Der 2022er „The Batman“-Film kratzte ja schon sehr an der Perfektion, er hatte aber auch ein paar Schwächen. Beispielsweise bekam der sehr geerdet dargestellte, ja fast schon wie ein Batman-Fanboy wirkende Schurke Riddler viel zu wenig Zeit auf der Leinwand – Besonders wenn man bedenkt, dass man sich dafür gut drei Stunden ins Kino setzen musste. Dessen Schauspieler Paul Dano mochte seine Rolle aber wohl so sehr, dass er zu seiner Figur einen ganzen Comic schrieben, quasi die Vorgeschichte des Kinofilms. Ob das wohl funktioniert hat?
 

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Der Riddler, eigentlich Edward Nashton, ist ein hochbegabter Einzelgänger und zugleich ein missverstandenes Waisenkind. Aber er glaubt noch an das Gute in der grimmig-düsteren Metropole Gotham, sodass er sich an die Polizei wendet, als ihm bei seinem Job als Wirtschaftsforensiker seltsame Geldwäsche-Transaktionen auffallen. Aber nicht nur, dass diese keinen Finger rührt, mit seiner Suche nach der Wahrheit rückt er sogar selbst ins Fadenkreuz der Mafia. Und die ist in Gotham wirklich mit allen relevanten Institutionen – sogar mit seiner Firma – vernetzt. Aber da gibt es ja noch den dunklen Ritter Batman, welcher scheinbar unbestechlich das Verbrechen bekämpft. Doch für Edwards Probleme scheint sich dieser irgendwie auch nicht zu interessieren, sodass ihm letztlich keine Wahl bleibt, als zum rachsüchtigen Riddler zu werden...

...der tatsächlich, zumindest in diesem 220 Seiten dicken beziehungsweise sechs Kapitel/US-Einzelhefte umfassenden Sammelband, gar nicht wie ein Schurke wirkt. Sondern wie ein Anti-Held wider Willen, der aus Mangel an staatlicher Gerechtigkeit selbst für Ordnung sorgen muss. Und ist er damit nicht eigentlich sogar näher dran am Selbstjustiz ausübenden Batman als an den anderen DC-Schurken wie Joker oder Two Face? Oder anders formuliert, warum gilt (jaja, anderer Verlag) der Punisher als „der Gute“, obwohl er doch genau das Gleiche macht, was auch der Riddler in diesem Comic und zu Beginn der „The Batman“-Verfilmung tut?
 

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Fragen über Fragen, welche diese Geschichte leider nicht beantwortet. Aber doch sorgt sie dafür, dass man sich gut in die Gedankenwelt des Edward Nashton hineinversetzen kann, ja dass man mitunter sogar Sympathien entwickelt. Fast bekommt man beim Lesen das Gefühl, gerade auch dank der trostlos-düsteren Atmosphäre der Zeichnungen, dass sich der Neu-Comicautor Dano hier sehr stark hat von der überraschend viele Parallelen aufweisenden „Joker“-Verfilmung hat inspirieren lassen. Aber das soll keine Kritik sein, denn das ist ein ziemlich gutes Vorbild 😉
 

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Bei all der Charakterentwicklung tritt die eigentliche Geschichte rund um Edwards Geldwäsche-Ermittlung und damit auch die Spannung jedoch rasch in den Hintergrund. Nach dem dritten Kapitel ist das Thema fast schon komplett durch, danach folgt noch ein wenig Kindheitstrauma im vierten Kapitel, ein nur aus Notizen bestehender Einblick in Riddlers Gedankenwelt im fünften Kapitel und schließlich das finale sechste Kapitel, welches ohne große Umschweife oder einem befriedigenden Finale direkt dort endet, wo der „The Batman“-Film beginnt. Selten war eine Vorgeschichte also wirklich so „vorgeschichtlich“, aber andererseits habe ich nach der Lektüre sofort den nächstbesten Streaming-Dienst angemacht, um mir „The Batman“ noch einmal mit den neuen Informationen zu Gemüte zu führen 🙂
 

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Ob man den von „Panini Comics“ (die mir dankenswerterweise ein Rezensionsexemplar zur Verfügung stellten) für 25 € als Softcover und für 44 € als Hardcover publizierten „Der Riddler: Das erste Jahr“ also mag, liegt maßgeblich daran, ob man ihn als gezeichnete Vorgeschichte des „The Batman“-Films sieht oder aber als selbstständiges Werk. Neigt man zur erstgenannten Sichtweise, hat man hier eine phantastische Ergänzung, welche den Filmgenuss bereichert, auch wenn die Lese-Spannung irgendwann im hinteren Drittel etwas abflacht. Neigt man dagegen zur letztgenannten Sichtweise, ist die Geschichte unbefriedigend und ab der zweiten Hälfte schlicht enttäuschend. 

Fazit: „Der Riddler: Das erste Jahr“ (Link) funktioniert hervorragend als Vorgeschichte der „The Batman“-Verfilmung, aber nur mäßig gut als für sich stehender Einzelband. 

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