Ich wiederhole mich sicher viel zu oft, aber das deutsche Rollenspiel "Contact" hat einfach eines der coolsten Settings überhaupt. Nachdem ich letztens erst die Gelegenheit hatte, mit dem "Contact"-Abenteuerautoren Frank Sauer ein Interview zu führen, durfte ich nun den Schöpfer dieses Spiels, Robert Hamberger, ausfragen :-) Und er hat ein paar spannende Infos über die Entstehung und die Zukunft des taktischen Rollenspiels verraten! Hallo Robert. Cool, dass Du am Interview teilnehmen willst! Stell Dich den Lesern doch bitte kurz vor!
"Hallo, ihr alle. Mein Name ist Robert Hamberger. Ich bin 36 Jahre alt und meine Hobbys sind... nein, quatsch, das interessiert doch eigentlich gar keinen. Jedenfalls mache ich "Contact: Das taktische UFO-Rollenspiel", und lasse es beim "Uhrwerk-Verlag" veröffentlichen. Das macht in erster Linie eine Menge Spaß und schafft einen Ausgleich zu meinem Berufsleben, was auch der Grund ist, aus dem ich es tue."
Wie kamst du zum Rollenspielhobby und wie wurdest Du dann zum Autor?
"Zum Rollenspiel fand ich relativ spät, erst in der 11. oder 12. Klasse. Ich glaube, ich hatte erstmals mit ein paar Freunden ein von einem Bekannten selbstgeschriebenes Science-Fiction-Rollenspiel gespielt. Das war so ein düsteres, futuristisches Weltraumsetting, ähnlich "ALIENS", mit nur rudimentären Regeln und jeder Menge nerdigem Gedankengut, das von Anime, Manga und Comics inspiriert war. Im Rückblick muss es mich wohl irgendwie beeindruckt haben, was man mit etwas Phantasie auf die Beine stellen kann. Später spielte ich viel "Shadowrun 3.0", das eines der ersten meiner ausgewachsenen Rollenspiele darstellte. Doch auch "Advanced Dungeons & Dragons", "Star Wars D6" und ein paar andere Spiele probierten wir aus. Einen Hang dazu, mir meinen eigenen Kram auszudenken, hatte ich schon immer, selbst vor dem Hobby Rollenspiel. Dieses eröffnete mir ganz neue Möglichkeiten, mich darin auszutoben. "Contact" ist tatsächlich nicht mein erstes selbstgeschriebenes Spiel, aber zumindest das erste, das veröffentlicht wurde. Ich hatte großes Glück, dass Patric von Uhrwerk es rausbringen wollte, da das Interesse an einem brandneuen, deutschen SciFi-System bei den anderen Verlagen zu dem Zeitpunkt sehr, sagen wir, gedämpft war. Manche der Verlagsmenschen schleuderten mir sogar an dem Kopf, dass es völliger Unsinn sei, überhaupt ein Rollenspiel im Genre der Science Fiction anzufangen. Außer Fantasy könne man alles andere in Deutschland ganz vergessen. Na dann, Prost. Ich schätze, so wurde ich erst "richtig" zum Autor, da ich es mir als bekennender SciFi-Enthusiast in den Kopf gesetzt hatte, mit dieser landläufigen Ansicht in der Rollenspielszene aufzuräumen."
Du hast mit "Contact" eine meiner Lieblingsrollenspiele erschaffen. Wie und wie lang lief die Entwicklung ab? Und wieso dieses Setting?
"Oh, das ist eine lange Geschichte. So richtig damit angefangen habe ich wohl um 2007 herum. Mein Studium war gut zur Hälfte vorbei und irgendwie langweilig. Ich hatte sehr viel Zeit. Im Laufe der Jahre davor hatte ich viele gute, atmosphärische Rollenspiele kennengelernt und auch die eine oder andere regeltechnische Perle im Computer- und Videospielebereich durchgezockt. Besonders beeindruckend fand ich die Spielmechaniken hinter den Klassikern "Fallout" Teil 1 und 2. Diese waren es hauptsächlich, die mich dazu inspirierten, ein eigenes Regelsystem für ein Pen&Paper-Rollenspiel zu entwickeln. Das Setting dazu erdachte ich erst gut ein Jahr später: Hier kam die meiste Inspiration aus der Richtung von "X-Com" (hier bei uns auch bekannt als "UFO: Enemy Unknown") aus dem Jahr 1994, einem unglaublich spannenden PC-Strategiespiel um Aliens und ihre Bekämpfung durch eine Geheimorganisation. Für meine Regelideen war ein solches Setting ein gefundenes Fressen, da ich gerne taktisches Gameplay mag, bei dem man nicht nur als Charakter, sondern auch als Spieler im Laufe der Zeit an Schläue und Erfahrung zulegt. Der Überschuss an Waffen in Contact muss hingegen wohl von dem leichten Hirnschaden herrühren, den mir "FASAs Shadowrun" im Laufe der Jahre verpasst hat. Ich bin jedenfalls froh, dass dir "Contact" so sehr gefällt."
War "Contact" von Anfang an taktische Simulation gedacht oder kam dies erst im Verlauf der Entwicklung?
"Teils, teils. Von Beginn an wollte ich ein möglichst detailliertes System schaffen, das dem Spieler einen gewissen Aha-Effekt verschafft, weil die Regelmechaniken einen Bezug zur Realität haben und gleichzeitig darin nachvollziehbar sind. Alles begann mit einem Prozentsystem, das möglichst transparent sein sollte, um den Spieler seine Chancen gut abschätzen lassen zu können. Die spezielleren Regelmodule kamen nach dazu und wurden immer detaillierter. Irgendwann war ich an einem Punkt angelangt, an dem die Regellast einfach zu groß wurde, um von einem menschlichen Spielleiter vernünftig gehandhabt zu werden. Einiges wurde rationalisiert, vereinfacht, abstrahiert und sogar gestrichen. Es war klar, dass ein analoges Rollenspiel keine tiefergreifende Simulation der Realität sein darf, wenn es allen Beteiligten Spaß machen soll. Einige simulationistische Kernelemente der größten Inspirationsquellen, wie etwa der Basenbau aus UFO, haben das Streamlining aber überstanden und sind immer noch ein Teil des Spiels, der mir persönlich besonders gut gefällt."
Bist Du an allen "Contact"-Büchern irgendwie beteiligt oder lässt Du die Autoren an der langen Leine? Wie funktioniert die Zusammenarbeit mit den anderen Autoren und dem Verlag generell?
"Ich habe definitiv bei allen Produkten mit dem verchromten Alienschädel darauf zumindest im Sinne eines Bandredakteurs meine Finger im Spiel. In Sachen Überarbeitung bin ich meist wenig zurückhaltend, vor allem dann nicht, wenn es sich lohnt, für ein besseres Endprodukt zu kämpfen. Mit dem harten Kern an Autoren (z.B. Frank Sauer) und anderen Mitwirkenden unserer, ich möchte betonen, sehr kleinen Redaktion klappt die Zusammenarbeit wie am Schnürchen. Wobei ich aber auch gestehen muss, dass einiges an Material von außerhalb, dass wir lesen mussten, schon recht umgehend in der Tonne gelandet ist. Natürlich suchen wir trotzdem weiter fleißig nach neuen Talenten, die nur darauf warten, entdeckt zu werden."
Was gefällt Dir besonders an "Contact"? Und gern auch selbstkritisch: Was nicht so?
"Öhm. Was mir an "Contact" besonders gut gefällt? Äh, ALLES. Nein, wirklich. Es ist das beste deutsche UFO-Rollenspiel von allen! Moment, wie viele davon gibt es? Spaß beiseite: Ein bisschen stolz bin ich ja auf die modulare Strukturierung des Systems, das es allen leicht macht, es nach Lust und Laune zu erweitern - sowohl uns als auch den Fans. Das zeigt sich auch in der recht lebendigen Community im Uhrwerk-Forum (Link). Was mir noch gut gefällt ist die Abwesenheit des besonders aus älteren Fantasy-Systemen bekannten "Abwechselnd-auf-die-Zwölf-bis-einer-umfällt"-Prinzips, sondern statt dessen ein forderndes und brenzliges Kampfsystem mit vielen verschiedenen Möglichkeiten für die Spieler, bei dem sie flexibel sein müssen und nicht einschlafen werden. Der Soundtrack von "X-Score", den wir zuletzt herausgebracht haben, ist auch richtig gut geworden. Was mir nicht gefällt? Hier und da stören mich immer noch ein paar Ecken, die sich selbst mit der nuklearen Dampfwalze noch nicht ausbügeln ließen. Ein Beispiel sind automatische Feuermodi und die daraus resultierenden Würfelorgien, weil sie den Spielfluss verlangsamen und sich bisher auch keine sinnvoll vereinfachte Regel dafür finden ließ. Aber ich bin sicher, irgendwann wird einem Spieler oder Spielleiter ein Licht aufgehen und auch das besser lösen können. Hoffentlich teilt er sich damit dann der Community mit."
Du schriebst ja auch einige der Abenteuer. Wie kann ich mir die Entwicklung solch eines Abenteuerbandes vorstellen? Kommt da erst die grobe Hintergrundgeschichte, plant man erst die Art des Abenteuers, oder gehst Du von einem Handlungshöhepunkt aus und entwickelst den Rest drumherum?
"Mehr ersteres. Die Grundstimmung spielt für mich zu Beginn des Entwurfs auch eine tragende Rolle. Ich schreibe meine Abenteuer gerne in Genres: Horror, Mystery, Spionage, Military Science-Fiction und so weiter, weil in "Contact" eigentlich sehr viele Genres Platz finden, solange nur irgend ein Bezug zu Aliens und der Verteidigung der Erde besteht. "ATS-X 51" beispielsweise besteht primär aus Mystery und Spionage mit viel sozialer Interaktion, während "Krater des Verderbens" mehr ein klassisches Horrorabenteuer mit unvermeidlichem Irrsinn und lauernden Ungeheuern ist. Dann entwickle ich meistens den Schauplatz für die Geschichte, Fraktionen und die anderen Elemente, die das Drumherum ausmachen. Zu guter Letzt überlege ich mir, wie die Handlung im Detail beschaffen sein muss, damit die Spieler eine Eigenmotivation bekommen und der Spielleiter sie nicht nur ein Fetch- oder Kammerjäger-Quest nach dem anderen machen lassen muss."
Ebenso schreibst du aktuell an der Erweiterung "Opus Armatum". Richtest Du Dich da an dem akuten Bedarf der Spieler aus oder hast Du einen längerfristigen Plan im Kopf?
"Das mit dem "Opus Armatum" (kurz "OpAr")war eine ganz angeregte Sache. Klar, es ist auch eine Menge Fleißarbeit, "OpAr" ist ein Sammelband voll mit dem Spielzeug, das man sich im Laufe der Zeit noch so ausgedacht hat, aber dann kam auch noch die Community ins Spiel und steuerte einen guten Teil der Anregungen bei, die wir brauchten, um das ganze noch runder zu machen. "OpAr" soll also auch die Neuerungen enthalten, die von der Community akut gewünscht wurden, dient aber auch in gewisser Weise als Vorbereitung für etwas anderes, nicht ganz kleines. Jedenfalls findet ihr darin neben tonnenweise neuer (und alter), bebilderter Ausrüstung mit Werten und allen notwendigen Regelzusätzen auch mehr oder weniger die Ankündigung eines neuen Zeitalters, das einiges in dem Setting im großen Stil verändern wird. Ich möchte dazu nur das Stichwort "Technologiestufe 4" in den Raum werfen."
Wo wir beim Thema Spieler sind: Wie war bisher die Resonanz von Spielern und Kritikern auf "Contact" und auch die Erweiterungen und Abenteuer?
"Ich bin mit der Resonanz insgesamt sehr zufrieden. Die Reaktionen sind doch größtenteils positiv, was wir auch in Zukunft mit weiteren Produkten in gleichbleibender Qualität wiederholen möchten. Dass nicht jeder etwas mit einem SciFi-System anfangen kann, das mit ausführlichen Mechaniken gespielt wird und inhaltlich streckenweise recht düster und apokalyptisch anmutet, ist aber auch nachzuvollziehen. "Contact" wird bis auf weiteres ein Nischenprodukt für die detailverliebten Taktiker unter den Rollenspielern bleiben, so dass es nicht die gleiche breite Masse an Spielern ansprechen kann wie so manch ein größeres Fantasy-Rollenspiel. Das war aber auch nie das Ziel."
Was planst Du für die Zukunft? Kannst Du eventuell gar ein wenig für "Contact" spoilern?
"Zunächst erwartet euch natürlich "OpAr", sozusagen das ultimative Waffenbuch für alle schießwütigen Verrückten da draußen, denen alle Straßensamurai-Kataloge und Chromebooks der Welt einfach nicht ausreichen. Als nächstes würde eine kurze Salve von neuen Abenteuern ganz gut in den Veröffentlichungsplan passen, denke ich. Oh, und wenn alles klappt, können sich Fans des Genres in Zukunft auf etwas reinen, unverdünnten Lesestoff freuen, über den ich zu diesem Zeitpunkt null komma nix verraten werde. Mu har har har!" undefined
Vielen Dank und weiterhin viel Erfolg! Ich bin gespannt!
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