Bisher hatte ich hier in meinem Blog ja durchweg eher leichte Comic-Kost. Ein paar Superhelden, ein wenig SciFi-Action, manchmal auch beides zusammen. Asaf Hanukas „Der Realist“, in deutscher Sprache kürzlich beim „Cross Cult“-Verlag erschienen, passt nun ganz und gar nicht in diese Reihe: Eine „realistische“ Graphic Novel über das reale Leben des Künslers mit seinen realen Problemen (man verzeihe diese Wortwitze, aber jetzt bleibe ich zum Buch passend ernst ;-)). Das ist zugegebenermaßen schwere Kost, aber absolut lesenswert! Der preisgekrönte israelische Autor Asaf Hanuka (Link) verarbeitet in „Der Realist“ in kurzen, einseitigen Comics (teilweise in nur einem einzigen Bild) Ereignisse aus seinem Leben. Jeder Einseiter ist dabei eine kurze Geschichte, eine kleine Impression, die uns das Leben eines verschuldeten Künstlers, überforderten Vaters und scheiternden Ehemanns in Tel Aviv näher bringt. Dabei stehen diese Geschichten teilweise für sich, teilweise sind sie aber auch in eine Tagebuch-ähnliche Rahmenhandlung eingebettet. Beispielsweise verliert die junge Familie gleich im ersten Comic ihre Wohnung. Ein echtes Problem, denn sowohl die Mitpreise als auch die Lebenshaltungskosten in Tel Aviv explodieren – Genauso wie die Bomben und Raketen der Terroristen. Auch Ehe- und Gesundheitsprobleme sind häufig Inhalt dieser Geschichten. Angst, Zweifel und Überforderung sind dabei immer wiederkehrende Motive, welche sich sowohl in den Zeichnungen an sich als auch in der überaus tristen Farbgebung widerspiegeln. Lediglich einige Familienbilder, gerade auch von seinem Sohn, stechen hier mit fröhlicheren Farben heraus. Nichtsdestotrotz bleibt die Grundstimmung in „Der Realist“ gedrückt und nachdenklich, selten kann man auch mal schmunzeln. Und nachdenklich ist dabei wohl das passendste Wort, um diesen Ausnahme-Comic treffend zu beschreiben: Wie bei einem Poetry Slam (Link) regt jede einzelne Geschichte zum Nachdenken an, auch wenn die Qualität der Episoden leicht schwankt zwischen „durchaus interessant“ und „absolut herausragend“. Die Zeichnungen an sich sind sehr gut gelungen. Interessanterweise variiert der Zeichner gelegentlich seinen Stil und sehr häufig die Farbgebung, sodass man ohne Vorwissen durchaus denken könnte hier wären 2 – 3 verschiedene Künstler am Werk gewesen. Zusammen mit den gut übersetzen Texten wird dadurch hervorragend die passende Stimmung vermittelt. Zusätzlich hat der „Cross Cult“-Verlag (welcher mir freundlicherweise ein Rezensionsexemplar zur Verfügung stellte) als Ergänzung ein interessantes Interview mit dem Autoren geführt und auch sehr gute, stabile Druckqualität abgeliefert. Der Preis von 29,95 € ist absolut gerechtfertigt. Man kann das 192 Seiten starke Hardcover-Buch in einem Rutsch durchlesen und hat vielleicht 2 – 3 Stunden „Spaß“. Man kann sich aber auch hinsetzen, einen guten Wein genießen und dabei über das soeben Gelesene (oder besser Gesehene, denn oft kommen die Comics mit wenigen bis gar keinen Worten aus) nachdenken. Dann wird aus dieser Graphic Novel ein echtes Erlebnis, ich möchte überschwänglich behaupten sogar eine Erfahrung! Fazit: Der Begriff Graphic Novel wird heutzutage ziemlich inflationär gebraucht. Kaum hat man mal drei zusammengefasste Superheldencomics mit einem pseudoreflektierenden Monolog, redet man schon großspurig davon. „Der Realist“ aber kann wirklich als solche bezeichnet werden: Ernste Themen, die zum Nachdenken anregen. Ein Protagonist, der sich selbst nicht schont und welcher doch mein Mitgefühl erweckt. Mal realistische, mal phantasievolle Zeichnungen die man sich so als Kunst in die Wohnung hängen könnte. Ja, das ist eigentlich ein gutes Stichwort: Dieser Comic-Band ist Kunst! PS: Wer noch nicht ganz sicher ist, ob das Buch wirklich für ihn geeignet ist, möge bitte die Seite 6 „Mission im All“ lesen. Wenn dieser Einseiter dein Herz berührt, dann ist „Der Realist“ für dich ein Pflichtkauf! Mehr Infos gibt es hier (Link).
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