Normalerweise schreibe ich ja erst eine Rezension und lasse daraufhin das Interview mit dem Autor folgen. Aber diesmal ist alles umgedreht, immerhin sind wir ja bei den "The real Revengers" und nicht bei den "Avangers" ;-) Hierbei handelt es sich um ein spannendes deutsches Comic-Projekt, welches mit einem interessanten Story-Ansatz und professionellen Zeichnungen mein Interesse weckte. Hallo PM. Wie kamst Du zum Medium Comic?
"Ich lese seit ca 1993 intensiv Comics aus dem US-Markt. Mein Einstieg lief über "Marvel", "Darkhorse" und "DC". Später war ich natürlich ein großer Fan der "Image Comics", da ich als junger Mensch vor allem von den Zeichnungen begeistert war und sich dort die Creme de la Creme von "Marvel" versammelte. Absolute Klassiker von "Image Comics" sind für mich bspw. "Spawn", "Fighting American", "Gen 13" oder "Divine Right". Mit der Zeit lernt man aber gute Geschichten zu schätzen, weswegen ich heute kein Anhänger mehr von Serien oder Verlagen bin, sondern mich eher an Einzelwerken orientiere. Dorthin gehend sehe ich auch eher den modernen Trend. Früher standen nur die Zeichnungen im Mittelpunkt, während heute die Autoren auch zu ihrem Ruhm kommen."
Wie wurdest Du Comic-Autor?
"Ich habe selber schon immer gerne Comics geschrieben und gezeichnet. Comic-Projekte waren für mich aber immer nur ein Privatvergnügen. Ich arbeite hauptberuflich als Autor und Lektor in der TV-Branche. Allein aus zeitlichen Gründen war es schwer, hochwertig angelegte Comic-Projekte neben meinem normalen Beruf umzusetzen. Daher habe ich mich bei meinem aktuellen Projekt auch auf Story und das Grafikdesign beschränkt und die Zeichnungen ausgelagert. So war es für mich möglich, ein sehr hochwertiges Produkt zu generieren und gleichzeitig nicht in Konflikt mit meiner Haupttätigkeit zu kommen."
Wurdest Du bei "The real Revengers" von irgendwelchen bekannten Comics inspiriert und welche Idee steckt hinter deinem Comic?
"Die Idee hinter dem Comic legt sich mit den ganz großen der Branche an. Ich ertrage den aktuellen Relaunch-Trend bei "Marvel" und "DC" nicht mehr. Es grenzt an Verzweiflung, Serien wie "Spiderman" nicht besser modernisieren zu können. Natürlich verstehe ich, dass "Marvel" seine Helden an die junge Leserschaft anpassen will, aber als alt eingesessener Leser fehlen mir da die Innovationen. Titel wie „Old Man Logan“ oder „Kick Ass“ von Mark Milllar, zeigen ja, dass die Leser geradezu nach innovativen Transferleistungen des Superhelden Genres dürsten. Dieser Idee folgt auch „The real Revengers“. Stell dir mal vor, wir transferieren die Comic-Universen von "Marvel" und "DC" in unsere echte Welt. Charaktere wie "Spiderman" oder "Batman" finden wir auch in der Realität. Klar sind das weder Mutanten noch Aliens, aber es wäre doch spannend eine Geschichte zu machen, die versucht, genau diese Charaktere aufzugreifen und sich an den bekannten Vorbildern zu orientieren. Und genau darum geht es bei „The real Revengers“. Schon der Titel ist eine Anspielung auf einen bekannten "Marvel"-Titel. Ich wollte den Comic aber nicht zu plump machen, sondern den echten Fans von Superheldengeschichten auch etwas Knobelarbeit geben. So wird der Leser die transferierten Superhelden nicht sofort am Aussehen oder dem Namen erkennen können. Vielmehr gibt es im gesamten Heft immer wieder Anspielungen, Hintergründe, Fähigkeiten und Verhaltensmuster, an denen die Fans den entsprechenden Superhelden erkennen können. Bei einigen Charakteren sind auch die direkten Verknüpfungen untereinander, wie im Comic-Vorbild gegeben. Bei anderen empfand ich es als unangemessen. Die Geschichte steht aber für sich selbst. Ich knüpfe an keinen Epos aus "Marvel" oder "DC" an. Mir war es wichtig, trotz der Verbindungen zu bekannten Comics etwas eigenständiges zu schaffen."
Kannst du ein Beispiel für so einen Superhelden-Transfer nennen?
"Naja, stell dir vor, du hast einen Charakter wie Venom, aus der "Spiderman"-Saga. Ich kann mir kaum vorstellen, dass jemand mit den Charaktereigenschaften von Venom, bzw. Eddie Brock, wie ja seine menschliche Seite heißt, wie im Comic mal als Journalist gearbeitet hat. In meinem Comic kommt „Venom“ aus einer üblen Gegend, in einem Vorort in New York City. Seine direkte Beziehung zu Peter Parker ist wie im Comic vorhanden, aber emotional betrachtet noch viel komplexer, als im Comic. Bei mir sind die ehemaligen Erzfeinde Spiderman und Venom keine Fremden. Sie sind Stiefbrüder und grundverschieden. Dieser ewig gärende Konflikt bekommt also diesmal eine feste Grundlage. Denn sind wir mal ehrlich, wenn dich im echten Leben ein Psychopath und Hitzkopf wie Venom bedroht, ziehst du entweder um oder gehst zur Polizei."
Das klingt, als wäre deine Version von Spiderman sowas wie die Hauptperson?
"Ja, das kann man durchaus so sagen. An ihm wird sich viel orientieren, was für die Handlung wichtig ist. Auch die Romanze zu Black Cat und Mary Jane wird es geben, wobei Mary Jane hier wohl eher nur als Synonym zu betrachten ist."
Du hast eben auch Batman erwähnt. Welche Rolle wird er im Comic spielen?
"Eine sehr große sogar. Allerdings denke ich, dass ein echter Milliarden-Erbe sein Geld lieber in Nutten und Champagner steckt, als selbstlos Verbrechen zu bekämpfen. Wir werden eine Version von Bruce Wayne mit einem sehr ähnlichen Hintergrund sehen. Doch diese Person ist in keiner Weise so gefestigt, wie das Rollenvorbild. Stell‘ dir eine Mischung aus Dan Bilzerian und Donald Trump vor."
Dein Comic hat den Subtitle „True Heroes start as bad boys“. Was hat es damit auf sich?
"Ganz einfach. Bei mir gibt es keine Helden oder Bösewichte im klassischen Sinne. Die Menschen sind eben wie sie sind und jeder denkt vor allem erst mal an sich selbst. Es gibt keine idealisierten Charaktere wie bei "Marvel" oder "DC", die ihre Helden mit einer Schwarz/Weiß Mentalität angelegt haben. Natürlich gibt es auch bei „The real Revengers“ Sympathieträger, aber der Leser wird deutlich mehr Ecken und Kanten finden, als in klassischen Heften. Genauso wie bei der Entwicklung der Charaktere in der Geschichte. Ich bin kein Freund von diesen klaren Archetypen. Die Charaktere werden sich im Lauf der Geschichte verändern und am Ende Ist keiner mehr, wie er vorher war. Das ist ein Gegensatz zu den Geschichten in klassischen Superhelden-Comics, wo sich die Charaktere trotz vieler negativer und positiver Erfahrungen kaum verändern. Aber gerade das macht ja unsere Menschlichkeit aus."
Wer arbeitet noch alles an den Comics?
"Für die Preview habe ich mit einem amerikanischen Zeichner zusammengearbeitet, der meine Vorstellungen für das Cover umgesetzt hat. Es sollte eine Anlehnung an "Spiderman #1" sein, eine Miniserie von Todd Mcfarlane aus den 90gern. Dazu habe ich noch mit einer talentierten bulgarischen Zeichnerin gearbeitet, die nach meinen Vorgaben die Seiten gestaltet hat. Das Lettering und restliche Grafikdesign habe ich übernommen."
Was muss man als Comic-Autor beachten? Worin unterscheidet sich die Arbeit beispielsweise an einem Roman?
"Da gibt es schon ein paar Unterschiede. Ein ganz wichtiger Teil ist natürlich, wie bei einem Drehbuch die Spielzeit bzw. Länge zu beachten. Ein Roman ist da viel flexibler. Aber als Comic Autor bekommt man normalerweise vom Verlag eine Seitenzahl vorgegeben, auf denen die Geschichte in Bildern erzählt werden muss. Wenn du jetzt noch bedenkst, dass auch die Anzahl der Panels pro Seite allein aus gestalterischen Gründen eingeschränkt ist, musst du ganz genau überlegen, was du wie darstellen willst. Dann muss dir auch klar sein, was deine Charaktere sagen wollen, denn die Sprechblasen müssen ja auch noch irgendwohin, ohne wichtige Bildabschnitte zu bedecken. Machst du zu viel Text, leiden die Bilder, machst du zu wenig leidet die Tiefe der Charaktere. Ich habe zwar keine Seitenzahl vorgegeben, da ich Selbstverleger bin, aber muss mich trotzdem an den Lesegewohnheiten der Menschen orientieren. Dazu kommt dann natürlich, dass jede Seite dich als Verleger Geld kostet und du das alleinige Riskio für den Verkauf trägst. Die Zeichner werden pro Seite bezahlt und auch ein möglicher Druck muss beachtet werden. Daher muss man nicht nur aus künstlerischen, sondern auch aus finanziellen Gründen immer abwägen, wie viel Story man in eine gewisse Anzahl von Seiten stecken kann. Dramaturgisch gesehen, ist die Arbeitsweise aber die gleiche wie bei Drehbüchern oder Romanen."
Mittlerweile ist die Preview-Version erwerbbar. Wie und wann wird es weitergehen?
"Da ich das alleinige finanzielle Risiko trage, muss ich abwarten, wie meine Idee bei den Lesern ankommt. Die Preview dient als Experiment und zur Gründung einer möglichen Fanbase. Ohne die ist eine weitere Umsetzung auf dem Niveau der Preview kaum möglich."
Wird es auch eine gedruckte Variante geben? Eventuell, wie andere Nachwuchsprojekte, per Crowdfunding finanziert?
"Es wird auch von der Preview ein paar gedruckte Versionen geben, die aber vorerst nicht in den freien Handel kommen werden. Das Crowdfunding ist die nächste Stufe, für das eine gedruckte Version auf jeden Fall ein schönes Goodie wäre. Ich habe da schon ein paar Sachen vorbereitet, die für Fans interessant sein könnten. Unteranderem ist bereits eine Pre-Preview von dem Charakter „Veronica“ fertig und eine längere Deluxe Version der Preview, bei der ich mit einem anderen Zeichner zusammengearbeitet habe."
Hast du keine Angst, dass Marvel oder DC auf dich aufmerksam werden und dich abmahnen?
"Nicht wirklich. Zum einen ist das Projekt viel zu klein. Zum anderen, stelle ich im Heft keine aktiven Bezüge zu ihren Charakteren her. Ich nutze andere Namen, Kostüme etc. Juristisch betrachtet, breche ich also kein Urheberrecht und abstrahiere nur, was das Ganze zu einem neu geschaffenen künstlerischen Werk macht, wie bei einer Persiflage."
Und zuletzt: Magst Du den Lesern einen kleinen Spoiler geben?
"In der Preview liegt der Schwerpunkt darauf, einige der Charaktere darzustellen und der Handlung eine Richtung zu geben. Grundsätzlich wird es später aber um eine weltweite Verschwörung und einen uralten Maya-Kult gehen, in den unsere Hauptfiguren Widerwillen involviert werden. Das eigentliche Ende wird alle überraschen und den Kreis zu den Comic-Universen schließen. Vorher werden die Leser immer wieder auf neu transferierte Helden treffen. Manche werden auch nur kurze Cameoauftritte haben, aber die Charaktere aus der Preview sind nur ein Bruchteil von dem, was ich erarbeitet habe."
Ich danke Dir für das Interview, freue mich schon auf die erste reguläre Ausgabe und verweise gerne auf die Webseite zum Comic (Link).
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