Was wird den Untergang der Menschheit herbeiführen? Künstliche Intelligenz? Klimawandel? Oder am Ende doch der Mensch selber?
Diesem Gedankenspiel widmet sich Mathieu Bablets als Szenarist & Zeichner in seinem mitunter schwer verdaulichen 272 Seiten dicken Mammutwerk „Carbon & Silizium“. Aber ist dieses Mammutwerk auch ein Meisterwerk?
In der nahen Zukunft, im Silicon Valley, erschafft die Wissenschaftlerin Noriko gemeinsam mit ihrem Forscherteam zwei künstliche Intelligenzen, welche als Grundlage einer ersten Generation an Androiden dienen soll. Carbon und Silizium, so ihr Name, sollen nicht nur mit dem gesamten Wissen der Menschheit ausgestattet sein (weshalb sie das komplette Internet in gerade mal einer Sekunde runterladen), sondern auch mit Emotionen. Und dieses Experiment ist erfolgreich, nur wenige Jahre später gehören Androiden zum Alltag.
Doch während sich die Welt weiterdreht (sowohl im Großen, etwa dass ihr Konzern von der asiatischen Konkurrenz aufgekauft wird und dass die Erde immer unbewohnbarer wird, als auch im Kleinen, etwa das Dr. Noriko ihre Familie für die Arbeit vernachlässigt), entwickeln Carbon und Silizium zunehmend ein Eigenleben mit dem Wunsch nach mehr Freiheit. Und so versuchen sie bei ihrer ersten Reise in einem Fluchtversuch, der nur Silizium gelingt. Während dieser nun seine Freiheit genießt und versucht, die gesamte Erde zu bereisen, um alle Eindrücke in sich aufzunehmen, ist Carbon erneut in Gefangenschaft, auf das baldige Ende ihres vorgegebenen Lebenszyklus wartend.
Doch Dr. Noriko hat Mitleid mit ihrem „Roboter-Kind“ und programmiert Carbon so um, dass ihr Bewusstsein bei ihrem Tod jedes Mal in einen neuen, noch „leeren“ Androiden heruntergeladen wird. Also quasi unbegrenztest Leben, immer wieder in einem frischen Körper. Eigentlich ein Traum – Achtung! Milder Spoiler! – besonders nachdem sie Silizium wiederentdeckt hat, welcher den Tod auf seine eigene Weise besiegt hat. Aber die Erde geht über Jahrhunderte immer mehr den Bach runter, sodass sich die persönliche Utopie der beiden KI-Geschwister immer mehr zu einer Dystopie entwickelt...
Wie in der Einleitung schon geschrieben, der „Splitter Verlag“ (der mir dankenswerterweise ein Rezensionsexemplar zur Verfügung gestellt hat) hat mit „Carbon & Silizium“ ein schwer verdauliches Mammutwerk veröffentlicht. Wirklich schwer verdaulich! Denn diese Graphic Novel, so großartig sie auch ist, macht wirklich sehr schlechte Laune mit ihren absolut glaubwürdigen Zukunftsprognosen. Dabei wird die Geschichte auf ziemlich interessante Weise erzählt, nämlich in ganz vielen, oft sehr kurzen Episoden, welche jeweils bestimmte Gesellschafts- oder Technologie-Aspekte oder aber das zwischenmenschliche bzw. zwischenrobotliche Zusammenleben thematisieren. Interessant ist auch Bablets Zeichenstil, welcher unter Comic-Fans immer wieder kontrovers aufgenommen wird, denn die Figuren wirken – gerade im Vergleich zu der Umgebung, welche dank der Kolorierung sehr viel Atmosphäre ausstrahlt – eigenartig karikaturhaft. Das muss man mögen, meins war es auch nicht, die Zeichnungen sind bei diesem dystopischen Mammut- & Meisterwerk eh zweitrangig.
Fazit: Ihr wollt mal ein herausragendes Stück Comic-Kunst lesen, aber durch die glaubwürdige Dystopie zugleich Zukunftsängste bekommen? Dann seid ihr bei „Carbon & Silizium“ (Link) genau richtig!