Nach der gestrigen Rezension zum Kartenspiel „Das Katastrophenspiel“ folgt heute nun eine weitere Indie-Entdeckung von der diesjährigen Messe SPIEL. Wieder handelt es sich um ein Kartenspiel im Selbstverlag, nämlich das „Jeu-d'œuvre“-Kartenspielset, welches kürzlich zusammen mit dem humoristischen Begleitroman „Mit Essen Spiel Man! Baudelaire der Spitzenkoch“ (Rezension morgen) veröffentlicht wurde. Dieses Bildungsspiel – ja, auch wenn es der Autor Stephan C. Daniel anders sieht, ich finde es ist ein solches :-P – erlaubt es, mit zwei Kartensets gleich vier verschiedene Regelvarianten zu spielen. Na, ob ich dabei auch was gelernt habe? Bevor ich zu den verschiedenen Spielvarianten komme, möchte ich erst einmal etwas über den Inhalt sagen: Die ansprechend designte, stabile Kartenbox enthält neben den Regeln zwei Sets mit je 34 Karten. Nämlich das Basisspiel „Nutzen Vergleich“ und das Bonusspiel „Preis-Leistungs-Vergleich“. Diese sind klar und übersichtlich strukturiert, von guter Druckqualität und jeweils mit einem sehr ansehnlichen Aquarell illustriert. Geeignet ist das „Jeu-d'œuvre“-Kartenspielset für 2 – 5 Spieler ab 10 Jahre, die Spieldauer beträgt je nach Regelvariante zwischen 15 und 45 Minuten. Und Regelvariante war auch schon das Stichwort:
- „Nutzen Vergleich“ versetzt die Spieler in die Rolle eines Sportlers. Jede Runde symbolisiert eine Trainingseinheit, bei welcher der aktive Spieler mit seiner gezogenen Karte einen Bedingungssatz formuliert. Dieser stellten die Trainingsstrategie des Sportlers da, beispielsweise „Wir absolvieren heute ein Krafttraining, weil mein Hasenfilet immerhin 23 Gramm Eiweiß enthält.“ :-) Wer in diesem Fall das meiste Eiweiß hätte, würde siegen und die Karten der Verlierer erhalten. Außerdem darf der Sieger die nächste Trainingseinheit auswählen. Die Anzahl der Sternchen in den Kategorien Ausdauer, Kraft und Erholung gibt dem Spieler dabei Hinweise, für welche Trainingseinheiten die aktuelle Nahrung geeignet ist. Um beim aktuellen Beispiel zu bleiben, würde das Hasenfilet bei Ausdauer und Erholung ziemlich untergehen, da es kaum Ballaststoffe und auch ebenso wenig Kohlenhydrate enthält (nämlich jeweils nur 0,001 Gramm – Ha! Wieder was gelernt lieber Stephan C. Daniel, es ist also doch ein Bildungsspiel :-P). - „Preis-Leistungs-Vergleich“ funktioniert im Prinzip genauso. Hier geht es allerdings darum, wie teuer ein Nahrungsmittel wäre, wenn man ausschließlich dieses für die Deckung seines Tagesbedarfs an Eiweiß und Kohlenhydraten nutzen würde. Dies sind mitunter surreal hohe Kosten; um beim oben genannten Beispiel Hasenfilet zu bleiben: Die von einem 90 Kilo schweren Mann benötigten 153 Gramm Eiweiß würden 21,55 € kosten, die 540 Gramm Kohlenhydrate dagegen 1.749.600 € - Wir erinnern uns, da stecken kaum Kohlenhydrate drin, entsprechend groß müsste die Menge sein. Die Preisangaben sind dabei saisonbedingte Mittelwerte aus biologischer und konventioneller Haltung, in diesem Beispielfall würde etwa mit 3,24 € je 100 Gramm gerechnet werden. Für Frauen sind ebenfalls eigene Werte abgedruckt, wobei diese jeweils von einer sportlich aktiven Person ausgehen. - Beim “Protein Poker“ starten die Spieler mit jeweils fünf Karten auf der Hand und versuchen, möglichst viele Kartenreihen bestehend aus mindestens drei Karten (den sogenannten Aminosäure-Verkettungen) mit möglichst hohen Proteinwerten auszulegen. Dabei darf in jeder Runde eine nicht benötigte Karte offen abgelegt werden, um hiernach eine neue Karte zu ziehen. Wer mindestens zwei Aminosäure-Verkettungen ausgelegt hat, bekommt 5 Gramm Bonus. Das Spiel endet, sobald alle Karten aufgebraucht sind, gewonnen hat der Spieler mit dem meisten Protein. Persönlich finde ich diese Spielvariante als die spaßigste :-D - Die letzte Spielvariante heißt „Nahrtett“ und hat meiner Meinung nach die simpelsten Regeln. Man zieht vier Karten, legt jede Runde offen eine ungewollte Karte ab und zieht eine neue. Ziel ist es, möglichst viele viergliedrige Kartenreihen mit einem „P“ (für pflanzlich) oder einem „T“ (für tierisch) auszulegen. Ist der Kartenstapel leer, wird aus den abgelegten Karten ein neuer gebildet, bis irgendwann alle Karten verbraucht sind.
Der Sieger wird in jedem Spiel dann zum „Spitzensportler“ ernannt und darf, so empfehlen es die Regeln (welche man sich auch hier (Link) online anschauen kann), sich ein von den Verlierern organisiertes Training mit anschließendem Kochabend wünschen. Eine großartige Idee, genau wie das gesamte Spiel :-) Das „Jeu-d'œuvre“-Kartenspielset ist im „Public-Tools“-Selbstverlag (welcher mir dankenswerterweise ein Rezensionsexemplar zukommen ließ) erschienen und kostet im Anbetracht der Druckqualität und der Verlagsgröße akzeptable 19,90 €. Fazit: „Jeu-d'œuvre“ (Link) bietet vier mehr oder minder simple, aber spaßige Kartenspiele, bei denen man nebenbei auch noch was lernt. Zugegeben, die Spielmechaniken sind alle bekannt, aber die Umsetzung ist durchdacht und stylisch, daher kann ich die Kartenspielbox bedenkenlos beispielsweise für den Einsatz im Schulunterricht empfehlen.