Das actionreiche Emo-Jugendbuch „Die Kinder der Kirschblüte: Die Kinder erwachen“ hatte zwar ein paar Story-Schwächen, um es aber mit den Worten meiner damaligen Gast-Rezensentin Jakobina zu sagen: „Hier werden Türen aufgestoßen, um eine große Geschichte daraus zu machen.“ So erwartete ich tatsächlich überaus neugierig den zweiten Teil „Bahlheim“, da mich interessierte, ob der Autor Cardo Polar (für mich immer noch einer der großartigsten Künstlernamen überhaupt :-)) an den Kritikpunkten des Vorgängers gearbeitet hatte und das Potential der Geschichte nutzen würde... „Bahlheim“ setzt da an, wo „Die Kinder erwachen“ endete: Hanna, die Hauptfigur des Buches, war mal ein depressives Emo-Mädel, welches zusammen mit ihren Online-Freunden die Selbstjustiz-Untergrundgruppe „Die Kinder der Kirschblüte“ gründete. Nach einigem Hin und Her im ersten Band befindet sich die Gruppe nun auf einem geheimen Landgut in der ostdeutschen Provinz, wo die Truppe trainiert und ihre nächsten Schritte plant. Nun ist Hanna dabei keine normale junge Frau, sondern gehört einer langen Blutlinie von so etwas wie Magiern an, welche mit Hilfe von historischen Artefakten, welche mit dem Körper verschmelzen, eine ganze Reihe an coolen Jedi-Tricks können. Der titelgebende Obermagier Bahlheim ist nun ganz wild darauf, Hanna in seine Finger zu bekommen, da sie – ohne es zu wissen – für ihn der Schlüssel ist um maximale Macht zu erlangen. Mit ihren neuen Freunden Anastasia und Andrej, welche sie im ersten Teil vor Bahlheims Schergen retteten, bereitet sie sich nun auf den unausweichlichen Kampf vor und versucht gleichzeitig, mit ihrer Emo-Untergrundgruppe all den bösen Menschen da draußen eine Lektion zu erteilen. Zu allem Übel steht das pubertäre Mädchen auch noch zwischen zwei Jungs ihrer Gruppe, sodass ihr nicht nur Bahlheim und die Polizei, sondern auch noch die Hormone zusetzen ;-) Die zweite wichtige Protagonistin des Buches ist die junge Frau Sarah, welche im Vorgänger bereits im 19. Jahrhundert ihre Kräfte entdeckte. Durch diese altert sie sehr langsam, daher zieht sie sich nach den zwei harten Schicksalsschlägen des ersten Bandes in den tiefen Wald zurück. Dort, abgeschieden von der Welt, ziehen die Jahrzehnte an ihr vorbei. Ganz, ganz langsam freundet sie sich mit einer Bewohnerin eines nahegelegenen Dörfchens an – Nur um wieder einen Schicksalsschlag zu erleiden. Im Zuge dessen wird sie allerdings Ziehmutter eines Kleinkindes. Durch dieses lernt sie das erste Mal seit vielen Jahrzehnten wieder einen Menschen zu lieben. Doch während der Junge wächst, bleibt sie annähernd gleich jung, und irgendwann muss sie sich entscheiden... Hier schafft es der Autor, diese in der Vergangenheit spielende Geschichte rund um Sarah mit den in Gegenwart agierenden Kirschblütenkindern zu verknüpfen. Dadurch fügt sich dieser Handlungsstrang auch harmonisch in die Gesamtgeschichte ein, womit ein Kritikpunkt des Vorgängers (die Sarah-Geschichte wirkte dort wie ein Fremdkörper, der die Hanna-Handlung ausbremste) schon mal gekonnt angegangen wurde. Auch erlangt Sarah in diesem zweiten Band mehr charakterliche Tiefe (wenn auch noch lange nicht so viel wie Hanna), sodass Cardo Polar einen weiteren großen Kritikpunkt (Nebencharaktere, zu denen damals auch irgendwie Sarah zählte, waren nicht mehr als Stichwortgeber) zumindest teilweise verbessert hat. Mit Nicole, im Vorgänger eher das Flucht-Anhängsel, bekommt zumindest eine weitere Nebenfigur ein paar schönen Szenen, in denen sie als loyale Leidensgenossin Hannas positioniert wird. Die anderen Figuren bleiben allerdings weiter eher Stereotypen: Der (vielleicht?) ehemalige Love Interest Sven ist der großmäulige, aber psychisch labile Loser. Andrej ist der große Bruder, der sich in seine für alle unerwartete Rolle als Hannas (vielleicht?) neuer Love Interest noch hineinfinden muss. Anastasia ist die strenge Mutti. Und mit Quotennerd BloodAngel ist die Emo-Selbstjustiztruppe dann vollständig. Ihnen gegenüber steht mit Bahlheim ein einfach nur machthungriger, verrückter Oberbösewicht mitsamt einiger sadistischer Magier-Schergen sowie Trensing als verbissener, was Magie angeht noch etwas ungläubiger Kommissar. Vielleicht sind dies auch einfach, für ein mit 280 Seiten im Vergleich zum 160-seitigen Vorgänger wesentlich dickeres Buch, noch immer zu viele Erzählstränge? Hier wäre wohl weniger mehr gewesen! So aber wirken manche Plotelemente sehr gut ausgearbeitet, beispielsweise das Zusammenwachsen und Agieren der „Kinder der Kirschblüte“ sowie der komplette Sarah-Handlungsstrang und vielleicht auch noch die Suche nach Verbündeten. Andere jedoch, gerade etwa das Liebesdreieck zwischen Hanna, Sven und Andrej sowie die inneren Konflikte der Figuren und die Etablierung der Antagonisten – ich zähle hier nach meiner persönlichen Empfindung auch Sven dazu :-P – geschieht einfach zu hastig und oberflächlich. Hastig ist nun auch ein sehr gutes Stichwort: Die Geschichte wird mit einer schnellen, direkten und gelegentlich fluchenden Sprache erzählt, bei der das Wort „derbe“ eindeutig zu häufig verwendet wird ;-) Der Schreibstil ist fast schon als treibend zu bezeichnen, was mir nach einer kurzen (Wieder-)Eingewöhnung sehr gut gefallen hat. Selten hält sich der Autor mit genauen Detailbeschreibungen auf, hier folgt in rascher Abfolge Ereignis auf Ereignis. Einerseits ist dies für das Leseerlebnis sehr gut, da nie Langeweile aufkommt. Andererseits verfällt der Autor dabei oft in einen eher gesprochenen klingenden Schreibstil, der jedem Grammatik-Fanatiker graue Haare wachsen lässt :-P Das Lektorat hat aber insgesamt ganz gut gearbeitet (wenig Rechtschreibfehler, aber manchmal falsche Bindestrich-Verwendung), das Layout muss jedoch offen kritisiert werden: Viel zu oft gibt es falsche Absätze, seltener besteht eine Zeile im Fließtext nur aus zwei Wörtern mit ewig viel Platz dazwischen. Aber bei Books-on-Demand sollte es ja kein Problem sein, diese Fehler rasch zu korrigieren, auch wenn ich für ein 8,49 € teures/günstiges Taschenbuch (welches mir der Autor dankenswerterweise zur Verfügung stellte) eigentlich erwarte dass das Layout stimmt. Das eBook kostet günstige 1,49 €. Fazit: Cardo Polar hat es geschafft, die größten Kritikpunkte des Vorgängers auszumerzen. Außerdem beginnt er gekonnt die im ersten Teil noch losen Handlungsstränge miteinander zu verknüpfen und offene Fragen zu beantworten. Das alles macht er in seinem bekannten dynamischen, treibenden Schreibstil, welcher es wieder schaffte mich dieses Buch in Rekordzeit durchlesen zu lassen. Es gibt zwar noch einige Schwächen, aber im Vergleich zum ersten Teil „Die Kinder erwachen“ (Link) hat sich „Bahlheim“ (Link) deutlich um 4 Prozentpunkte auf nunmehr 77 % beziehungsweise 3,85 von 5 Sternchen eines kapitalistischen Großbuchhändlers gesteigert! PS: Wichtig ist noch der Hinweis, dass man unbedingt den ersten Teil gelesen haben sollte. Den gibt es ja bekanntermaßen aktuell als kostenloses Dankeschön für Leserpreis-Abstimmer (Link), aber Cardo hat auch zusätzlich noch einen für Neueinsteiger sehr empfehlenswerten Doppelband (Link) veröffentlicht.
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