Eigentlich heißt es ja immer „Schuster, bleib bei deinen Leisten“, und tatsächlich sind bisher schon einige SchauspielerInnen daran gescheitert ein gutes Buch zu schreiben. Versucht hat dies nun auch Evangeline Lilly, welche Comic-Freunden sicherlich in ihrer Rolle als Hope van Dyne in der „Ant-Man“-Verfilmung bekannt ist, mit dem Kinderbuch „Die Kwickerwonker“. Ob dies bei ihr klappt? Die Geschichte ist rasch erzählt: Das kluge, aber verzogene Prinzessin Vera besucht auf einem gruseligen Jahrmarkt ein Marionettentheater. Nacheinander werden ihr dort neun Gestalten vorgestellt, welche alle mit einem charakterlichen Makel behaftet sind: Der hochmüt'ge Pa, die miese Mama, Thaddäus der Tropf, die gierige Gesa, der eitle Emil, die faule Frieda, der hungrige Heinrich, der schicke Schorsch, und die stumme Stella. Vera ist mutig genug, sich auf die Bühne zu dieser Gruppe zu gesellen, die ihr dafür erst mal ihren geliebten roten Luftballon zerstechen. Das lässt das verzogene Kind natürlich nicht auf sich sitzen, sie ruft mit ihrem Opa (den König vom Geschlecht der Rin-Run) um sie allesamt zu bestrafen. Doch dieser hat einen ganz eigenen Plan... Ich habe gelesen, dass die Autorin ganze 18 Bände für diese Kinderbuchreihe plant. Dann liefert sie hoffentlich schnell nach, denn dieser Auftakt ist leider noch recht kurz und mit so einer Art Cliffhanger versehen. Eigentlich passiert gar nicht viel, außer dass die handelnden Figuren vorgestellt werden, der rote Luftballon zerplatzt und Vera die überraschende Strafe für ihre schlechte Erziehung bekommt. Was, sieht man diesen Auftaktband als alleinstehendes Werk, sicher einige bedenkliche Fragen hinsichtlich der Moral dieser Geschichte aufwirft, im Gesamtkontext einer vielteiligen Reihe so aber zweifelsohne notwendig ist und sich damit fast schon an das mittelalterliche Heldenideal anlehnt. Die Charakterisierung der auf eine wesentliche, negative Eigenschaft reduzierten Figuren erfolgt mittels Limerick-Reimen. In dieser Form ist das gesamte Buch gehalten, wobei man streng genommen anmerken muss, dass es kein echter Limerick ist: Zwar verfügen die Texte über das anapästische Versmaß in allen Zeilen und der Längenkontrast zwischen den dreihebigen Zeilen 1, 2 und 5 einerseits und den zweihebigen Zeilen 3 und 4 andererseits passt auch. Allerdings ist das Reimschema nicht aabba, sondern abccb, also eher eine Art Schweifreim wo ein a fehlt. Das wirkt am Anfang ungewöhnlich, funktioniert aber. Wobei ich hier dem Übersetzer Matthias Wieland gar keinen Vorwurf machen will, sondern ihn stattdessen loben muss. Er hat sowohl den Inhalt gut übersetzt als auch einen passenden Rhythmus gefunden, wenn er dazu auch an einigen wenigen Stellen Wörter benutzt welche Kindern eher weniger bekannt sein dürften. Das wahre Highlight des Buches ist allerdings nicht die Geschichte, sondern deren großartige grafische Umsetzung. Zeichner Johnny Fraser-Allen liefert durchgehend atmosphärische, düstere Zeichnungen (die allerdings nicht zu düster sind, auch Kinder im Grundschulalter können sie problemlos anschauen). Daran kann man sich gar nicht sattsehen :-D Diese Bilder werden vom „Panini Verlag“ (welcher mir dankenswerterweise ein Rezensionsexemplar zur Verfügung stellte) qualitativ hochwertig in einem 72-seitigen Hardcover veröffentlicht. Da die eigentliche Geschichte recht kurz ist, wird noch eine ganze Menge interessantes Bonusmaterial geboten: Angefangen mit einem Vorwort von Peter Jackson, einer Abhandlung über die Entstehungsgeschichte der Zeichnungen bis hin zum Original-Gedicht der damals Vierzehnjährigen. Seinen Preis von 14,99 € ist dieses Buch damit definitiv wert! Fazit: Basierend auf einem Gedicht, welches Evangeline Lilly schon im zarten Alter von 14 Jahren schrieb, entwickeln die Reime dieser illustrierten Kurzgeschichte (Link), gerade auch durch die wundervollen Illustrationen, eine ganz eigene Faszination. Nicht nur für Kinder, sondern auch für Erwachsene, gibt es deshalb eine Kaufempfehlung :-)
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