Heute möchte ich ein Buch besprechen, welches ich schon seit einiger Zeit bei mir habe. Nur bin ich irgendwie nie dazu gekommen, endlich mal den Artikel fertig zu machen. Nicht, weil mir die Zeit gefehlt hätte, sondern weil ich sowohl mehrere Anläufe beim Lesen als auch (da sogar mehr) beim Rezensieren benötigte. Denn zugegeben, beworben als Graphic Novel und angepriesen als „Ein betörendes modernes Märchen über die Macht der Träume und die Wege von Liebe und Schuld, auf denen sie uns leiten; abgründig, traumtrunken und voller Poesie.“, habe ich ein anderes Werk erwartet. Dieses Zitat auf dem Buchrücken stammt übrigens von Oliver Plaschka, der mir zwar nichts sagt, aber mit einem „Deutschen Phantastik Preis“ (2008 für das beste deutschsprachige Romandebut) sollte er ja wissen wovon er redet ;-) Ich hab wie gesagt ein anderes Werk erwartet: Zuerst mal verstehe ich unter dem Begriff Graphic Novel etwas anderes. Klar, es gibt keine allgemeingültige Definition, aber hier deckt sich Wikipedia (Link) mit meiner Meinung: „Bezeichnung für Comics im Buchformat, wobei sich diese aufgrund ihrer erzählerischen Komplexität häufig an eine erwachsene Zielgruppe richten. Der Terminus stellt den Versuch dar, längere und häufig als thematisch anspruchsvoll beworbene Comicbücher vom herkömmlichen westlichen Heftcomic und Comic-Album abzugrenzen“. Hier kommen aber auf 100 Buchseiten nur knapp 60 teils viertelseitige Illustrationen, die eher unterstützenden Charakter haben. Bitte nicht falsch verstehen: Das soll das Buch oder die Zeichnungen nicht herabwürdigen, nur wäre wohl eine Bezeichnung die keine falschen Assoziationen weckt vielleicht sinnvoller gewesen. OK, aber das sind jetzt nur Formalitäten :-P Außerdem habe ich bei Stichworten wie "betörend" und "Poesie" nicht solch krasse Szenen erwartet, und damit kommen wir direkt zur Handlung... Der von Fabienne Siegmund geschriebene, von Tatjana Kirsten illustrierte und von Torsten Low (der mir dankenswerterweise ein Rezensionsexemplar zur Verfügung stellte) publizierte Roman handelt von dem jungen Waisenmädchen Mina Drawen. Sie lebt in einem nicht näher bekannten Kriegsgebiet (von den wenigen Beschreibungen her würde ich auf eine Anlehnung an die Balkankriege tippen) zusammen mit ihrer besten Freundin Lili David, dem einzigen Menschen der ihr geblieben ist. Doch plötzlich ist diese einfach verschwunden. Geholt hat sie der Karusselkönig – Achtung, jetzt beginnen ein paar Spoiler – um sich an ihren Träumen zu laben. Mit Hilfe einer alten Frau findet sie schließlich ihn und auch sein magisches Karussell, doch um Lili zu befreien bedarf es noch vieler schmerzhafter Erlebnisse… Auch beim mittlerweile fünften oder sechsten Versuch tue ich mich gerade echt schwer damit hier eine aussagekräftige Rezension zu schreiben. Nüchtern betrachtet ist es eigentlich gar nicht schwer: Die Illustrationen sind wirklich sehr gelungen und atmosphärisch. Die Handlung beginnt vielversprechend, bremst sich im Mittelteil ein wenig aus um dann am Ende nochmal mit einigen mehr oder weniger überraschenden Wendungen aufzutrumpfen. Der Schreibstil ist gelungen, direkt und so intensiv, dass sich einige Szenen quasi in meine Erinnerung eingebrannt haben. Achtung, jetzt geht es nicht mehr ohne massive Spoiler: Nur haben sie sich, und ich denke da liegt das Problem was ich mit der Geschichte habe, besonders deshalb eingebrannt, weil es hier um Kinder geht. Noch ziemlich am Anfang, als die alte Frau dem Kind sagt dass es jetzt stirbt und seine Mutter bald auch, schmerzte es schon. Aber wenn jede Nacht immer wieder ahnungslose Kinder von Karusselltieren zerfetzt und am nächsten Tag ihre Überreste zusammengekehrt werden – Ganz ehrlich, in diesen Momenten war mir als ob ich einen Stich ins Herz bekäme und ich musste mich zwingen weiterzulesen :-( Was bei dieser Intensität natürlich ein Lob für die Autorin ist. Die Geschichte wird letztlich auf wenigen Seiten mit einem eher seltsam anmutenden Happy End mit fragwürdiger Moral aufgelöst. Vielleicht möchte die Autorin, dass man nach den 23 Kapiteln plus Pro- & Epilog plus Vor- & Nachwort intensiv nachdenkt. Und das tue ich schon lange, nicht umsonst hab ich so viele Anläufe gebraucht für diesen Text hier. So ganz schlau werde ich aber trotzdem nicht, und ganz bestimmt habe ich die traumtrunkene Poesie oder die Macht der Träume oder auch die Wege von Liebe und Schuld nicht verstanden, die Oliver Plaschka ausgemacht hat. Oder ich verstehe einfach nicht die tiefere Bedeutung des Märchens? Falls also jemand das Buch gelesen und sich selber Gedanken gemacht hat, dann bitte schreibt es in die Kommentare. Gerne möchte ich verstehen! Unabhängig von meinen persönlichen Befindlichkeiten: Der „Verlag Torsten Low“ hat gute Arbeit geleistet. Eine gute Druckqualität, ein Lektorat was ich nicht beanstanden möchte, ein wirklich schönes Cover für 14,90 €. Bei so einem Kleinverlag für ein stabiles Softcover durchaus vertretbar. Fazit: Ich denke dieses Mal war es echt offensichtlich, dass ich mich mit „Der Karussellkönig“ wirklich sehr schwer getan habe. Unabhängig davon möchte ich aber nochmal Tatjana Kirsten für die schönen Illustrationen, Fabienne Siegmund für den guten Schreibstil und Torsten Low für die gute Druckqualität loben. Wer moderne Märchen mit eindringlichen Szenen mag, wird hier zweifelsohne seine Freude haben. Und wer es gelesen hat, kann es dann ja bitte für mich interpretieren ;-) 3,5 / 5 beziehungsweise 70 % wäre meine Wertung. PS: Nur weil ich das Buch nicht verstanden habe, möchte ich jetzt niemanden abschrecken, daher hier noch eine positive und wie ich finde sehr schöne Rezension die ich gefunden habe. Außerdem ist die Vloggerin echt niedlich ;-)
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