie wurdest Du Autor, wie Spielbuchentwickler?
"Ich bin glaube ich schon als Autor geboren. Schon bevor ich schreiben konnte, habe ich mit Buntstift Level für imaginäre Videospiele gemalt. Der große Traum war es, selbst Videospiele zu entwickeln, die aus meiner Kinderperspektive wohl aus Feenstaub und schwarzer Magie bestehen mussten. Eine Theorie, die wir in der Grundschule hatten, war, dass man die Spiele zeichnet und dann mit unsichtbarem Wachs schreibt, was passieren soll. Wenn es doch nur so einfach wäre… Als ich dann mein erstes Spielbuch in die Finger bekam, eröffnete mir das völlig neue Möglichkeiten. So gerne ich die Dinger auch gespielt habe, viel wichtiger war: Ich hatte endlich ein Medium, um selbst Spiele zu machen. Tja, in kindlicher Arroganz übersah ich natürlich 90% der Finesse, die ein gutes Spielbuch ausmachen und schrieb ein 500-Stationen Monstrum voller „links->du bist tot, rechts->du lebst“-Entscheidungen. Dann kam erstmal der Computer und damit die Programmierung. Die nächsten Spielbücher wurden zu primitiven Textadventures, die sich ab und zu sogar mal einen Gegenstand selbst merkten. Daraufhin ging es eher in die Rollenspielrichtung, mit komplexeren Kampfsystemen und schließlich dank des "RPG-Makers" sogar Grafik. Seitdem ich auf dem "Super Nintendo" das erste Mal Hyrule unsicher gemacht habe, ist da dieser eine Gedanke in meinem Hinterkopf, von einem großen, epischen Fantasy-Rollenspiel, einer Geschichte von Licht und Dunkelheit. Unfertige Versionen des Spiels gibt es in jedem Medium, das ich durchgemacht habe, von der Buntstiftzeichnung, über die Textversion bis hin zu einer grafischen Version im "RPG-Maker". Leider ist es bis heute unvollendet geblieben. Aber eines Tages… Das große Spiel brauchte natürlich eine Welt. Und diese Welt ist Relegatia, die Welt der Vierzehn. Irgendwann hat sie ihre Textdatei mit Hintergrundinformationen gesprengt und ein Eigenleben entwickelt. Zunächst schrieb ich ein paar Hintergrundgeschichten für Spielcharaktere, dann folgten immer größere Geschichten, die zum Teil Jahrhunderte voneinander entfernt waren. Und auch wenn es mit dem Spiel noch nicht geklappt hat, so ist diese Welt inzwischen die Heimat vieler Geschichten geworden. Das erste Spielbuch entstand nach meinem Abitur, als mein Hauptrechner mit meinen Entwicklungswerkzeugen abgeraucht ist und ich zwar drei Monate Zeit, aber nur den alten Pentium 200 meiner Eltern hatte. Daneben standen noch meine alten Spielbücher im Regal und die Langeweile tat ihr Übriges. Ich habe viel recherchiert darüber, wie man so Bücher abseits meiner naiven Kindheitsvorstellungen wirklich schreibt und es dann umgesetzt. Das war eine Zeit, in der ich viel mit "Relegatia" experimentiert habe. Es gab auch ein Hörspiel, ein Textadventure und ein JRPG. Das Spielbuch war davon aber mit Abstand am besten, weswegen ich dabei geblieben bin."
Gib den Lesern doch bitte mal einen Überblick über die Welt von "Relegatia".
"Relegatia ist eine Welt, die eigentlich nicht für die Menschen gemacht ist, so, wie auf unserer Welt der Kontinent Australien. Störrisch wie unsere Spezies nun mal ist, sind sie trotzdem da (auch wieder wie Australien). Die Kolonisierung Relegatias begann mit den vierzehn Göttern. Wer hier an etwas wie das griechische oder germanische Pantheon denkt, liegt falsch. Die Götter Relegatias sind nämlich sterblich. Sie waren mächtige Magier und webten einen Zauber in den Planeten selbst, der nach ihrem Tod ihre Erinnerungen und Kräfte weitervererbt. Sieben der Götter nannten sich nach hellen Attributen wie Licht, Liebe und Leben, sieben wählten dunkle Attribute wie Dunkelheit, Hass und Tod. Die Vierzehn machten sich die wilde Welt untertan und bezwangen neun Drachen, Inkarnationen der Elemente und bis dato die Spitze der Nahrungskette. Damit war der Weg für ein Weltenschiff mit vielen Kolonisten, die den Planeten dann besiedelten. Die Anfangszeit Relegatias hat etwas von wildem Westen. Menschliche Siedlungen sind weit verstreut und die gefährliche Fauna und Flora macht das Reisen nicht gerade einfach. Die Vierzehn verfolgen die Entwicklung der Welt. Manche mischen sich ein, manche halten sich raus. Im Laufe der Jahrhunderte entstehen fest definierte Länder und Reiche. Da ist zum Beispiel das Imperium des Westens unter dem Gott der Ordnung, einem wohlwollenden Diktator, der es satt hat, die Menschen die immer gleichen Fehler machen zu sehen. Das Ostland ist in sieben Häuser geteilt, von den kriegerischen Rathos bis zu den gerissenen Vantu. Daneben liegen allerlei entdeckte und unentdeckte Orte, wie die Wiege der Stille, der Tempel der Zerstörung, das Meervolk vom Blauen Grund, die Tintenbucht, das Stadion von Titania, das Nachtliliental, die Nebel von Dormholm, Vulders Haupt, Durngard und Vanimunt, die verschleierte Stadt. Die Welt von "Relegatia" ist voller Wunder, aber sie folgt Naturgesetzen, wie unsere auch. Magie vermag große Kräfte zu entfalten, aber sie vermag weder den Tod noch den menschlichen Willen zu zwingen. Höhere Mächte wie (unsterbliche) Götter und Teufel findet man nur in den Liedern der Lyrdhin. Und abgesehen von den Vierzehn haben die meisten Bewohner keine Hoffnung, dass nach dem Tod was kommt, egal ob gut oder schlecht. Im Laufe der Jahre sind Dutzende Romane, Spielbücher und Geschichten aus Relegatia auf ein beachtliches Ausmaß gewachsen. Aber keine Angst, man muss nicht alles lesen, um auf seine Kosten zu kommen. Zwar sind die Geschichten miteinander verknüpft, aber viele sind an sich und in sich abgeschlossen. Und noch eines: Nicht jedes Mal steht die ganze Welt auf dem Spiel, denn das wäre ja spätestens beim dritten Mal langweilig. Hier ein paar Geschichten, mit denen man einsteigen kann:
- "Das Turnier von Titania" – mein erster Roman (dazu unten mehr). - "Der Tempel der Zerstörung" (Link) – ein klassisches Spielbuch. Der Wettlauf um einem Piratenschatz führt in den Tempel der Zerstörung, wo man nicht nur einen der vierzehn Götter findet, sondern sich auch noch mit der gefürchteten Blauen Piratenkönigin messen muss… - "Phyrax - Ein Hör-Spielbuch" (Link) - Genau das richtige für langweilige Zugfahrten. Komplett online spielbar! - "Dormholm – Unter dem Nebel schlafen die Geheimnisse" (Link) - Dormholm ist ein Buch mit sieben Siegeln. Das allerschwerste Spielbuch, das ich kenne. Wer das schafft, ist ein Spielbuch-Meister. - "Die Jäger" – Die Abenteuer eines inkompetenten Jägertrios, das von einem Unglück ins Nächste stolpert. Eine lustige Kurzgeschichte, die das Leben in Relegatia abseits von Helden und Schurken zeigt.
Spielen alle Romane und Spielbücher in dieser Welt?
"Alle meine Fantasy-Geschichten spielen in derselben Welt, Relegatia. Zwischen den einzelnen Geschichten liegen aber mitunter Jahrhunderte. Das heißt, die Geschichten sind kein großer Zyklus, sondern mal lose, mal fest miteinander verknüpft. Ich liebe es, wenn Geschichten eine Auswirkung über sich selbst hinaus haben. Sonst kann man ja jedes Mal die Welt retten oder vernichten und einfach wieder von vorne anfangen. In "Relegatia" ist das halt nicht so. Klar, manchmal steht viel auf dem Spiel und es gibt die großen Herrscher und Reiche, die sich bekriegen. Die Geschichten spielen aber oft in einem kleineren Rahmen. Aber für die Protagonisten schneiden sie trotzdem tief. Auch eine Stadt zu retten, oder ein Dorf, oder sogar ein einziges Leben, kann viel interessanter sein als der Kampf um das Schicksal des Universums. Eben, weil man dabei auch versagen kann und es trotzdem weitergeht. Ich bin jetzt kein George R.R. Martin, aber ein Happy End ist in "Relegatia" eben nicht garantiert. Und das macht es denke ich so viel echter. Viele kleine Geschichten zu erzählen, hat auch den Vorteil, dass man öfter mal die Perspektive wechseln kann. Ich glaube, als Autor muss man mit seinen Bösewichten ehrlich sein. Sie haben genauso Gründe für ihr Handeln – und vielleicht glauben sie sich sogar im Recht. In einer anderen Geschichte sieht man vielleicht mal die Welt aus ihrer Warte."
Woher wurdest Du inspiriert? Hast Du Vorbilder?
"Als Kind hab ich das Fantasy-Genre eher durch Videospiele als durch Bücher kennengelernt. Also "Zelda" und "Final Fantasy" lange vor Tolkien und Hohlbein. Das hat meinen Stil denke ich schon beeinflusst. In "Relegatia" laufen schon mehr Figuren mit außergewöhnlichen Haarfarben herum als in Mittelerde :-) Gerade japanische Rollenspiele haben etwas mehr Hang zur Melodramatik. Und da man selbst spielt, identifiziert man sich auch viel stärker mit den Protagonisten. Spiele wie "Illusion of Time", "Final Fantasy 7" und "Terranigma" haben mich als Kind tief beeindruckt. Das Gefühl versuche ich wohl noch immer ein bisschen mit meinen Geschichten zu jagen. Auf Seiten der Bücher kam dann irgendwann Tolkien und alles, was die dünne Fantasy-Abteilung der örtlichen Bücherei hergab. Mit Elben, Orks und so bin ich aber nie so warmgeworden. In "Relegatia" gibt es deshalb auch fast nur Menschen. Spielbücher habe ich auf dem Flohmarkt entdeckt. Der "Tempel des Schreckens", für 2 Mark. Ich war absolut verzaubert und habe in unserer Bücherei alles gelesen, was es gab. Nicht verfügbare Titel wie „Das Universum der Unendlichkeit“ habe ich mir in den tollsten Farben ausgemalt, bis ich sie mehr als 10 Jahre später endlich auf Amazon bestellen konnte. Inzwischen sind meine Lieblingsspielbücher "Creature Of Havoc", für mich die Krönung der klassischen Fantasy-Abenteuer-Spielbücher, und "Life’s Lottery", ein Spielbuch für Erwachsene, in dem man die unendlichen Permutationen des Lebens eines Mittelklasse-Engländers durchleben kann. Sehr philosophisch und erzählerisch ganz große Klasse. Ein weiteres Vorbild in letzter Zeit ist das "Marvel Cinematic Universe". Die Verbindungen zwischen den einzelnen Filmen werten jeden einzelnen Film extrem auf. Und irgendwann stellt man fest, dass man in die Premiere von "Thor 2" geht, weil man Avengers so toll fand… Was mir daran besonders gut gefällt, ist die Balance zwischen Kontinuität und Zugänglichkeit. "Civil War" ist einfach ein unglaublicher Film, allein weil er auf so viel aufbaut. Man hat die Charaktere schon liebgewonnen und manche Momente wiegen deswegen viel schwerer. Und dann kommt "Doctor Strange", ein Popcorn-Film, den man auch einfach gucken kann, wenn man die letzten 10 Jahre im Luftschutzbunker verbracht hat. Mit der Kontinuität in "Relegatia" versuche ich, es ähnlich zu machen. Manche Bücher folgen direkt aufeinander. Manche sind durch Szenen und Charaktere miteinander verbunden. Und bei manchen sind es nur kleine Eastereggs, die außer mir wahrscheinlich eh niemand merkt…"
Kommen wir mal speziell zu den Spielbüchern: Welche Spielmechaniken nutzen die Spielbücher?
"Als Kind habe ich hauptsächlich die Fantasy-Abenteuerspielbücher nach dem Vorbild von Steve Jackson und Ian Livingstone gespielt, woran ich mich mit meinen Mechaniken orientiere. Es gibt immer ein Kampfsystem, das sich aber von Buch zu Buch ändert. Das hängt immer davon ab, ob der Fokus des Buchs auf dem Kämpfen liegt. Meistens muss man für sich und seinen Gegner würfeln und dann ein wenig Kopfrechnen. Auch sonst gibt es Würfelproben. Entweder geht es um das reine Glück oder um bestimmte Talente, gegen die man würfeln muss. Ich versuche aber, dass man kein exzessives Glück braucht. Würfeln dient eher dazu, auch mal ohne einen Gegenstand auszukommen oder eine falsche Entscheidung auszubügeln. Manchmal stößt man auch auf eine Karte, auf der er sich die nächste Station selbst aussuchen kann. Damit erspare ich dem Leser, sich selbst eine Karte zu zeichnen und mir das Schreiben von Dutzenden Links/Rechts-Stationen. In „Ozmodeons Reise“ habe ich fast nur mit Karten gearbeitet. Das Ergebnis spielt sich interessant, aber es ist fühlt sich dann doch nicht mehr so spielbuchig an. Eine wichtige Mechanik sind versteckte Referenzen. Zum Beispiel, wenn man einen Hinweis findet, dass sich hinter einem Wappenteppich ein Geheimgang verbirgt. Wenn man den Teppich findet, muss man 10 zu seiner aktuellen Station hinzuzählen. Bei der resultierenden Station findet man dann den Geheimgang. Jetzt muss der Spieler natürlich wie ein Fuchs aufpassen, wo denn dieser Wappenteppich hängt. Und wenn er ohne den Hinweis daran vorbeiliest, wird er nie wissen, dass er was verpasst hat. Mit dieser kleinen Technik kann man Spielbüchern eine ganz andere Tiefe verleihen. Im "Tempel der Zerstörung" benutze ich das zum Beispiel, um den Spieler je nach gewähltem Weg und Anzahl der gefundenen Schlüsselsteine zu einem von sechs Enden zu führen. Enden sind natürlich auch eine Spielmechanik. Alte Spielbücher waren da ja schon fies. Einmal falsch abgebogen, schon wird man grausamst umgebracht. Und das Ende bekommt man nur, wenn man alle McGuffins in der korrekten Reihenfolge gesammelt hat. So schwer mache ich es im Regelfall nicht. Meistens gibt es zwar einen Weg, der leichter ist, als alle anderen, aber man kann auch so ans Ziel kommen. Und eine Geschichte kann auch andere Enden als Tod oder Sieg haben. In meinen Büchern gibt es deshalb immer verschiedene Enden. Die Ausnahme ist allerdings "Dormholm", das Buch ist wirklich gemein :-) "
Lass Dir von den Lesern mal über die Schulter schauen: Wie entwickelst Du ein Spielbuch, wie einen Roman? Und in welchem Zeitraum?
"Alle Spielbücher fangen mit einer Idee an. Das kann entweder ein Stück Handlung sein oder eine Spielmechanik, manchmal auch beides. Bei "Dormholm" zum Beispiel kam mir die Idee in einer langweiligen Vorlesung. Die Nacht davor hatte ich von einem nebligen Garten mit einem Heckenlabyrinth, kupfernen Brücken und einer viktorianischen Gesellschaft von Kugelspielern geträumt. Warum, weiß ich bis heute nicht. Auf jeden Fall malt unser Professor das Unendlichkeitszeichen an die Tafel und ich male es an den Rand von meinem Block. Irgendwie kam mir die Idee, von einem unendlichen Irrweg durch neblige Gärten. Wer mal den ersten Teil von "Dormholm" kartographiert, wird feststellen, dass er eine liegende Acht ist – das Zeichen der Unendlichkeit. Die Idee kann aber auch was ganz einfaches sein. Im meinem nächsten Buch wollte ich zwei Abenteurer haben, die sich zur Hälfte des Buches aufteilen müssen. Der Spieler kann beide Wege in beliebiger Reihenfolge spielen. Die Wege führen dann je nachdem wieder anders zusammen. Die Idee kommt dann erstmal auf den großen Stapel, wo sie ein paar Jahre bleibt und ab und zu angereichert wird. Meine Regel: Erst, wenn ich ein Spielbuch fertig habe, darf ich ein neues anfangen. Ich suche dann eines vom Stapel aus, worauf ich Lust habe und wo das Konzept weit genug vorangeschritten ist. Das ist der einfache Teil. Dann folgt erstmal eine feinere Planung. Ich skizziere, welche Teile des Buches es geben wird und wie diese zusammenhängen. An diesem Punkt kommen auch schon wichtige Charaktere und Gegenstände hinzu."
Wie geht's dann weiter?
"Wenn die grobe Planung fertig ist, kann es eigentlich mit dem Schreiben losgehen. Dabei gehe ich Teil für Teil vor. Der Tempel der Zerstörung hat zum Beispiel zwei Hälften. In der ersten Hälfte gibt es 6 Missionen. Jede Mission habe ich erstmal einzeln detailliert geplant und dann aufgeschrieben. Für den Teil gibt es dann eine detailliertere Karte, die ich mit Bleistift kritzle und während des Schreibens anpasse. Die einzelnen Teile zerlegt man dann in Begegnungen. Eine Begegnung kann zum Beispiel ein Kampf sein, oder ein fahrender Händler, oder eine Schlucht, die man überwinden muss… Die Begegnung ist dann wiederum zerlegt in die einzelnen Stationen, die ich dann Stück für Stück schreibe. Weil es mir in "Dormholm" etwas zu krass wurde, habe ich mir ein kleines Softwaretool entwickelt, das aus dem Textdokument automatisch eine Grafik der Stationen und ihrer Verknüpfungen erstellt (mehr dazu unter diesem Link). Das Tool markiert auch in Rot, wo noch Stationen fehlen. Damit geht das Schreiben wesentlich einfacher von der Hand. Beim Schreiben führe ich außerdem eine Liste mit, welche Gegenstände, Hinweise, etc. wo erhältlich sind und wo man sie einsetzen kann. Das ist später zum Testen wichtig. Falls es versteckte Verbindungen gibt, schreibe ich sie auch mit auf, damit ich sie später nicht vergesse. Nach ca. 600 Stationen ist dann das Spielbuch in der ersten Version fertig. Ich plane den Umfang zwar vorher ungefähr, aber darin bin ich sehr schlecht. Jetzt geht das Buch erstmal wieder auf den Stapel. Nach dem Schreiben brauche ich ein bisschen Abstand, um es objektiv beurteilen zu können. Irgendwann geht es dann ans Testen. Am Anfang spiele ich das Buch erstmal ein paarmal einfach so. Hier findet man meistens schon grobe Probleme, zum Beispiel mit dem Balancing. Jede gelesene Station, die ich lektoriert habe, markiere ich mir. Früher habe ich am Ende einmal die Stationen von A bis Z gelesen, um eine finale Rechtschreibkontrolle zu machen, aber das empfehle ich niemandem, denn das ist richtig ätzend. Beim Lesen markiere ich Stellen, an denen die Übergänge zwischen Stationen noch nicht ganz stimmen. Auch Sequenzen, in denen der Spieler länger keine Entscheidung treffen darf, markiere ich. Hier werden später eventuell noch Stationen eingefügt. Nach ein paar Durchgängen mache ich dann einen Anlauf auf das beste Ende mit dem geplanten besten Weg. Falls es Probleme gibt, bessere ich die aus. Bei mehreren Enden mache ich das für jedes Ende einmal. "Dormholm" hat deswegen auch genauso viel Zeit zum Testen wie zum Schreiben verschlungen. Irgendwann hier geht das Buch dann an die externen Probeleser. Das Feedback ist manchmal mehr, manchmal weniger umfangreich. Die Leute machen das ja auch nicht beruflich. Jetzt wird das Buch auf eine gerundete Zahl von Stationen gebracht. Dazu füge ich an den vorher markierten Stellen noch zusätzlich Stationen ein. Zum Glück bin ich bisher fast jedes Mal knapp unter der vollen Hundert herausgekommen. Im Tempel der Zerstörung musste dringend noch eine Station entfernt werden. Wer darauf achtet, wird beim Lesen einfach finden, wo das passiert ist. Jetzt werden noch die verbleibenden Stationen gelesen. Hier spiele ich nicht mehr ehrlich, sondern beginne einfach dort im Buch, wo es nötig ist. Wenn alles gelesen ist, folgt noch das Mischen der Stationen, das dafür sorgt, dass man beim Lesen schön blättern muss. Beim ersten Buch habe ich das noch händisch gemacht, inzwischen habe ich dafür auch ein kleines Stück Software. Vor allem bei "Dormholm" mit den ungefähr 100 versteckten Referenzen wäre das anders auch nicht gegangen. Da ich mit "Latex" arbeite, purzelt jetzt ein fertiges PDFs mit klickbaren Stationslinks heraus und das Buch ist fertig. Wie lange das ganze dauert, ist unterschiedlich, da ich die Bücher auch mal eine ganze Weile lang liegenlassen muss."
Wie ist der aktuelle Projektstand von "Relegatia", wie wird es weitergehen?
"Wer sich die Häufigkeit meiner Blogeinträge ansieht, wird feststellen, dass es da in den letzten Jahren einen starken Abfall gegeben hat. Der Grund ist einfach. Ich habe wegen meines Hauptberufs viel weniger Zeit. Es gibt halt einfach zu viele gute Ideen. Hinter den Kulissen wird gerade einiges geschrieben. Ich habe ein ganzes Spielbuch und einen ganzen Roman fertig, die allerdings noch lektoriert und korrigiert werden müssen. Ich werde in nächster Zeit voraussichtlich wieder mehr Zeit zum Schreiben haben und mehr veröffentlichen. Was die Zukunft von Relegatia angeht? Pläne gibt es viele, von der Geburt der Vierzehn am Anfang der Zeit bis über das Ende von Allem und darüber hinaus… Als nächster Roman erscheint „Der Gefrorene Garten“, der Nachfolger vom "Turnier von Titania". Schwer, jetzt Details zu erzählen, ohne den Vorgänger zu spoilern ;-) Das "Turnier von Titania" ist der Aufhänger für ziemlich viele Handlungsbögen in "Relegatia". Am Anfang von "Relegatia" wollte ich möglichst viele Charaktere in einem Buch einführen, damit die Welt sich gleich schon mal groß anfühlt. Wie macht man das? Als eifriger Nerd fand ich die Lösung bei "Street Fighter 2" und "Dragon Ball". Einfach ein Turnier veranstalten. Die Charaktere kamen dann wie von selbst: Die Volkshelden mit einfacher Herkunft, die Söldner und Meuchelmörder, die reichen Maulhelden, die verliebten, aber verfeindeten Magier, die Kriegerprinzessin, die treuen Imperialen und die Undercover-Rebellen… Alle haben verschiedene Gründe, um sich beim Turnier zu versuchen, und einen hohen Posten am Hof des Imperators zu gewinnen. Und natürlich hat auch der Statthalter, der das Turnier ausrichtet, seine eigene Agenda. Das Buch kann man sich übrigens kostenlos auf meiner Webseite (Link) herunterladen. In "Der Gefrorenen Garten" geht es um das Schicksal der Sieger und Verlierer des Turniers. Das Buch ist sehr charakterfokussiert und erzählt zwei ineinander verflochtene Geschichten, eine, die von der Dunkelheit ins Licht führt und eine, die vom Licht in die Dunkelheit führt. Ich hoffe, das Buch Anfang 2017 herauszubringen. Auf Seiten der Spielbücher kommt „Der Baum von Vivana“, ein Buch das mal bei 120 Stationen landen sollte und bei 700 rausgekommen ist. Habe ich schon erwähnt, dass ich darin schlecht bin? Das Buch ist ein klassisches Reiseabenteuer. Es ist aber nicht in der „Du“-Perspektive geschrieben, sondern hat als Protagonisten ein Abenteurer-Duo aus Vater und Sohn, das in den Wald von Vivana zieht, um dem Imperium die Vivana-Frucht zu rauben, die jede Wunde heilen kann. Im Laufe des Buchs lernt der Spieler die beiden Charaktere und ihre Beweggründe kennen und muss am Ende ein paar harte Entscheidungen treffen.Das Buch ist fertig und wird gerade probegelesen, was wegen des Umfangs noch viel Zeit verschlingen wird."
Die letzte Frage: Hast Du für aufstrebende Nachwuchsautoren ein paar Tipps & Tricks?
"Der einzig wichtige Tipp ist es eigentlich, regelmäßig zu lesen und zu schreiben. Mir fallen aber spontan fünf Sachen ein, die ich auf die harte Tour gelernt habe. Und auf die harte Tour lernt man ja am besten.
(1) Inspiration beginnt Geschichten, Disziplin beendet sie. Hermann Hesse schrieb ja schon „Jedem Anfang wohnt ein Zauber inne.“ So ist das auch mit dem Schreiben. Man fängt ja eine Idee an, weil man von ihr überzeugt ist. Das ist ein bisschen wie verliebt sein. Irgendwann merkt man dann, dass die Angebetete (Geschichte) doch nicht perfekt ist. Und dann braucht man Disziplin, um trotzdem weiterzumachen und sich durch die Probleme durchzuschreiben. Mir persönlich geht es oft so, dass meine Geschichten von einer großen Szene aus beginnen, um die sie herum wachsen. Anfang und Ende finden sich auch, aber wie man von A nach B kommt, fällt mir manchmal schwer. Die Lösung ist von Geschichte zu Geschichte verschieden. Bei jedem meiner Bücher gibt es aber Teile, die ich nur mit Disziplin durchgeschrieben habe. Immer dran denken: Wer seine Geschichte fertigschreibt, ist allein dadurch schon weiter als der Großteil der Hobbyautoren. (2) Natürlich gibt es da einen Ausweg: Man fängt einfach eine neue Geschichte an. „Eine neue Liebe ist wie ein neues Leben.“ - das ist zwar nicht von Hesse, stimmt aber auch. Also macht man einfach das frustrierende Word-Dokument zu und startet ein neues, unverdorbenes. Tja, irgendwann hat man dann 500 Seiten geschrieben und nichts ist fertig. Das ist auch nicht das Wahre. In die Falle bin ich persönlich voll reingetappt und bin gerade immer noch am Abarbeiten des Berges. Natürlich ist ein bisschen Abwechslung beim Schreiben auch nicht schlecht – ich möchte das langfristig auf einen Roman, ein Spielbuch und zwei Kurzgeschichten parallel beschränken. (3) Mach dir ein Konzept, aber halte dich nicht zu stark daran. Einfach drauflos schreiben ist meiner Meinung nach was für Kurzgeschichten oder für Leute, die weitaus begabter sind als ich. Deswegen habe ich immer ein Konzept. Bei Romanen ist das eine Gliederung, die je nachdem, wie lange das Projekt schon in meinem Hinterkopf schmort, mehr oder weniger ausgefeilt ist. Bei Spielbüchern ist das zumindest eine grobe Struktur des Abenteuers. Das Konzept detailliere ich dann während des Schreibens aus, zum Beispiel, wenn im ersten Kapitel was erwähnt wird, das im letzten Kapitel noch Auswirkungen hat. Aber eine Geschichte ist was Lebendiges und manche Charaktere entwickeln unter den Fingern des Autors ein Eigenleben. In diesem Fall weiche ich von meinem Konzept ab. Dabei muss man natürlich immer im Auge behalten, welche Auswirkungen das später auf das Buch hat. Wie schon erwähnt ist mein nächstes Spielbuch von 120 auf 700 Stationen gewachsen. Die Charaktere hatten einfach mehr zu erzählen, als ich gedacht habe. (4) Arbeite in der Box, bevor du Out-Of-The-Box arbeitest. Der erste Gedanke als Autor ist immer: „Ich muss alles ganz anders machen.“ Das funktioniert aber oft nicht so gut, weil es bestimmte Konventionen halt aus gutem Grund gibt, zum Beispiel die klassischen Geschichtenstrukturen (3-Akt-Struktur, Heldenreise, etc.). Klar kann man diese Strukturen biegen, manche sogar brechen, davor sollte man aber verstanden haben, warum sie funktionieren. Mit meinem ersten Roman ("Das Turnier von Titania") bin ich in diese Falle gelaufen – zwei Dutzend Charaktere, jede Menge Handlungsstränge und ein Ende, naja, das mag ich nicht verraten – die erste Version hat gar nicht funktioniert, weswegen ich das Buch komplett weggeschmissen und nochmal geschrieben habe. (5) Damit auch der nächste Punkt: Übung macht den Meister. Das heißt auch, am Anfang ist man kein Meister. Ernsthaft schreibe ich an "Relegatia" seit 2002 (ja - ich bin alt), die erste veröffentlichte Geschichte ist aus 2007. Meine ersten Bücher waren einfach unterirdisch – und ich habe dann die Entscheidung getroffen, nochmal von vorne anzufangen, weil ein paar zentrale Geschichten einfach nicht mehr meinen Qualitätsansprüchen genügt haben. Die Lektion ist, dass man sich nicht entmutigen lassen sollte, weil man seine eigenen Sachen am Anfang nicht gut findet. Im Gegenteil, damit beweist man einen Sinn für Qualität. Mit jeder geschriebenen Seite lernt man dazu, und irgendwann klappt es dann. Wie gut, das müssen meine Leser entscheiden. ^^°
Vielen Dank für die ausführlichen Antworten. Gern verweise ich auch noch auf Deinen Autorenblog (Link).
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