Es gibt sie tatsächlich noch: Anthologie-Reihen, bei denen die verschiedenen Einzelbände wirklich voneinander unabhängig lesbar sind. Für sich alleinstehende Geschichten in einem geteilten Universum, die sich dann nicht irgendwann miteinander zu verbinden, wie es z.B. bei dem thematisch recht ähnlichen „Conquest“ (Link) oder noch mustergültiger bei „7 Detektive“ (Link) der Fall war. Das war die erste positive Überraschung beim fünften „I.S.S. Snipers“-Band. Aber es gab sogleich auch eine negative Überraschung...
 

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Denn mit „Halley“ war es das dann erst einmal mit den nicht immer tiefgründigen, aber stets bleihaltigen SciFi-Geschichten rund um zwielichtige Elitekrieger, welche als die Besten der Besten der Besten aufmüpfige Aliens im Namen der imperialistischen Menschheit wegballern 😉 Dass ich (bei aller immer mal wieder aufkommenden Kritik) nun ein wenig traurig bin, zeigt doch ganz anschaulich, dass die Reihe bisher irgendwie ganz cool war. Ob der letzte Band da mithalten kann?
 

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Tatsächlich gibt es sogar zwei kleine Premieren zum Abschied. Erstens gibt es erstmals eine Frau als Protagonistin. Und zweites agiert sie diesmal nicht wirklich im Staatsauftag, sondern eher als eine private Ein-Frau-Armee für ihren Schöpfer... Ihren Schöpfer? Genau, denn auch wenn Halley aussieht wie die OnlyFans-Cosplay-Variante eines Predators, ist sie eigentlich eine Riesenspinne, welche mit allerlei Technologie in einen Frauenkörper hinein transferiert wurde. Ihr Schöpfer, der geniale und natürlich bitterböse H.G. Gates, hat zudem ihren Geist so geformt, dass sie ihm gegenüber absolut gehorsam ist – Was, wenn ich jetzt genau mitzähle, sogar zu einer dritten Premiere führt, denn bei den „I.S.S. Snipers“-Comics gab es bisher zwar viel körperliche Gewalt, aber noch keine sexuelle... Ein ziemlich fauler und plumper Weg von Autor Nicolas Jarry, um den Bösewicht noch böser darzustellen, den ein besserer Autor oder vermutlich jede Autorin sicherlich eleganter gegangen wäre.

Aber zurück zur Geschichte: Anfangs wohnen wir hier einer Beerdigungszeremonie eines weit entfernten Weltraum-Reiches bei, welches ihren verstorbenen Anführer mit unzähligen Reichtümern in Richtung Wurmloch schickt. All die Ganoven des Alls sind natürlich ziemlich heiß auf leichte Beute, aber am Ende ist das alles nur eine geschickte Falle, um das junge Alien-Mädchen X-111 aus der Gefangenschaft einer Piratenkönigin zu befreien. Denn dieses hat tief in ihrem Geist einen Code-Schlüssel versteckt, mit dem H.G. Gates noch viel mächtiger werden könnte. Gemeinsam mit einem ebenfalls befreiten Piraten, der als so eine Art Kindermädchen fungiert (und später als Halleys Liebhaber, was ebenfalls ziemlich plump erzählt wird), reisen sie nun zu Halleys Heimatplaneten. Denn dort soll die Spinnenkönigin eben jenen Code-Schlüssel per Gedankenübertragung auslesen. Natürlich stellen sich ihnen auf den Weg dorthin und auch hinterher einige Gefahren in den Weg, bevor es abschließend zur finalen Konfrontation mit dem Oberbösewicht kommt...
 

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Nun ist die „I.S.S. Snipers“-Reihe (Link) ja nicht für überbordend komplexe Geschichten mit tiefgründigen Figuren bekannt. Aber dieser Abschlussband legt noch eine Schippe an Simplizität drauf: „Halley“ könnte auch problemlos als Story-Gerüst für ein 90er Jahre Ballerspiel oder eine sehr, sehr simple Pen-&-Paper-Rollenspielkampagne herhalten. Hole Objekt A, bringe es zu Lokalität B, bringe es dann zu Lokalität C, anschließend der Bossfight; dazwischen dann verschiedenste Ballerei-Sequenzen gegen verschiedenste Gegner. Und wenn die Lage hoffnungslos erscheint, gibt es bestimmt irgendwo ein geheimes Upgrade oder einen frisch freigeschalteten Skilltree, welcher die Situation auflöst.

Das klingt jetzt vielleicht negativer, als es gemeint ist, denn prinzipiell macht „Halley“ wirklich Spaß. Man muss sich halt nur bewusst sein, dass man eine wirklich simple Geschichte vorgesetzt bekommt (die sich primär durch ihren Auftraggeber vom Rest der Anthologie abhebt), welche aber immerhin gewohnt hübsch und atmosphärisch in Szene gesetzt wurde. Der 14jährige Videospiel-Nerd, der ich zur Jahrtausendwende war, hätte diesen vom „Splitter Verlag“ (der mit dankenswerterweise ein Rezensionsexemplar zur Verfügung stellte) für glatte 18 € publizierten, 64 Seiten dicken Comic jedenfalls hart abgefeiert ♥️

Fazit: „I.S.S. Snipers #5 Halley“ (Link) hebt sich noch am ehesten von den anderen Anthologie-Bänden ab und ist zugleich ein würdiger Abschluss der Reihe. Wer die Bände 1-4 mochte, wird die Nummer 5 ebenfalls mögen!

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