André Wiesler, ein in der deutschen Rollenspiel- und Fantasy-Szene recht bekannter Autor, hatte einen Traum: Seinen Mystery-Comedy-Roman „Protektor: Monsterjäger mit Sockenschuss“ sollte veröffentlicht werden. Leider wollten die etablierten Publikumsverlage das Skript alle nicht, daher rief er eine erfolgreiche Crowdfunding-Kampagne ins Leben. Insgesamt 118 Unterstützen legten 3226 € zusammen, am Ende fand sich mit dem „Verlag Torsten Low“ sogar noch eine Szenegröße für den Vertrieb - Also doch noch eine Erfolgsgeschichte? Auch ich habe mich an dem Crowdfunding (Link) beteiligt (welches übrigens vorbildlich über die Bühne ging) und kann nun die Ablehnung durch die etablierten Publikumsverlage verstehen… Aber ich will von vorn beginnen: Es kann nur besser werden, und zwar für den Protagonisten Klaus Holger. Der ist, trotz seiner Intelligenz, ein ziemlich unsympathischer Loser. Arbeitslos, antrieblos, aufgedunsen, chauvinistisch und irgendwie auch asozial und dabei zielsicher in jedes Fettnäpfchen tretend – Es fällt schwer, Klaus Holger zu mögen. Da ist es umso erstaunlicher, dass er trotz dessen eine wunderschöne Frau aufreißt, die ihn nach einer heißen Nacht infiziert. Allerdings nicht mit einer Geschlechtskrankheit, sondern mit der Protektor-Kraft. Denn das Schicksal hat ihn auserwählt, er soll Deutschland vor Zombies, Teufeln und Vampiren schützen. Zur Seite stehen ihm dabei seine Tierbegleiterin Kunigunde, eine ebenso liebenswerte wie tödliche Kuh, und seine Amtsvorgängerin Veronique in Geistergestalt. Also das bekannte Schema Taugenichts wird Superheld, schon so gelesen beispielsweise im Comic „Kick-Ass“ (Link) oder gesehen im Indie-Film „Super – Shut Up, Crime!" (Link). Aufgelockert wird die 19 Kapitel und 221 Seiten umfassende Haupthandlung (das Buch an sich hat 248 Seiten) durch mehr oder minder kurze Kindheits- und Jugenderinnerungen, welche thematisch zum aktuellen Kapitel passend den Protagonisten charakterisieren (sollen). „Protektor: Monsterjäger mit Sockenschuss“ (Link) versucht Humor mit Mystery zu verbinden. Ein wie ich finde interessantes Konzept, was aber daran krankt dass der Humor gegenüber der Mystery qualitativ abfällt. Denn der Humor zeichnet sich, gerade in der ersten Buchhälfte (wo es mehr auffällt, weil der Mystery-Anteil und generell die Spannung noch recht gering ist), eher durch Quantität denn Qualität aus. Flache Witze, recht oft unter der Gürtellinie, haben bei mir eher ein genervtes Augenrollen anstatt eines lauten Lachers (die gab es auch, ich glaube 3 oder 4 waren es im gesamten Buch) entlockt. Nun kann man natürlich sagen, Humor sei Ansichtssache. Klar, genauso ist es! Aber unabhängig von der Witzpräferenz muss wohl jeder Leser zugeben, dass beispielsweise die meisten Fettnäpfchen eher gewollt anstatt lustig rüberkommen. Wobei ich hier vielleicht noch anmerken muss, dass interessanterweise die Jugend-Rückblenden humortechnisch oft besser funktionieren, wobei ich gar nicht so richtig verorten kann woran das liegt. Was zumeist auch gut funktioniert sind die popkulturellen und teilweise auch nerdigen Anspielungen (der „Vampire Live“-Abschnitt ist wirklich grandios!). Wo der Humor also in meinen Augen versagt, trumpft der Mystery-Teil des Buches auf. Zwar ist die Wandlung des Protagonisten hin zum Protektor recht vorhersehbar (und seine „Charakterentwicklung“ sehr abrupt), doch immerhin steigt hier mit der Spannungskurve auch die Abwechslung und das Lesevergnügen. Dabei ist besonders die Kampf-Kuh Kunigunde eine echte Bereicherung, die dem Leser sogleich ans Herz wächst. Sie ist, auch wenn sie naturgemäß charakterlich eher blass bleibt, auch der einzig interessante Nebencharakter. Holgers Amtsvorgängerin Veronique hat in ihrer Rolle als lebendige Verführerin nur zwei kurze Auftritte und bleibt dann als coachender Geist auch kaum mehr als eine Stichwortgeberin. Immerhin bereichert sie die Handlung, im Gegensatz zu Holgers Vater, der eigentlich nur für noch mehr Unter-die-Gürtellinien-Witze im Ruhrpott-Slang zuständig ist. Würde er fehlen, er würde nicht fehlen ;-) Jetzt hab ich aber mal inhaltlich genug rumgemeckert :-P Ist die Geschichte auch eher so mittelgeil, die schreiberische Qualität von André Wiesler geht vollkommen in Ordnung. Man merkt, der hat Talent :-) Das in der Ich-Perspektive geschriebene Buch liest sich flüssig, was an einer schnörkellosen Sprache liegt. Stilistische Spielereien und ausufernde Satzkonstruktionen fehlen, und das ist auch gut so :-D Die Druckqualität ist gut, das Lektorat hat auch gut gearbeitet (1 Fehler gefunden), daher würde ich den Preis von 14,99 € für einen Kleinverlag als noch akzeptabel einstufen. Fazit: „Lieber Protektor Klaus Holger, du machst es mir nicht einfach. Am Anfang bist du irgendwie asozial und ich wollte eigentlich gar nicht mehr an deinem Leben teilhaben. Dein Humor ist einfach nicht mein Humor. Aber ich blieb stark und am Ende konnte ich doch zufrieden feststellen, dass du dich, wenn auch im Hauruck-Verfahren, zum Protektor gewandelt hast. Dich zu mögen will mir auch jetzt nicht gelingen, aber immerhin mag ich deine Kuh. Töte mit ihr zusammen in der bereits von André angekündigten Zukunft (Link) ein paar gruseligere Monster und schick deinen nervigen Sex-Papa in Rente. Vielleicht solltest du auch mal dein Verhältnis zu Frauen überdenken und dich so intelligent verhalten, wie du eigentlich bist. Dann könnten wir beide doch Freunde werden, denn ich sehe viel Potential in dir. Es kann nur besser werden! Beste Grüße, (d)ein Crowdfunder.“ PS: Da ich schon von mehreren Personen nach einer Wertung gefragt wurde (obwohl ich ja eigentlich kein Punkte-, Prozent- oder Sternchensystem habe), hier extra für euch: 68 %! Die Wertung setzt sich folgendermaßen zusammen: Erstmal habe ich das Buch grob in seine drei Teile aufgeteilt: Die erste Hälfte war im Großen und Ganzen eine langwierige Aneinanderreihung von plattem Humor, meine Lesemotivation litt ein wenig, da schwankt die Wertung von Kapitel zu Kapitel um die 2 – 3 von 5 Sternen (jaja, die Amazon-Skala ;-)). Also im Durchschnitt 2,5 Sterne. Die zweite Hälfte zog qualitativ durch den höheren Mystery-Teil deutlich an, endlich passierte auch mal was und irgendwie war das sogar spannend. Zwar schwankte die Qualität ein wenig zwischen 3 – 4 von 5, aber es tendierte doch eher in Richtung 4. Also sag ich mal im Durchschnitt 3,75 Sterne. Zwei Hälften, aber ich hab doch von Dritteln geredet? Genau, denn das letzte Drittel bezieht sich auf Klaus Holgers Kindheits- & Jugenderinnerungen. Hier war das Niveau relativ konstant gut, da vergebe ich mal gönnerhafte 4 Sterne. Macht insgesamt im Durchschnitt 3,42 von 5 Sternen oder als Prozentsystem 68 %. PPS: Auch wenn ich jetzt Gefahr laufe, so chauvinistisch zu sein wie Klaus Holger, muss ich doch folgende Bucherkenntnis (Seite 31f) als absolut korrekt bestätigen: Schlager-Tussis sind von allen Musikhörerinnen wirklich am allereinfachsten rumzukriegen :-D
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