Den kleinen Karlsruher Indie-Verlag „Flying Games“ von Markus Still, den ich auch schon im Interview (Link) hatte, gibt es ja nun schon 20 Jahre. Aber sind wir ehrlich, trotz von Kritikern gelobter Rollenspiele („TRAUMA“, „Idee!“) und Tabletops („Level 2“) blieb dem Verlag doch der wirklich große Erfolg verwehrt – Bis jetzt! Denn mit dem Rollenspiel-Brettspiel-Mix „UltraQuest“, an dem der Markus höchstselbst fast anderthalb Jahrzehnte lang gearbeitet hat, ist dem Spieleverlag endlich der Durchbruch gelungen. Da frage ich mich doch: Zurecht?
„UltraQuest“ ist ein Brettspiel mit Rollenspiel-Elementen für 2 – 5 Teilnehmer, bei dem jeder Spieler eine vierköpfige Abenteurergruppe übernimmt und mit ihr das Fantasy-Königreich Ultimor bereist. In jeder Runde müssen sich die Helden einem Zufallsereignis stellen oder eine Quest absolvieren. Das können dabei ganz profane Überraschungsangriffe von Räubern sein, aber auch Saufwettbewerbe, Lehrmeister, Markttage und Schatzsuchen. Mit jeder erfolgreich absolvierten Aufgabe sammeln die Helden mehr Gold!, Ruhm! und Ehre! (nur echt mit Ausrufezeichen!), um sich besser ausgerüstet und hochgelevelt immer tiefer in die tödliche Spielwelt vorzuwagen. Am Ende gewinnt der Spieler, welcher als erster einen legendären Gegenstand beim König abliefert oder 100 Ehre! eingesammelt hat.
Bevor man sich in die Schlacht stürzt, muss aber erstmal die vierköpfige Heldentruppe zusammengestellt werden. Mit 8 Rassen (darunter Halbenten! :-D) und 6 Berufen steht eine ausreichende Auswahl zur Verfügung, damit selbst in großen Runden kein Trupp dem anderen gleicht. Dabei geht die Erschaffung schnell von der Hand: Man wählt Name, Rasse, Geschlecht und Beruf, erwürfelt die Spezialfähigkeiten sowie das Startgold und kann dann direkt loslegen. In jeder Runde würfelt man mit einem W100 ein Zufallsereignis aus, welches der Nachbarspieler vorliest. Dabei steigt der Schwierigkeitsgrad umso mehr an, je weiter man sich vom Startgebiet entfernt. Anstatt sich zu bewegen oder ein Abenteuer zu bestreiten, kann man aber auch eine Spezialaktion wie beispielsweise Ausruhen/Heilen und Handeln durchführen. Oder neue Abenteurer anwerben, wenn mal wieder ein Gruppenmitglied mehr oder wenig heroisch das Zeitliche gesegnet hat.
Und das passiert in den ebenso simplen wie spannenden Kämpfen recht oft: Für jeden unverletzten Kampfteilnehmer wird ein W6 geworfen, hinzu addiert man den jeweiligen Nah- oder Fernkampfbonus. Dann vergleicht man die Ergebnisse der Kontrahenten, die jeweilige Differenz zwischen Sieger und Verlierer wird in Schadenspunkten umgerechnet. Hier kommt nun ein wenig Taktik ins Spiel: Vor jedem Kampf muss eine Marschordnung festgelegt werden. Der vorderste Abenteurer kassiert den ersten Schaden, der Nächste den zweiten,… und wenn der vierte und damit letzte Abenteurer einen Schaden kassiert hat und noch welcher übrig ist, geht es wieder von vorn los. Dabei reicht schon ein Treffer, um den Abenteurer aus dem Kampf ausscheiden zu lassen, der zweite Treffer bedeutet den Tod des Helden. Mit verschiedener Ausrüstung (Schilde und Rüstungen fungieren als Lebenspunktbonus) sowie Heiltränken und Zaubern kann man seine Chancen zwar verbessern – Im Endeffekt reichen aber ein, zwei ungünstige Würfelergebnisse aus um eine Heldentruppe auszulöschen. Ich weiß nicht, ob meine Mitspieler und ich einfach viel zu aggressiv waren, aber wir sind recht oft gestorben und das hat uns irgendwann schon ein wenig frustriert. Diese hohe Sterblichkeitsrate (selbst in den Anfängerregionen) beziehungsweise starke Würfelabhängigkeit von Kämpfen war dann auch der einzige Kritikpunkt, den wir an „UltraQuest“ hatten.
Was bedeutet dies im Umkehrschluss? Genau, dass wir ansonsten im höchsten Maße begeistert waren! Das Spielprinzip von Leveln & Looten funktioniert einfach wunderbar, sodass die Zeit wie im Flug vergeht. Ich will nicht vom inflationär gebrauchten Wort „suchterzeugend“ reden, aber viel zu oft hab ich mir gedacht „Hey, es ist schon so spät… Aber ein Verlies will ich noch erkunden! Und nur noch ein paar Goldstücke, dann kann ich meiner Halbente Herbert eine meisterhafte Zweihandaxt kaufen… Oh nein jetzt ist schon wieder Mitternacht!“ :-D Die über 1000 Zufallsereignisse sind abwechslungsreich beschrieben und strotzen nur so vor kreativen Ideen. Mein persönliches Highlight waren dabei die Städte und Dörfer, welche durch die beschriebenen Ereignisse lebendig erschienen, und die mehrstufigen Verlies-Expeditionen, welche man so auch direkt bei der nächsten Rollenspielrunde zocken könnte.
Präsentiert wird „UltraQuest“ in einer angenehmen Retro-Optik. Besonders das Titelbild hat es mir angetan, das möchte ich gerne als Poster (Wink mit dem Zaunpfahl für zukünftiges Merchandising). Ansonsten ist das Layout ohne optische Spielereien, dadurch aber auch sehr übersichtlich. Einzig das 16-seitige Regelheft, welches neben den Regeln auch die Spezialfähigkeiten enthält, hätte noch ein Inhaltsverzeichnis gebraucht. Und vielleicht ein paar glattgebügeltere Sätze ;-) Insgesamt ist der Aufbau aber verständlich, sodass man rasch beginnen kann. Hier trifft der Satz „Leicht zu lernen, schwer zu meistern“ vollkommen zu! Nicht ganz überzeugen konnte mich lediglich die Regelhilfe-/Ergänzungskarte, welche vom Inhalt her ein wenig zusammengewürfelt wirkte und bei absoluten Anfängern – um im Setting des Spiels zu bleiben – eher für Frage- als für Ausrufezeichen sorgte :-P Wem es noch so geht: Bei Fragen hilft der Autor/Verleger auch schnell und gerne im offiziellen Forum (Link), auf Facebook (Link) und sogar per Telefon weiter :-)
Womit wir auch schon beim Inhalt wären. Mit einem Preis von 42 € liegt „UltraQuest“ in einem erwartbaren Rahmen. Die Qualität geht in Ordnung, auch wenn ich mir eher einen Spielplan aus Karton und eine stabilere Verpackung gewünscht hätte – Wobei ich einsehe, dass so ein Kleinverlag dann wohl eher 60 € verlangen müsste. Enthalten sind in der Box ein DIN-A3-Spielplan des Königreiches Ultimor, das farbige Spielregelheft, das 84-seitige, schwarz-weiße Ereignisheft, Spielmarker zum Ausschneiden, 90 Abenteurer- und 20 Gruppenbögen, 4 DIN-A5-Übersichtstafeln, 16 Würfel (W6 und W10/100) sowie 6 Spielfiguren. Eine ganze Menge also, und wenn man bedenkt, dass man mit „UltraQuest“ eine sehr lange Zeit über sehr viel Spaß haben wird, dann geht die Preis/Leistung vollkommen in Ordnung.
Fazit: In einem Interview (Link) sagte Markus, dass von über 100 Testspielern nur drei das Spiel nicht so sehr mochten. Auch in meiner Spielgruppe kam dieser überraschend durchdachte und liebevolle Brettspiel-Rollenspiel-Mix gut an. Und so will ich gar nicht meine Meinung alleine kundtun, sondern alle meine Testspieler eine Wertung vergeben lassen: Die Runde mit Rollenspiel- und Brettspielanfänger vergab 3,9 / 5 Punkte. Bei den Profis kamen wir auf 4,4 / 5 Punkte. Das macht im Durchschnitt 4,15 / 5 Punkte. Da mir persönlich „UltraQuest“ (Link) sehr gut gefallen hat, runde ich hier frech auf zur finalen Wertung von 4,2 Punkten.